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Ennio Morricone 1928–2020

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Am 6. Juli starb Ennio Morricone im Alter von 91 Jahren in Rom. Er war ein vielseitiger Komponist, Musiker und Dirigent, wird den meisten Menschen aber v.a. für seine markante Filmmusik in Erinnerung bleiben. Eine Würdigung.

Jenseits des Tibers

Ennio Morricone wuchs auf in Trastevere, einem alten römischen Stadtteil, der – wie der Name schon sagt – jenseits des Flusses Tiber liegt, im Gegensatz zur eigentlichen antiken Kaiserstadt, die sich am Ostufer befindet. Heute teilt man sich das Westufer freilich mit Borgo und dem Vatikan, beide nördlich von Trastevere. Das Viertel war aufgrund seiner geografischen Lage historisch immer ein Randgebiet, ein Gebiet der Außenseiter: Etrusker, nichtrömische Migranten, Juden sowie die ersten Christen im Herzen des Imperiums. Nur ein Teil davon liegt innerhalb der Aurelianischen Mauern. Trotz vereinzelter Villen (Julius Cäsar ließ sich hier eine errichten) lebte in der Region trans Tiberim zumeist das einfache Volk: Fischer, Seeleute, Handwerker, Arbeiter – und dies mit multikulturellem Hintergrund –, aber immer auch schon Künstler. Das hat sich bis heute nicht geändert, wenngleich der Stadtteil in den letzten Jahrzehnten massiv von Gentrifizierung und touristisch-gastronomischer „Aufwertung“ betroffen war, wodurch das eingesessene (und immigrierte) Proletariat noch weiter an die Stadtränder vertrieben wurde und wird.

Familie und Ausbildung

Hier wurde also Morricone am 10. November 1928 geboren, zu einer Zeit, als Italien eine faschistische Diktatur war. Seine Familie stammt aus der Ortschaft Arpino in der Nähe von Frosinone, auf halbem Weg von Rom nach Neapel. Historisch ist Arpino bzw. Arpinum als Geburtsort Ciceros aktenkundig. Ennio Morricones Eltern kamen aus wirtschaftlich-sozialen Gründen in die italienische Hauptstadt: Die Mutter, Libera Ridolfi (1905–1994), betrieb hier eine Schneiderei, der Vater, Mario Morricone (1903–1974), war Trompeter in verschiedenen Orchestern für U‑Musik. Und dadurch begann die musikalische Karriere des jungen Ennio Morricone: Sein Vater unterrichtete ihn an diversen Instrumenten, im Alter von zwölf Jahren kam er ans klassische Konservatorium, wo er Trompete studierte. Sein Talent wurde bald sichtbar, als er seine Kurse erstaunlich rasch absolvierte. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges setzte er die Studien Komposition und Chormusik fort. Er wurde als Theaterkomponist, beim italienischen Rundfunk und als Arrangeur tätig. 1956 heiratete er Maria Travia – aus der Ehe, die ein Leben lang halten sollte, gingen vier Kinder hervor. Und obwohl er weiter Kammermusik und Avantgardewerke schrieb (und später sogar Kantaten, Messen und eine Oper), kam Morricone bald darauf zum Film: Hierfür sollte er weltbekannt werden.

Zusammenarbeit mit Sergio Leone

Natürlich ist es vor allem die Filmmusik, womit der Name Morricone verbunden ist. Ab 1961 komponierte er für verschiedene Produktionen, der Durchbruch kam Mitte des Jahrzehnts, nämlich in Zusammenarbeit mit einem alten Schulkollegen aus Trastevere: Sergio Leone. Es war wohl Zufall, dass der Italo-Western gerade seine Blütezeit erleben sollte, weshalb Morricone unfreiwillig vorerst in gerade dieses Genre fiel, doch es ist kein Zufall, dass Morricone zu dessen Erfolg eben massiv beigetragen hat. Die Filmmusik zu Leones „Dollar-Trilogie“ 1964–1966 („Für eine Handvoll Dollar“, „Für ein paar Dollar mehr“, „Zwei glorreiche Halunken“) ist legendär und wurde stilbildend. Ironischer Weise war es auch das geringe Produktionsbudget, das dazu führte, dass Morricone – in Ermangelung eines umfassenden Orchesters – auf minimalistische und ungewöhnliche Ideen zurückgriff: Schreie, Pfiffe, Kojotengeheul, Maultrommeln, unspezifische Geräusche und – Stille. Auch komponierte Morricone nicht die Musik zum (abgedrehten) Film, sondern Leone filmte und schnitt teilweise zur vorab gelieferten Musik. Insofern ist Morricones Einfluss über das einer gewöhnlichen musikalischen Untermalung weit hinausgehend – sie befördert und trägt geradezu Handlung, Bilder und Inhalte, Interaktionen und Emotionen. Die Zusammenarbeit mit Leone (Regie und/oder Produktion) führte zu weiteren Leinwand- und Filmmusik-Klassikern: Insbesondere „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968), mit dem im Deutschen titelgebenden Mundharmonikathema, sowie „Es war einmal in Amerika“ (1984). Wenngleich nicht unbedingt filmisch, so dennoch musikalisch, ist auch „Mein Name ist Nobody“ (mit Terrence Hill und Henry Fonda) zu nennen, inklusive einer spannenden Wagner-Variation. Die zuvor genannten Kinoerfolge beförderten so manche Schauspielerkarriere, so natürlich jene von Clint Eastwood, Charles Bronson, Lee Van Cleef, Robert De Niro und James Woods.

