Wien. Die Regierung und die Spitzen der Gewerkschaften feierten den neuen Kollektivvertragsabschluss für den öffentlichen Dienst als „historischen Schritt“ und „Erfolg des österreichischen Modells“. Tatsächlich handelt es sich um einen neuerlichen massiven Reallohnverlust für die Beschäftigten – und um ein politisches Signal, das weit über den öffentlichen Dienst hinausweist: Die Sozialpartnerschaft funktioniert – gegen die objektiven Interssen der Arbeiterklasse.
Der Abschluss sieht über drei Jahre hinweg eine durchschnittliche Gehaltserhöhung von gerade einmal 1,5 Prozent vor. Für das Jahr 2026 gibt es gar keine Anpassung – erst ab Juli 2026 sollen die Gehälter um 3,3 Prozent steigen, gefolgt von zwei weiteren Mini-Erhöhungen von jeweils einem Prozent bis Ende 2028. Angesichts Inflation von über drei Prozent und einer Prognose von etwa 2 Prozent im kommenden Jahr bedeutet das einen anhaltenden Kaufkraftverlust, der die Reallöhne auf Jahre hinaus weiter aushöhlt.
Ein „Kompromiss“ – auf Kosten der Beschäftigten
Beamtenstaatssekretär Pröll (ÖVP) sprach von einem „historischen Schritt“, Finanzminister Marterbauer (SPÖ) zeigt sich auch zufrieden. Und auch die Gewerkschaftsvertreter Quin (GÖD) und Meidlinger (younion) lobten den Abschluss als „tragfähigen Kompromiss“ und „starkes Lebenszeichen der Sozialpartnerschaft“.
Doch tragfähig ist dieser Kompromiss nur für eine Seite: für die Regierung, die Unternehmen und das Kapital. Die Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst – wie auch zuvor im Metallbereich – liegen deutlich unter der Inflationsrate. Während die Preise für Mieten, Energie und Lebensmittel weiter steigen, wird den Beschäftigten „Verantwortung“ abverlangt – also Verzicht.
Sozialpartnerschaft als Instrument der Disziplinierung
Dass die Gewerkschaftsführung diesen Abschluss nicht als Niederlage, sondern als „Erfolg“ feiert, zeigt den Charakter des sozialpartnerschaftlichen Systems. Unter dem Vorwand der „Budgetdisziplin“ und „Standortverantwortung“ wird die reale Lebenslage der arbeitenden Menschen geopfert, um die Staatsfinanzen zu sanieren und die Wettbewerbsfähigkeit des Kapitals zu sichern. Die Sozialpartnerschaft dient als politisches Instrument zur Befriedung und Entwaffnung der Arbeiterklasse. „Die Sozialpartnerschaft lebt“, jubelte GÖD-Chef Quin – ja, sie lebt, aber sie lebt vom Opfer der Beschäftigten.
Die Herbstlohnrunde 2025 zeigt: Die Regierung, egal ob unter SPÖ oder ÖVP-Führung, nutzt die Gewerkschaften als Transmissionsriemen ihrer Austeritätspolitik. Der Dreijahresabschluss bedeutet nicht „Planungssicherheit“, sondern Lohnstagnation, und die viel beschworene „soziale Staffelung“ ändert nichts daran, dass unterm Strich alle verlieren. Während die Wirtschaftskammer und der Kanzler die „Verantwortung der Bediensteten“ loben, werden die Beschäftigten real ärmer. Der viel zitierte „Standort Österreich“ wird auf ihrem Rücken „gestärkt“.
Quelle: ORF