Eine neue Studie der Arbeiterkammer Niederösterreich zeigt alarmierende Zahlen: Mehr als die Hälfte der Frauen in Industrie, Gewerbe und IT erlebt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, oft durch Kollegen oder Vorgesetzte. Trotz neuer Schutzbestimmungen bleibt der Handlungsbedarf groß – besonders in männerdominierten Branchen.
St. Pölten. Rund sechs von zehn Frauen in Industrie, Gewerbe und IT berichten laut einer neuen Studie der Arbeiterkammer Niederösterreich (AKNÖ) von abwertenden Kommentaren, beleidigenden Bemerkungen und stereotypen Aufgaben am Arbeitsplatz. 57 Prozent gaben an, bereits sexuelle Belästigung erlebt zu haben – von aufdringlichen Blicken bis hin zu unerwünschtem Körperkontakt. Fast jede zehnte Frau war sogar von einem körperlichen Übergriff betroffen.
Auch Männer bleiben nicht verschont: 35 Prozent der befragten Männer gaben an, sexuelle Belästigung erlebt zu haben, häufig als Zeugen von Übergriffen.
Die Täter seien laut den Studienautorinnen Ronja Nikolatti und Claudia Sorger von L&R Social Research überwiegend männliche Kollegen. Besonders alarmierend: Bei jeder dritten betroffenen Frau ging die Belästigung von der eigenen Führungskraft aus. Mehr als die Hälfte der Vorfälle wird laut den Daten jedoch gar nicht gemeldet – vielfach, weil sie verharmlost oder ohne Konsequenzen bleiben.
Für die Untersuchung wurden 1.093 Beschäftigte aus Niederösterreichs Industrie‑, Gewerbe- und IT-Branchen online befragt, darunter 683 Frauen und 410 Männer.
Ein offenes und wertschätzendes Betriebsklima könne laut Nikolatti und Sorger entscheidend vorbeugen: „Je respektvoller das Miteinander, desto seltener kommt es zu Übergriffen“, betonten die Forscherinnen bei einem Frauen-Forum am Dienstag in St. Pölten, wo die Studie vorgestellt wurde. Besonders in männerdominierten Branchen bestehe weiterhin großer Handlungsbedarf.
AKNÖ-Präsident Markus Wieser forderte in diesem Zusammenhang einen ganzheitlichen Ansatz: „Eine faire, respektvolle und wertschätzende Arbeitskultur ist die Grundlage dafür, dass Frauen am Arbeitsmarkt gleichberechtigt Chancen erhalten.“ Wieser verwies auf die seit September geltende ILO-Konvention 190, die Unternehmen verpflichtet, Präventionskonzepte und interne Beschwerdewege einzuführen. Sie soll mehr Schutz und ein frühzeitiges Eingreifen ermöglichen. AK-Direktorin Bettina Heise bezeichnete die neuen Regelungen als „doppelten Gewinn – für Beschäftigte und für Unternehmen“.
Quelle: ORF