Sergio Corbucci und der Revolutionswestern

Die passende Ergänzung stellt Morricones Arbeit mit Sergio Corbucci dar, dem zweiten großen Regisseur des Italo-Westerns. Deren Ergebnisse sind „Leichen pflastern seinen Weg“ (1968, mit Jean-Louis Trintignant und Klaus Kinski), „Mercenario“ (1968, mit Franco Nero und Jack Palance) sowie dessen Remake „Zwei Compañeros“ (1970). Und damit sind wir beim Genre Revolutionswestern. Morricones Titellied zu letztgenanntem Film, „Vamos a matar, compañeros“ („Lasst uns töten, Genossen/Kameraden!“), liefert die passende Hymne zum revolutionären mexikanischen Aufstand gegen Ausbeuter und Unterdrücker, Großgrund- und Minenbesitzer sowie US-Einmischung. Wenngleich die Handlung in der Vergangenheit angesiedelt ist, so richtet sich die immanente politische Kritik doch gegen die damals aktuelle lateinamerikanische Kompradorenbourgeoisie und den Yankee-Imperialismus: Tomás Miliáns bzw. Tony Musantes Figur liest sich unschwer als (allerdings ein wenig satirische) Che Guevara-Abbildung, womit auch Kuba zum Thema wird. Dass „der Baske“ aber auch ein kleiner Affront gegen den Franco-Faschismus ist, erscheint beim Drehort im spanischen Almería schon wieder mutig. Mit Professor Xantos, gespielt von Fernando Reyes, wird dem damals neu gewählten chilenischen Präsidenten Salvador Allende auf fast gruselige Weise sein Schicksal vorhergesagt. Doch die Botschaft ist: Die Revolution wird weitergehen und früher oder später siegen, in Mexiko, Chile und Kuba, und die Nordamerikaner werden vertrieben, aus Lateinamerika wie aus Vietnam.

Eine Art Hollywood-Karriere

Die italienischen Achtungserfolge öffneten Morricone die Tür nach Hollywood, wenngleich es zunächst beim Western blieb („Ein Fressen für die Geier“, 1970, von Don Siegel, mit Eastwood und Shirley MacLane). Es folgte die Filmmusik zu „Der Exorzist II“ (1977, mit Richard Burton und Paul Henreid in seiner letzten prominenten Rolle), „Orca, der Killerwal“ (1977, mit Richard Harris), „Das Ding aus einer anderen Welt“ (1982, von John Carpenter) oder „Red Sonja“ (1985, mit Brigitte Nielsen und Arnold Schwarzenegger). Über die Qualität dieser Streifen lässt sich freilich streiten, nicht aber über Morricones Beitrag. Künstlerisch unumstritten – nämlich nicht nur der jeweilige Soundtrack von Morricone – sind hingegen „Mission“ (1986), „Die Unbestechlichen“ (1987, von Brian De Palma) oder „Frantic“ (1988, von Roman Polanski). In den 1990er Jahren sowie im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends lieferte Morricone die Musik zu einigen regelrechten „Blockbustern“ wie „In the Line of Fire“ (1993, von Wolfgang Petersen), „Enthüllung“ (1994, mit Michael Douglas und Demi Moore), „U‑Turn“ (1997, von Oliver Stone) oder der Himbeer-gekrönten „Mission to Mars“ (2000, De Palma). Schließlich entdeckte Quentin Tarantino Morricone für sich: Für „Django Unchained“ (2012) verwendete er alte Werke, ehe er ihn 2015 für „The Hateful Eight“ tatsächlich engagierte. Geradezu absurd mutet es jedoch an, dass Morricone erst für den zuletzt genannten Film, im Alter von 88 Jahren, einen regulären Oscar gewann.

Europäische Produktionen

Doch in Wirklichkeit zog es Morricone nie nach Hollywood, wo es am Walk of Fame dennoch einen Stern mit seinem Namen gibt – er wohnte sein Leben lang in Rom. Glamour, Partys, ausufernde Aufmerksamkeit und übertriebene Würdigungen waren nicht seine Sache (weswegen wir hier auch nicht weiter über Grammys und Golden Globes sprechen). Er galt als bodenständiger und bescheidener Mensch, teilweise als geradezu introvertiert: nicht das Normalste im „Show-Business“. Er arbeitete nicht für Geld und Ruhm, sondern weil es seine mit erstaunlichem Talent versehene Berufung war. Und so ist es auch kein Wunder, dass Morricone weiterhin für engagierte europäische Produktionen tätig war, darunter die Belmondo-Filme „Angst über der Stadt“ (1975) und „Der Profi“ (1981), Maximilian Schells Dürrenmatt-Verfilmung „Der Richter und sein Henker“ (1975), der RAF-Episodenfilm „Deutschland im Herbst“ (1978, u.a. mit Beiträgen von Fassbinder und Schlöndorff), „Cinema Paradiso“ (1988, mit Philippe Noiret), „Fessle mich!“ (1990, von Pedro Almodóvar, mit Antonio Banderas) sowie natürlich „I wie Ikarus“ (1979, mit Yves Montand): Der weitaus bessere JFK-Film als die Stone/Costner-Version „Tatort Dallas“ (1991) – das gilt auch für die Filmmusik, wobei am Hollywood-Streifen immerhin John Williams als Komponist mitwirkte („Star Wars“, „Der weiße Hai“, „Indiana Jones“, „Schindlers Liste“). Zu guter Letzt sei auch Morricones Sinn für Humor erwähnt: Von ihm stammt die Musik für die drei französisch-italienischen „Käfig voller Narren“-Komödien. Und dem TV-Konsumenten ist natürlich auch Morricones Arbeit in der „Allein gegen die Mafia“-Serie ein Begriff.

