In wenigen Wochen beginnt wieder die Schule – und für viele Familien bedeutet das wieder tief in die Tasche greifen. Die Liste für den Start ist lang, besonders wenn Kinder zum ersten Mal überhaupt in die Schule kommen: Hefte, Stifte, Turnsackerl, Zirkel, Geodreieck, Jausenbox und vieles mehr. Laut einer aktuellen Erhebung der Arbeiterkammer Burgenland lohnt es sich heuer besonders, Preise zu vergleichen, denn wie teuer der Schulstart für Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern wird, hängt spürbar von der Wahl des Geschäfts ab. Das billigste Schultaschen-Set kostet je nach Handelskette zwischen 60 und 100 Euro, während das teuerste Set zwischen 80 und 290 Euro rangiert; wer meint, es handle sich nur um Luxusvarianten, übersieht, dass sich die Unterschiede auch bei den Kleinigkeiten summieren, die am Ende den Kassabon sprengen. So kostet derselbe Markenklebestift in einem Geschäft doppelt so viel wie bei einer anderen Kette, und der identische Tintenkiller ist bei einem Händler um 60 Prozent teurer als beim anderen. Die Arbeiterkammer empfiehlt daher nicht nur den Vergleich, sondern auch Geduld, weil Händlerinnen und Händler kurz vor dem Schulbeginn einander mit Aktionen zu unterbieten versuchen – ein Tipp, der zugleich bestätigt, dass der Preis in diesem System nicht Ausdruck eines „Werts“, sondern einer Verkaufsstrategie ist.
Die öffentliche Schule wird als Ort der gleichen Chancen beschworen, während die materiellen Voraussetzungen dafür an den Einzelhandel ausgelagert bleiben. Wenn Händlerinnen und Händler denselben Klebestift zum doppelten Preis anbieten können, ist das keine Laune des Marktes. Die Differenz zwischen 60 und 100 Euro für ein günstiges Schultaschen-Set mag auf dem Papier moderat wirken, doch im Zusammenspiel mit Heften, Stiften, Mappen, Sportsachen und all den „Kleinigkeiten“ reproduziert sich jene stille Selektion, die Kinder aus einkommensschwachen Haushalten schon am ersten Schultag spüren lässt, dass Gleichheit im Kapitalismus unmöglich ist. Die Empfehlung, abzuwarten, weil Aktionen näher am Stichtag wahrscheinlicher werden, ist vernünftig und gleichzeitig zynisch: Wer knapp bei Kasse ist, soll den Kauf aufschieben, um dann in der Rabattschlacht zu bestehen.
Eine Gesellschaft, die Bildungszugang ernst nimmt, würde das Problem nicht an die Kassenbänder delegieren, sondern den Bedarf kollektiv organisieren. Gemeinden könnten Grundausstattungen zentral beschaffen und an Schülerinnen und Schüler ausgeben; Schulen könnten standardisierte, pädagogisch sinnvolle Startpakete bereitstellen, die nicht vom Markenlogo leben; der Staat könnte Grundbedarf mit einer Preisobergrenze belegen oder die Mehrwertsteuer auf essentielle Schulartikel streichen, statt Familien mit Vergleichsportalen und Wochenendprospekten zu beschäftigen. Solange aber die Politik das Ritual des Schulbeginns als Konjunkturprogramm für den Einzelhandel versteht, bleibt der moralische Appell an die Eltern – vergleicht die Preise, wartet auf Aktionen, spart an der Zeit – die höfliche Mogelpackung eines Verteilungskonflikts, in dem die Lernmittel privat finanziert werden und sich Konzerne über Profite freuen. Bildung beginnt nicht an der Kassa, aber sie scheitert dort oft zuerst.
Quelle: ORF