HomeInternationalesEin (noch) gescheiterter weißrussischer Majdan

Ein (noch) gescheiterter weißrussischer Majdan

In der weißrussischen Hauptstadt herrscht seit dem Ergebnis der Präsidentenwahl in unzufriedenen Teilen der Bevölkerung eine regelrechte Majdan-Stimmung. Eine große Mehrheit sprach sich in den Wahlen für den seit 1994 amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko aus. Mit einer 80-prozentigen Mehrheit sitzt er, zumindest auf dem Papier, fest im Sattel, während ihm die studierte Pädagogin Swetlana Tichanowskaja den Platz streitig machen will. Im eigenen Land führt sie eine 9,9‑prozentige Minderheit an, der Westen aber seht geschlossen hinter ihr.

Straßenkämpfe

Minsk. Seit Sonntag wird in Weißrussland, v.a. in der Hauptstadt Minsk, gegen vermeintliche Wahlfälschung im Zuge der Präsidentenwahl protestiert. Dabei kam es zu teilweise blutigen Zusammenstößen mit den Demonstranten. Viele der Protestierenden waren mit Eisenstangen, Feuerwerkskörpern, Steinen und Molotowcocktails ausgerüstet und auf Ausschreitungen erpicht. Vom Telegram-Kanal Nexta, der von einem in Polen lebenden weißrussischen Blogger administriert wird und die Proteste maßgeblich beeinflusst bzw. aktiv mitorganisiert, kam auch die Anweisung, so viele Polizeiwagen als möglich unbrauchbar zu machen. Trotzdem sprechen westliche Medien einseitig von brutaler Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten. Der erste offiziell bestätigte Tote sei zudem daran gestorben, dass ihm ein selbstgebastelter Sprengsatz vorzeitig in den Händen explodiert ist. Der gern in den Vordergrund gesetzte Protestler, der von einem Polizeibus überfahren worden ist und vorher als erster Toter galt, hat hingegen überlebt – nicht zuletzt durch das schnelle Eingreifen des Fahrers.

Der Greif breitet die Krallen aus

Die EU ist bekannt dafür, solche Konflikte wo es nur geht anzuheizen, im schlimmsten Fall sogar ganz aus dem Nichts entstehen zu lassen. Sie war sehr schnell darin, Konsequenzen, sprich: Sanktionen, in Aussicht zu stellen. „Dies könnte unter anderem beinhalten, Maßnahmen gegen jene zu ergreifen, die verantwortlich für die beobachtete Gewalt, ungerechtfertigte Verhaftungen und die Fälschung der Wahlergebnisse sind.“, meinte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell kryptisch. Es deutet also sehr vieles auf einen versuchten und von außen herbeigeführten Machtwechsel hin. In der Art des faschistischen Putsches in der Ukraine, der zu einem Wechsel der Fraktionen des Monopolkapitals an der Macht und zahlreichen grausamen Massakern und Pogromen geführt hat, bereitet man uns medial bereits auf einen sogenannten Demokratieexport vor. Dabei ist Lukaschenko beileibe kein Präsident, dem nur das Volk am Herzen läge: In der Außenpolitik laviert er gern zwischen imperialistischen Machtblöcken, in der Coronakrise, der auch Weißrussland zum Opfer fiel, machte er sich durch eigenwillige Aussagen a la Trump oder Bolsonaro sehr unbeliebt. Wahlfälschung ist ihm, auch wenn dazu noch keine Beweise erbracht worden sind, durchaus zuzumuten. Trotzdem aber vertritt er, parlamentarisch gesprochen, den Willen des größten Teils der weißrussischen Wählerschaft, was zu respektieren ist.

Tichanowskaja in der Opferrolle

Der großer Hoffnungsschimmer westlicher liberaler Medien, Swetlana Tichanowskaja, hat sich am Montag selbst als eigentliche Wahlsiegerin deklariert. Noch am Tag der Wahl selber zweifelte sie den aus den Prognosen hervorgehenden klaren Wahlsieger Alexander Lukaschenko an: „Ich glaube an das, was ich mit eigenen Augen sehe, und ich sehe, dass die Mehrheit hinter uns steht“, glaubte sie. Und weiters: „Ich glaube, dass wir schon gewonnen haben, weil wir unsere Angst, unsere Apathie und unsere Gleichgültigkeit besiegt haben“. Hinter den populistischen Phrasen aber verbergen sich ausländische Monopolinteressen, die sich in Weißrussland fette Beute versprechen: 70 Prozent der Wirtschaft sind dort nämlich verstaatlicht, Schul- und Gesundheitswesen sind qualitativ hochwertig und stehen der Bevölkerung gratis zur Verfügung. Diese durchaus progressiven Zustände sowie der Umstand, dass Weißrussland nach wie vor kein NATO-Mitglied ist, stellen zweifellos ein Dorn im Auge der EU dar. Tichanowskaja legte am Montag also noch einen Gang zu und forderte, nachdem sie sich kurzerhand zur Präsidentin erklärt hatte, die Regierung solle darüber nachdenken, „wie sie die Macht friedlich an uns übergeben kann“. Bei den Wahlen erreichte sie immerhin fast ganze 10 Prozent.

Tichanowskaja befindet sich nun in Litauen und tut gut daran, ihre Anhängerinnen und Anhänger zum friedlichen Protest aufzurufen. Es gehe lediglich um einen friedlichen Wechsel der Macht. Dank der Partei Die Grünen kommt sie vielleicht sogar einmal nach Österreich: „Ich habe heute mit ihr Kontakt aufgenommen und sie nach Österreich eingeladen“, schrieb Ewa Ernst-Dziedzic, die außenpolitische Sprecherin der Grünen, am Dienstag auf Twitter. Es gehe darum, gemeinsam auszuloten, „[…] wie auch Österreich zu einer Beruhigung der aufgeheizten Lage und mittelfristig zu einem friedlichen Systemwechsel in Weißrussland beitragen kann.“, oder anders ausgedrückt: wie auch Österreich am besten in den Konflikt involviert werden könnte.

Quelle: ORF/Junge Welt/DiePresse/ORF/WKO/Kurier

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