Der politische Mensch

Morricone war gläubiger Katholik – er ist unweit des Vatikans aufgewachsen. Für den gegenwärtigen Papst Franziskus hat er eine eigene Messe geschrieben, für einige Bibelverfilmungen lieferte er den Soundtrack. Doch er war alles andere als ein konservativer Reaktionär. Die Herkunft aus Trastevere hat ihn sein Leben lang geerdet, jede Verachtung für die einfachen und armen oder weniger gebildeten Menschen, wie sie manche gut bezahlte Künstler an den Tag legen, war ihm fremd, er legte Wert auf Gerechtigkeit. Morricone hat durchaus bewusst an progressiven, gesellschaftskritischen Filmen mitgewirkt, darunter der in alle Richtungen kontroversielle „Weg der Arbeiterklasse ins Paradies“ (1971), die mehrfache Zusammenarbeit mit Pier Paolo Pasolini oder natürlich „Sacco und Vanzetti“ (1971), womit den beiden von der US-Klassenjustiz 1927 hingerichteten italienischstämmigen Anarchisten ein Denkmal gesetzt wurde. Morricones Komposition zum Film enthält die dreiteilige „Ballade von Sacco und Vanzetti“, von der vor allem der Schlusstitel berühmt ist: „Here’s to You“, damals getextet und gesungen von Joan Baez, gehört bis heute zum fixen Repertoire des linken Polit- und Protestsongs. 1972 versah Franz Josef Degenhardt das Lied mit einem deutschen Text. Selbst wurde Morricone allerdings nur einmal direkt politisch aktiv: 2007 kandidierte er bei den Vorwahlen der Demokratischen Partei („Partito Democratico“), die damals noch „Democratici di Sinistra“ (Linksdemokraten) hieß, als Unterstützer des römischen Bürgermeisters Walter Veltroni. Juristisch handelte es sich bei PD bzw. PDS zwar um die Rechtsnachfolger der früheren, ehrwürdigen Italienischen Kommunistischen Partei, faktisch jedoch freilich längst um eine sozialdemokratische Organisation.

Geschenk und Abschied

Es ist kaum auszumalen, welche Lücke Morricones Tod hinterlässt. Nicht dass Hans Zimmer, Alan Silvestri, Danny Elfman oder der bereits erwähnte, auch schon etwas ältere John Williams Dilettanten wären – ganz im Gegenteil –, aber ein Werk wie jenes Morricones markiert doch eine gewisse Einzigartigkeit, zumal zu den rund 500 Filmen und TV-Produktionen, an denen er gearbeitet hat, viele weitere Kompositionen kommen, die leider nur einer engeren Öffentlichkeit bekannt sind. Man wäre geneigt zu sagen, seine Musik sei für die Ewigkeit, wenn man nicht wüsste, dass nichts ewig ist. Auch nicht Morricones geliebtes Rom, in dessen Biomedizinischer Universitätsklinik er am vergangenen Montag starb. Mit aller ihm eigenen Bescheidenheit begann Morricone auch seine selbst formulierte Todesanzeige, die am Dienstag in den wichtigsten italienischen Zeitungen erschien: „Ich will nicht stören.“ Und weiter schrieb er: „Ich, Ennio Morricone, bin gestorben. Das verkünde ich allen Freunden, die mir stets nahegestanden sind, und auch jenen, die ferner sind, und die ich mit großer Liebe grüße.“ Morricone hinterlässt ein bedeutendes Werk, das ein Geschenk an die Menschheit ist. Seine Geschenke muss man annehmen, spielen und hören, auch wenn Morricone nicht mehr selbst am Dirigentenpult stehen kann.

Assistenzeinsatz und Maskenpflicht für Oberösterreich

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Linz. Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hat am Montag einen Assistenzeinsatz des Bundesheeres in Oberösterreich angefordert. Hierüber soll ein effektives Kontaktmanagement trotz steigender Fallzahlen sichergestellt werden. 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner Oberösterreichs wählen aktuell täglich die Nummer der Gesundheitsberatung.

Neue Teststrategie

Die Anzahl der Tests soll hochgefahren werden und auch die Strategie soll geändert werden, um eine Ausbreitung einzudämmen. Es sollen nun auch Kontaktpersonen der Kategorie I (enger Kontakt und somit hohes Infektionsrisiko) getestet werden, wenn diese keine Symptome aufweisen. Das Land geht aktuell in finanzielle Vorleistung und wartet auf die Genehmigung des Bundes. Außerdem wurde in der Pressekonferenz des Landes Oberösterreich angekündigt flächendeckende Tests im Bereich der Alten- und Gesundheitspflege sowohl bei den Mobilen Diensten als auch in Heimen durchzuführen. Diese wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht in flächendeckendem Ausmaß durchgeführt, insbesondere die mobile Pflege fiel durch das Raster.

Neuerliche Maskenpflicht

Mit Donnerstag, d9. Juli 2020, herrscht in Oberösterreich auch wieder die Maskenpflicht, in Geschäften und der Gastronomie ebenso wie beim Eintritt in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen. In den Kinderbetreuungseinrichtungen obliegen weitere Regelungen den Trägerinstitutionen. Ob die Kinderbetreuungseinrichtungen, die in den fünf betroffenen Bezirken in der kommenden Woche wieder öffnen, ist noch unklar, ebenso unklar ist, wie lange die Verpflichtung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, aufrecht bleibt. Zwei weitere Schulen außerhalb der fünf Bezirke haben gestern wegen Coronafälle ebenfalls schließen müssen.

Quelle ORF

Verfassungsabstimmung in der Russischen Föderation

Am 1. Juli endete die Wahl um die Verfassungsänderung der Russischen Föderation. 77,93% stimmten für die Änderung, 21,27% dagegen. Eine dritte Möglichkeit gab es nicht. Laut Angaben der Wahlkommission betrug die Wahlbeteiligung 65%. Die Abstimmung sollte planmäßig am 22. April stattfinden, wurde aber wegen der Covid-19-Krise auf den 25. Juni 2020 verschoben. Um Gedränge und dadurch Ansteckungsgefahr zu vermindern, waren die Urnen eine Woche lang geöffnet.

