Die Partei Einiges Russland will den Konzernherren unter die Arme greifen. Als großer Störfaktor erscheint dabei das Thema Arbeitssicherheit. Inspektionen sollen „für immer“ abgeschafft werden.
St. Petersburg. Es gibt vielfältige Gefahrenherde am Arbeitsplatz: elektrische Spannung, Flammen, Funken, statische Aufladungen, mechanische Belastungen, psychischer Stress und Berufskrankheiten, aber auch Stolper- und Sturzunfälle. Durch die Covid-19-Pandemie hat sich überdies die oft nachgewiesene Gefahr einer Ansteckung am Arbeitsplatz als besonders schlimm und zahlenmäßig hoch erwiesen. Es ist klar, dass diese Gefahreneinschätzung nicht dem bloßen Augenschein der Unternehmerinnen und Unternehmer überlassen werden können, die immer danach trachten werden, die Kosten für Arbeitssicherheit zu senken.
Kontrollen sollen für immer abgeschafft werden
Der russische Präsident Wladimir Putin sieht das gänzlich anders. Er versprach in einer Rede auf dem internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, dass die Kontrollen von Unternehmen, deren Arbeit keine Gefahr darstellt, „für immer“ abgeschafft werden sollen. Wer die Einschätzung vornehmen soll, ist noch unklar. Die Einteilung selbst ist ebenfalls willkürlich. Bei jeder Anstellungsart bestehen bekanntlich Risiken für Leben und Gesundheit. Mit der Abschaffung der Inspektionen zur Einhaltung der Brandschutz‑, Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften wird das Verletzungs- und Krankheitsrisiko für Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellte verschiedener Unternehmen erheblich steigen.
Im Jahr 2008 sagte der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedew, dass es notwendig sei, mit dem „Schikanieren“ von Unternehmen aufzuhören. Die Zahl der Inspektionen wurde reduziert und das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten: Am 5. Dezember 2009 ereignete sich die berühmte Tragödie im Club Chromaja Loschad, der 156 Menschen zum Opfer fielen. Der Veranstaltungsort war mit brennbarem Material ausgestattet und wies zahlreiche Verstöße gegen die Brandschutzvorschriften auf.
Der Plan von Einiges Russland sieht auch sonst große Erleichterungen für die Unternehmen und Konzerne vor, um ihnen mehr Spielraum zu gewährleisten. Aleksandr Il’tjakow, Sekretär der regionalen Sektion Kurgan der Partei Einiges Russland und Abgeordneter der Staatsduma, nannte ein Beispiel aus seiner Heimatregion:
„In der Oblast Kurgan können Unternehmen bis zu 50 Prozent der Kosten (bis zu 60 Mio. Rubel) für den Kauf von Anlagen und Maschinen im Rahmen eines Leasingvertrags erstattet bekommen. Bestehende Unternehmen und Selbstständige erhalten eine Bürgschaft für bis zu 50 Prozent der Kreditsumme.“
Die Initiativen beinhalten auch einen Aufschub für Bußgelder und Strafen für überfällige Zahlungen an den Staat und die Befreiung von Unternehmern von Bußgeldern für Verstöße, die bei Inspektionen festgestellt werden (falls diese denn noch zustandekommen).
Sonderwirtschaftszone im Donbass
Die Pläne der Regierungspartei hängen auch mit der Schaffung einer Sonderwirtschaftszone im Donbass zusammen, um die eroberten Gebiete auch für die russischen Unternehmen fruchtbar zu machen. Es geht darum, Unternehmen aus der Russischen Föderation immense Steuervorteile in Donezk und Lugansk zu verschaffen, um die dortige Bevölkerung unter günstigeren Bedingungen auszubeuten. Andrej Turtschak, Generalsekretär des Generalrats von Einiges Russland, schlug im Anbetracht der Schaffung einer solchen Sonderwirtschaftszone vor, „die Rückzahlung eines bestimmten Anteils der Investitionskosten beim Bau von Produktionsanlagen zu gewährleisten“.
Ihm zufolge müssten auch Maßnahmen zum Ausbau des Bankennetzes und spezielle Kreditprogramme für Unternehmer im Donbass geplant werden: „Sie sollten Zugang zu langen, günstigen Krediten haben, ohne Bürokratie und Verwaltungsaufwand. Außerdem sollte es möglich sein, Zahlungen ohne Gebühren über alle Banken und über das Quickpay-System zu überweisen.“
Er fügte hinzu, dass russische Unternehmer jetzt die einmalige Gelegenheit hätten, einen neuen Markt im Donbass zu erschließen. Detaillierte Pläne der Entnazifizierung, die als Grund für die sogenannte „Spezialoperation“ in der Ukraine angegeben wurden, lassen indes noch auf sich warten.