Gastautor: Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., ist Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.
Österreich und Palästina. In einem am 30. April 2020 veröffentlichten Dokument legt die aus Gambia stammende Spitzenstaatsanwältin des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag Fatou Bensouda die Begründung für ihre Entscheidung der Zuständigkeit dieses Gerichtshofes für Palästina auf Basis des Völkerrechts ausführlich dar. Im Ergebnis schreibt Bensouda: „Die Staatsanwaltschaft hat die Beobachtungen der Teilnehmer sorgfältig geprüft und ist weiterhin der Ansicht, dass der Gerichtshof für das besetzte palästinensische Gebiet zuständig ist.“
Wie hat die unabhängige, neutrale Republik Österreich auf die gegenständlichen Erhebungen der Internationalen Strafgerichtshofes geantwortet? In seinem Schreiben vom 15. März 2020 hat Österreich darauf hingewiesen, 2011 für eine Mitgliedschaft des Staates Palästina bei der UNESCO und 2012 für eine Aufnahme Palästinas als Nichtmitgliedstaat mit Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen gestimmt zu haben. Das sollte jedoch nicht „als eine bilaterale Anerkennung Palästinas als souveräner Staat von Seiten Österreichs missinterpretiert werden“. Österreich habe Palästina nicht als souveränen Staat anerkannt und „unterhalte auch keinerlei diplomatische Beziehungen mit Palästina auf bilateraler Ebene“.
Hier wurden die Tatsachen türkis(-grün) eingefärbt. 2011 hat die bilaterale palästinensische Vertretung bei der österreichischen Bundesregierung die Bezeichnung „Vertretung von Palästina“ erhalten und es wurde ein Botschafter offiziell akkreditiert.
„Mit Bedauern haben wir die Position Österreichs zur Kenntnis genommen“, so Botschafter Salah Abdel Shafi am 4. Mai 2020 in seiner von den subventionierten Leitmedien pflichtgemäß unterschlagenen Aussendung, „denn diese stellt eine weitere Abkehr von der bisherigen österreichischen Linie dar. Die Empfehlung Österreichs, der Internationale Strafgerichtshof sei nicht zuständig für Palästina, stellt einen Versuch dar, Israel vor einer völkerrechtlichen Gerichtsbarkeit zu schützen. Die Frage, die sich mir stellt, ist folgende: Wenn – so wie nach österreichischer Position – der Internationale Strafgerichtshof keine Zuständigkeit besitzt, wer soll dann den Opfern der Kriegsverbrechen Gerechtigkeit widerfahren lassen?“
75 Jahre nach Wiedererrichtung Österreichs dokumentiert die türkis(-grüne) Bundesregierung mit ihrem Führer Sebastian Kurz, der bekanntlich ein enger Freund von Benjamin Netanjahu ist, nicht die Interessen von Österreich, sondern ihre Abhängigkeit von Geschäftsinteressen. Dass Dollfuß sich an Mussolini ausgerichtet hat, ist in diesem Kontext ein völlig unzulässiger Gedanke. Aber es darf, wenn auch vergeblich, daran erinnert werden, dass der große österreichische Völkerrechtler Heinrich Lammasch als international anerkannter Richter in Den Haag gewirkt hat und als Pazifist für die Unabhängigkeit Österreichs eingetreten ist. Ader nicht an ihn orientiert sich Österreich, sondern an Hans Kelsen, für den Österreich nicht mehr als ein Fetzen Papier war und der nicht wusste, was Gerechtigkeit ist.