Russland. Bei den vorgeschlagenen Verfassungsänderungen ging es im Wesentlichen um Korrekturen an der Verfassung von 1993, die damals von Boris El’cin durchgeboxt wurde. Diese konnte eine miserable 58%ige Mehrheit für sich gewinnen – bei einer 54%igen Wahlbeteiligung. Die Verfassung in der jetzigen Form festigt den jelzin’schen Privatisierungskurs und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse, die freilich heutzutage auch in der Russischen Föderation in ihrer höchsten und letzten Form in Erscheinung treten. In den westlichen Medien wird der Fokus klar auf die Änderungen gelegt, die zugunsten des Präsidenten ausfallen: Putin werden u.a. vorherige Amtsperioden nicht angerechnet, sodass er, im Falle einer Wiederwahl, seinen Sitz im Kreml bis 2036 behalten könnte. Putin setzte bei der Wahlwerbung erfolgreich auf die Patriotismuskarte, die einerseits die großartigen Errungenschaften der Sowjetunion, andererseits den brutalen neoliberalen Kurs postsowjetischer Zeit miteinschließt, der millionenfach Leid und Armut über die russischen Völker brachte. Eine ideologische Quadratur des Kreises, die einerseits aus propagandistischem Weihrauch der Vergangenheit besteht und die andererseits aus der Hoffnung Putins selbst erwächst, seinem angeschlagenen Beliebtheits- bzw. Vertrauensgrad etwas entgegenzusetzen (laut VZIOM schätzen nur mehr 64,9% der befragten Russinnen und Russen ihren Präsidenten für seine Arbeit).

Die Verfassungsänderungen geben nun dem jeweiligen Präsidenten eindeutig mehr Macht: Auf Vorschlag des Präsidenten können Verfassungsrichter und Richter der Obersten Gerichte abberufen, Ministerpräsidenten und Bundesrichter aus dem Amt entfernt werden. Damit ist der Ministerpräsident dem Präsidenten Rechenschaft schuldig. Eine Neuigkeit stellt auch der Eingang „Gottes“ in die Verfassung dar, der die Ideale der Vorfahren verkörpere, die das Land aufgebaut zu haben scheinen (wenn man etwa den ersten wirklichen Staat der Arbeiterklasse, der fest auf dem Boden des dialektischen Materialismus und damit einhergehend des Atheismus stand, komplett außer Acht lässt). Die Idee dafür stammt in Wahrheit vom Patriarchen selbst. Höchst notwendige Punkte wie die regelmäßige Indexierung der Renten und das festgeschriebene Verbot des Unterschreitens des Mindestlohns gegenüber dem Existenzminimum waren vorher bereits im Arbeitsrecht verankert und werden auch weiterhin als Lippenbekenntnisse fortbestehen.

Tendenziöse Personalisierung verschleiert Privatisierung

Dennoch gilt es festzuhalten, dass Verfassungsänderungen nur zu einem kleinen Teil personalisiert werden dürfen – Hintergrund, oder besser: Basis politischer Veränderungen bilden immer ökonomische Verhältnisse, die von der jeweiligen klassenmäßigen Stärke der divergierenden Gruppen abhängen. Hierin unterscheidet sich die Russische Föderation nicht vom Westen. So gibt es auch in Russland einerseits Einigkeit darüber, der Bourgeoisie immer mehr Instrumente in die Hände zu geben, um das Proletariat besser ausbeuten und somit die herrschenden Klassenverhältnisse festigen zu können, während es auf der anderen Seite auch innerhalb der Bourgeoisie Kämpfe gibt, die um der Vorherrschaft willen ausgefochten werden müssen. Dazu zählen etwa Monopolkapitalisten wie Vladimir Potanin, Vladimir Lisin, Vagit Alekperov, Gennadij Timčenko, Leonid Michel’son, Oleg Deripaska und Roman Abramovič, die eine gewaltige mediale Präsenz verzeichnen und ganz vorn stehen in der Privatisierung von Staatseigentum (nicht zu vergessen: ehemaliges Volkseigentum). So braucht es niemanden zu wundern, dass laut Forbes im Jahr 2018 in den Händen von zehn Russen rund 83% des Reichtums konzentriert war, während Rosstat für das Jahr 2019 die Zahl von 21 Millionen Russinnen und Russen angab, die am oder unter dem Existenzminimum leben. Die Partei ROTFront informierte ferner darüber, dass 25 Millionen der Einwohner der Russischen Föderation nicht über die Möglichkeit verfügen, sich den Standards des Gesundheitsministeriums gemäß zu ernähren. Rosstat wiederum gab für April 2020 an, dass die Nahrungsmittelausgaben im Durchschnitt um 9,3% zurückgegangen seien, was natürlich auch mit der globalen Covid-19-Krise zusammenhängt.

Kosmonautin Valentina Tereškova an vorderster Front

Beim Namen Tereškova denkt man in erster Linie an die erste Frau im Weltall, ein Symbol für die Rechte und Errungenschaften der Frauen in der Sowjetunion und, damit einhergehend, die für alle sichtbargewordene Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus. Valentina Tereškova aber hat heutzutage mit dem Symbol der Emanzipation nichts mehr zu tun, längst ist sie auf die andere Seite der Barrikade gewechselt. Heute ist sie Abgeordnete für die Partei Einiges Russland und bekämpft wütend die Opposition. Sie bietet ein wohlbekanntes Gesicht mit positiven Assoziationen und wird nicht umsonst nach vorn geschickt, wenn es darum geht, umstrittene Vorschläge anzubringen. Eben auf sie geht der Antrag zurück, die Amtszeit Putins zu annullieren, um ihm weitere Amtsperioden zu ermöglichen. Nach scharfer Kritik der Opposition und einigen Teilen der Bevölkerung, die mit der Forderung einhergingen, Straßen, die nach ihr benannt wurden, wieder umzubenennen, gab Tereškova zurück, es handle sich dabei um Menschen, „die ihr Land nicht lieben“. Zu diesem Anlass schrieb ROTFront, die beiden Seiten der Propaganda abwägend:

„Die Aussage Tereškovas darüber, dass die Gegner der Verfassunsabänderung Russland nicht lieben würden, kehrt sehr deutlich den Kern davon hervor, was im Land gerade vor sich geht – ein Abrutschen in eine rechte Diktatur, wovon Herrscherallüren charakteristische Zeichen sind. Wir verzeichnen in Russland ein rapides Wachstum der Reaktion, die staatliche Politik weicht immer stärker nach rechts ab. Polizei, Zensur, von Banden durchgeführte Pogromaktionen werden zu den hauptsächlichen Handlungsmodalitäten, um das Regime aufrechtzuerhalten. Nun werden diejenigen, die es wagen, sich negativ über den Präsidenten zu äußern, für den Mangel an Patriotismus angeklagt. Der Präsident wird immer mehr mit dem Land gleichgesetzt und umgekehrt. Diese Situation ist besonders förderlich für die Bourgeoisie, für diejenigen, deren Garant der Präsident geworden ist. Gleichzeitig wird das Klassenwesen des Staates verschleiert. Auf der einen Seite werden die Arbeiter weiterhin dem guten Zaren ihr Vertrauen schenken, dessen Geschichten in den Medien übertragen werden. Auf der anderen Seite wird den Massen, im Falle einer verstärkten Krise, die verlogene Idee eingeflößt, der Präsident müsse für alles kritisiert werden und das einzige, was getan werden müsse, sei, ihn mit einem neuen, guten Präsidenten zu ersetzen.“

Eine Lesart, die ganz typisch für die Produktion bürgerlicher Medien ist, die, fest im Idealismus befangen, nur mehr zwei nebulöse Extreme kennt: gut oder böse? Diese Art Analyse, der sich auch das Lager des vermeintlichen, sich stets selber auf die Schulter klopfenden „kritischen“ Journalismus verpflichtet fühlt und die hierzulande etwa in der Dämonisierung Putins und damit ganz Russlands, in Russland etwa in der Glorifizierung des Präsidenten gipfelt, kann nicht anders, als der Desinformation zu dienen, den jeweiligen auf den Moment entstehenden Dissens der streitenden Teile zu kontrollieren und in für den Kapitalismus günstige Bahnen zu lenken.

Legitimer Wahlboykott

Die Russische Kommunistische Arbeiterpartei (Rossijskaja Kommunističeskaja Rabočaja Partija, RKRP) und ROTFront (Rossijskij Obedinënnyj Trudovoj Front) standen in diesem Fall fest auf der Position des Wahlboykotts mit der nachvollziehbaren Begründung, dass weder die angestrebten Verfassungsänderungen noch auch die vorherige Form der jelzin’schen Verfassung irgendetwas an der sozioökonomischen Lage der arbeitenden Klasse verändern würden. Umgekehrt würde aber eine niedrige Wahlbeteiligung das Wahlergebnis in gewisser Weise delegitimieren. Die Russische Kommunistische Arbeiterpartei sieht in Putin den politischen Nachfolger Boris El’cins. Dieser habe mit denselben Kräften kooperiert und seine Macht ebenfalls mithilfe des Monopolkapitals aufrechterhalten. Ähnlich wie bei der Verfassungsänderung 1993 gehe es Putin darum, der neuen Verfassung einen Anstrich von Legalität und Anerkennung durch das Volk zu geben. Dementsprechend lautet die Ansage der Partei:

„Die RKPR ruft die Werktätigen des Landes dazu auf, sich der parlamentarischen Illusionen und des blinden Glaubens zu entledigen, wonach im modernen Russland eine Veränderung des sozioökonomischen Kurses im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung sowie die Überführung der Macht in die Hände der Arbeiter durch Wahlen möglich sei.“

Was man auch nicht vergessen sollte: Dadurch, dass die Verfassungsreform bereits vorher vom Parlament beschlossen, vom Verfassungsgericht bestätigt und von Putin unterzeichnet worden ist, war die Teilnahme an der Abstimmung nicht nur de facto, sondern auch de jure nicht notwendig. Sie wurde von oben, von der Bourgeoisie und für die Bourgeoisie, ausverhandelt – dem Volk wurde lediglich die Möglichkeit zugesprochen, sie abzunicken.

Quelle: wciom/jW/SenzaTregua/OrdineNuovo/ROTFront/RKAP

ÖGB-Younion-Vorsitzender Meidlinger von Gewerkschaftern zur Rede gestellt

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Bei den Wiener Linien wurde ein weiterer Fall eines gekündigten Belegschaftsvertreters bekannt. In der Elternteilzeit und damit rechtsunwirksam gekündigt, fiel dem Kollegen die Gewerkschaft auch gleich mit der Aberkennung des Mandats in den Rücken. Das führte nun zu einem heftigen Eklat.

Wien. Mit einem weiteren höchst bedenklichen Fall unsäglichen Verhaltens der Gewerkschaft Younion hat sich der junge Kollege Johann Pils an uns gewandt: „Ich wurde bei den letzten Gewerkschaftswahlen in der Hauptgruppe 4 als Delegierter gewählt. Im Februar wurde ich unrechtmäßig gekündigt, da meine Elternteilzeit noch in Kraft war. Gegen die Kündigung habe ich natürlich Einspruch bei Gericht erhoben. Dank Covid-19 hat sich jedoch alles ein wenig verschoben, allerdings erhielt ich am 01.07.2020 den Beschluss (vom 23.06., Anmerkung der Redaktion), dass die Kündigung ‑wie erwartet- nicht rechtskräftig ist.“ Der Kollege ist damit zumindest bis zum 31.07. weiterhin in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis, die vom Dienstgeber nachgeschossene „Eventualkündigung“ wurde ebenfalls beeinsprucht. 

Statt Unterstützung Gewerkschaftsmandat aberkannt

Die Verantwortlichen in der Gewerkschaft Younion haben jedoch nicht etwa den Kollegen gefragt, ob er Unterstützung gegen die rechtswidrige Kündigung braucht, sondern sie haben auch gleich sein Gewerkschaftsmandat aberkannt. Uns liegt ein gewerkschaftsinternes Schreiben vor, wo sie die Statuten des ÖGB hin- und her wälzen, und beraten, auf welchem Wege dem Kollegen am besten das Mandat entzogen werden kann. „Da ich dem GLB angehöre und nicht der FSG (die die Mehrheit bei den Wiener Linien hat), vermute ich, dass dies der Grund ist weshalb ich abgesetzt wurde und obwohl mein Fall noch nicht abgeschlossen war, wurde schon ein Nachfolger (ohne mein Wissen) nominiert. Vermutlich passe ich ihnen nicht ins Bild da ich mich von Anfang an für das Wohl der Mitarbeiter engagiert habe, doch anscheinend wollen sie das nicht“, schreibt uns Johann Pils weiter. Die Nominierung eines Nachfolgers muss im Einvernehmen mit dem GLB erfolgt sein, was auch seltsam erscheint.

Heftige Vorwürfe an Gewerkschaftsvorsitzenden

Das führte nun in der Sitzung des gewerkschaftlichen Hauptausschusses am 3. Juli zu einem ordentlichen Wirbel. Auf Anraten von Kollegen nahm Johann Pils die Aberkennung seines Mandates durch die Gewerkschaft nicht zur Kenntnis und erschien zur Sitzung des Gremiums. Prompt wurde ihm der Einlass verwehrt. Da dies nun schon der zweite bekannte Fall aus jüngster Zeit ist, in dem einem Kollegen seitens der Gewerkschaft die Solidarität verweigert wird, platzte dem Busfahrer und ebenfalls dem Gremium angehörenden Personalvertreter Herbert Weidenauer die Geduld. Er forderte, dass der Kollege an der Sitzung teilnehmen kann, und setzte sich durch. Der ebenfalls anwesende Vorsitzende der Gewerkschaft Younion, Christian Meidlinger, wurde mit heftigen Vorwürfen konfrontiert, da die Gewerkschaft nicht nur nichts für die gekündigten Kollegen Gewerkschafter macht, sondern ihnen auch noch in den Rücken fällt. Meidlinger ist neben seinen vielen anderen Funktionen (siehe: meineabgeordneten​.at) auch noch immer freigestellter Personalvertreter bei den Wiener Linien, was laut Aussagen von anderen Personalvertretern noch niemandem aufgefallen ist, da er nie da ist. Ein typischer SP-Multifunktionär eben, unter anderem ist er auch stellvertretender SPÖ-Vorsitzender von Wien und Landtagsabgeordneter. Da ist klar, dass für die Ausübung eines Personalvertretermandates, für das er sich zu 75% bezahlen lässt, keine Zeit bleibt.

Es bildet sich unter gewerkschaftlich aktiven Kolleginnen und Kollegen bei den Wiener Linien mittlerweile eine Protestfront, die praktisch alle Gruppen, „auch manche eingefleischte FSG-Wähler“, wie uns ein Kollege sagte, erfasst. Wir werden weiter berichten.

Beratungsbedarf in der Krise höher als 2019 insgesamt

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Eisenstad/Burgenland. Die Arbeiterkammer im Burgenland gibt bekannt, dass sie in der Corona-Krise mehr Anfragen durch ihre Mitglieder per E‑Mail erhalten habe, als während des gesamten vorherigen Kalenderjahres. Auch eine Vielzahl telefonischer Anfragen gingen ein, so wurden seit dem 16. März insgesamt 12.674 Beratungen vorgenommen. Die Anfragen haben Kurzarbeit, Fürsorgepflichten der Unternehmen, Homeoffice sowie Kündigungen umfasst.

Dieses Hoch verdeutlicht die Verunsicherung, die wegen der Corona-Krise durch die Arbeiterklasse geht, da diese die Krise vielfach abfängt und auch zahlt. Der Arbeiterklasse wurde und wird aktuell eine massive Flexibilität und Anpassung abverlangt, ohne dass hier Rechtssicherheit geschaffen wurde. Dies führt offensichtlich zu einem massiven Absicherungsbedarf, um die Versäumnisse an Information und bei den Rahmenbedingungen auszugleichen, und somit zu einem hohen Beratungsbedarf. 

Quelle: ORF

Kroatien: Überraschendes Wahlergebnis

Die Parlamentswahlen in Kroatien am vergangenen Sonntag führten zu einem unerwarteten Resultat: Die regierende national-konservative HDZ gewann sehr deutlich vor den oppositionellen Sozialdemokraten und wird weiter an der Macht bleiben.

Zagreb/Kroatien. Im 151 Sitze zählenden „Sabor“ erreicht die Liste der „Kroatischen Demokratischen Union“ (Hrvatska demokratska zajednica) von Premierminister Andrej Plenković 66 Mandate (+5 gegenüber 2016, Stimmenanteil 37,26%), womit nur zehn weitere Abgeordnete auf eine absolute Mehrheit fehlen. Die Sozialdemokratische Partei (Socijaldemokratska partija Hrvatske, SDP), die zuletzt in den meisten Umfragen vor der HDZ lag, enttäuschte mit ihrer Bündnisliste „Neustart“, die bei 24,87% nur auf 41 Sitze kam – vier weniger als zuvor. Mit 46,45% (von 3,7 Millionen Wahlberechtigten) sank die Wahlbeteiligung gegenüber dem letzten Urnengang 2016 um weitere 8 Prozentpunkte. Die Mehrheit der kroatischen Bevölkerung hat also auf eine Teilnahme am bürgerlichen Parlamentarismus verzichtet. 

Stimmenanteile und Mandate

Am dritten Platz – dies wurde erwartet – landete die neue rechtskonservative, im Auftreten populistische Liste „Heimatbewegung“ (Domovinski pokret, DPMŠ) des Entertainers Miroslav Škoro, mit 10,89% und 16 Mandaten. Die wirtschaftsliberale, gesellschaftlich konservative „Brücke unabhängiger Listen“ (Most), in der vergangenen Periode z.T. Juniorpartner in der Regierung, verlor diesmal deutlich und stellt bei 7,39% künftig acht Abgeordnete. Dahinter landete die neu geschaffene öko-sozialliberale „Grün-linke Koalition“ (Zeleno-lijeva koalicija, 6,99%, sieben Mandate). Das liberale Bündnis aus „Pametno“ („Vernunft“) und „Fokus“ schafft ebenfalls den Einzug und verfügt nun über drei Sitze (3,98%). Jeweils einen Parlamentarier stellen die liberale „Kroatische Volkspartei – Liberaldemokraten“ (Hrvatska narodna stranka – Liberalni demokrati, HNS-LD, 1,30%) sowie deren Abspaltung „Volkspartei – Reformisten“ (Narodna stranka – Reformisti, NS‑R, 1,01%). Hinzu kommen acht Vertreter von ethnischen Minderheiten.

Perspektiven für die Regierungsbildung

Eine koalitionäre Parlamentsmehrheit unter Führung der schwer geschlagenen SDP erscheint außer Reichweite – sie wäre, mathematisch, nur unter Einschluss von Škoro und (fast allen) kleineren Fraktionen möglich, was politisch undenkbar ist und wofür es auch keinen legitimen Anspruch gibt. Ganz anders stellt es sich für die HDZ dar: Sie ist der große Wahlsieger und wird zweifellos wieder die Regierung leiten. Für die Regierungsbildung hat sie zwei Möglichkeiten: Entweder sie versucht es mit der „Heimatbewegung“, oder sie zimmert eine Koalition mit mehreren Fraktionen, wofür die liberalen Kräfte sowie die Minderheitenvertreter in Frage kommen. So oder so wird der Premierminister weiterhin Plenković heißen. Die HDZ ist Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) und somit eine Schwesterpartei der ÖVP oder von CDU/CSU, setzt aber seit ihrer Gründung durch Franjo Tuđman 1989 zumeist auf einen betont nationalistischen bis rechten Kurs, der auch vor Rehabilitierungsversuchen des faschistischen Ustascha-Regimes 1941–1945 nicht zurückschreckt. Aber das ist zum Teil Symbolpolitik: In der Praxis wird mit der imperialistischen EU zulasten der kroatischen Bevölkerung kollaboriert.

Wahlteilnahme der Sozialistische Arbeiterpartei

Die Sozialistische Arbeiterpartei Kroatiens (Socijalistička Radnička partija Hrvatske, SRP), die Schwesterpartei der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), trat bei den Parlamentswahlen in vier Wahlkreisen an. Dies waren der Wahlkreis I (ein kleines Gebiet zwischen der Nordwestgrenze von Zagreb-Stadt und Slowenien), VI (ein Teil der Stadt und Region Zagreb sowie der Westen der Gespanschaft Sisak-Moslovina), VIII (Istrien, der Küstenstreifen um Rijeka sowie vorgelagerte Inseln in der Kvarner Buch wie Krk, Cres oder Rab) und X (im Wesentlichen Split-Dalmatien und Dubrovnik-Neretva). Ihr bestes Ergebnis erreichte die SRP im zehnten Wahlkreis mit 0,52% und 814 Stimmen. In einzelnen Gemeinden wurden höhere Anteile erzielt, die Spitzenwerte markieren Mošćenička Draga mit 1,25% sowie Tar-Vabriga mit 1,14%. Die Ergebnisse der übrigen Wahlkreise lagen etwas darunter. Insgesamt entfielen auf die SRP 2.149 Stimmen. Damit war ein Mandat im Sabor freilich nicht in Reichweite, aber das war auch vorab schon klar: Wesentlich war es, wieder eigenständig aufzutreten und den Wahlkampf für eine gewisse Aufmerksamkeit zu nützen. Es bleibt die Aufgabe der SRP, außerparlamentarisch für die Aufklärung, Mobilisierung und Organisierung der kroatischen Arbeiterklasse zu wirken, um sie für den Klassenkampf gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung, für den Sozialismus zu stärken. Das ist und wird, wie in Österreich, beschwerlich bleiben, aber ebenso unerlässlich. Die Wahlteilnahme als einzige revolutionäre Kraft für den Sozialismus war ein Schritt in die richtige Richtung.

Kuba bekräftigt Solidarität mit Venezuela

Havanna/Caracas. Zum Jahrestag der Unabhängigkeit Venezuelas hat Kubas Präsident Miguel Diaz-Canel die Solidarität mit Venezuela bekräftigt. Auf Twitter schrieb Diaz-Canel: „Zu diesem neuen Jahrestag sende ich den lieben Menschen von Bolivar und Chávez eine starke Umarmung der Solidarität. Venezuela kann immer auf Kuba zählen.“

Der 5. Juli ist der Tag der Unabhängigkeit Venezuelas. Vor 209 Jahren, am 5. Juli 1811, berief das venezolanische Volk eine verfassungsgebende Versammlung ein, um mit dem Kolonialismus zu brechen und einen unabhängigen venezolanischen Staat zu gründen.

Der 5. Juli ist außerdem der Tag der Bolivarischen Nationalen Streitkräfte. Diese waren mit dem Beginn des antiimperialistischen Reformprozess durch die PSUV und andere Parteien politisch umgebaut worden, um einen Militärputsch der alten Eliten, wie etwa gegen die Unidad Popular-Regierung Salvador Allendes in Chile 1973, zu verhindern.

Eine Militärparade zum Jahrestag der Unabhängigkeit musste dieses Jahr entfallen auf Grund der COVID-19-Pandemie.

Quelle: TeleSur

Universitätsfinanzierung: Sparpaket an der Uni Salzburg

Salzburg. Die Universität Salzburg hat ein Sparpakt verabschiedet, mittels dessen 10 Millionen Euro eingespart werden sollen. Nach Angaben des Rektors wird vor allem an den Posten IT-Technik und in der Bibliothek gespart. Die ÖH berichtet davon, dass 40 Prozent der Studienassistentinnen- und ‑assistentenstellen eingespart werden sollen. In diesem Zusammenhang räumt das Rektorat ein, dass auch bestimmte Stellen nicht neu besetzt werden. Der aktuelle Rektor erbte das Defizit von seinen Vorgängern.

Einsparung auf Kosten aller

Es wird seitens der Universitätsleitung betont, dass man niemandem die Schuld hieran gebe. Grundsätzlich sollten solche Fälle dazu führen, dass über die Universitätsfinanzierung sowie die Finanzierung von Wissenschaft allgemein diskutiert wird. In Zeiten, in denen Digitalisierung in aller Munde ist und eine Schlüsselkompetenz darstellt, sowie die IT-Technik in Zeiten von Corona als Gesundheitsfrage auftritt, erscheint eine angekündigte Kürzung in diesem Bereich doch höchst fragwürdig. Ähnliches gilt für Bibliotheken, die insbesondere für Studierende, die sich die teuren Fachbücher nicht leisten können, die Basis für Studienerfolge bilden. Mit der Universitätsgesetzgebung seit den 2000er Jahren wurden die Hochschulen unter der Ägide der Effizienzsteigerung öffentlicher Einrichtungen restrukturiert. Als juristisch autonome Institution sitzt ihnen ein Universitätsrat vor, der sie führt wie eine Aktiengesellschaft. In diese Universitätsräte sind vielfach Vertreterinnen und Vertreter des Monopolkapitals eingesetzt, die die Ausrichtung und Leitung mitbeeinflussen. Auch für die Finanzen sind die Hochschulen durch diese Gesetzgebung verantwortlich, was zu ebensolchen Defiziten führen kann.

Neue Formel bei Universitätsfinanzierung

Die neuerliche Budgetierung unter der letzten Bundesregierung lässt erwarten, dass Universitäten vermehrt in die Situation der Universität Salzburg kommen und harte Sparkurse zulasten von Studierenden, Lehrenden und Forschenden und somit der Wissenschaft insgesamt zunehmen werden. Hier werden Universitäten nämlich nicht nur anhand des Rankings, also über die Höhe eingeworbener Drittmittel sowie Anzahl an Publikationen und Vorträgen etc. vermessen, nein, hier kommt ein neuer Faktor hinzu, nämlich die sogenannten prüfungsaktiven Studierenden. Dies soll zu einer Beschleunigung von Abschlüssen führen. Diese neue Formel zur Hochschulfinanzierung setzt jedoch ganz überraschende Studierendenzahlen als Berechnungsgrundlage voraus, indem man nicht nur von allen inskribierten Studierenden ausgeht, sondern von noch mehr und somit klar ist, dass der Status quo an vielen Hochschulen kaum zu erhalten ist, geschweige denn eine Verbesserung der Betreuung zu erzielen ist. Aspekte wie Berufstätigkeit Betreuungspflichten oder Ähnliches finden bei der Berechnung auch keine Berücksichtigung, weswegen Prüfungsaktivität wahrscheinlich für eine Vielzahl ein unerreichbares Ziel bleibt. Ob durch Corona und die nachweisliche zusätzliche Belastung eine Neujustierung stattfindet, bleibt bei der Ignoranz ob der aktuellen Situation seitens des zuständigen Ministeriums anzuzweifeln. Dem kann nur eine kämpferische Front aus Lehrenden, Forschenden und Studieren sowie den allgemeinen Universitätsmitarbeiterinnen und ‑mitarbeitern entgegentreten, die gemeinsam für eine bessere Hochschule eintreten.

Quelle: ORF

Arbeitslosengeld: Wer fordert mehr?

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Kommentar von Otto Bruckner, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs

Dieser Tage fand in Wien eine Kundgebung verschiedener linker Gruppierungen statt, die zum Ziel hatte, das Arbeitslosengeld auf 80 Prozent des letzten Einkommens zu erhöhen. Bereits früher hatten Arbeiterkammer, Österreichischer Gewerkschaftsbund und die SPÖ eine Erhöhung auf 70% gefordert. Die SPÖ brachte diese Forderung auch ins Parlament und scheiterte dort damit. No na, könnte man sagen. Die Kräfteverhältnisse im Parlament sind heute eben so, dass kein SPÖ-Antrag beschlossen wird. Auch wenn die Grünen eine solche Forderung gut finden, werden sie schon aus Koalitionsräson nicht dafür stimmen. Die SPÖ-Aufregung darüber ist übrigens ein wenig lächerlich, denn auch sie hat jahrzehntelang niemals gegen den Koalitionspartner ÖVP gestimmt.

Arbeitslosenversicherung wäre eine Erfolgsgeschichte

Aber zurück zum Arbeitslosengeld: Derzeit beträgt die „Nettoersatzrate“ 55 Prozent. Dazu ist zu sagen, dass die Darstellung in der öffentlichen Diskussion, dass der Arbeitslosengeldbezug praktisch ein staatliches Almosen wäre, völlig falsch ist. Denn es gibt die Arbeitslosenversicherung, und die funktioniert, wie die Krankenversicherung auch, nach dem Solidarprinzip. Das heißt, dass alle gemeinsam dafür vorsorgen, dass diejenigen versorgt werden, die es brauchen. Nehmen wir als Beispiel einen Arbeiter, der monatlich 2.000 Euro brutto verdient, das sind netto etwa 1.500 Euro. Er zahlt monatlich (Beiträge der Dienstgeber und Dienstnehmer zusammengerechnet) 6% seines Bruttoeinkommens in die Arbeitslosenversicherung ein, das sind ca. 120 Euro. In einem Jahr kommen so etwa 1.500 Euro zusammen, in zehn Jahren 15.000 Euro, in 20 Jahren 30.000 Euro. Wird der betreffende Kollege arbeitslos, gebührt ihm ein Arbeitslosengeld von etwa 825 Euro monatlich, und das für maximal ein Jahr, das heißt, es werden ihm maximal 10.000 Euro ausbezahlt. Bei 20 Arbeitsjahren hat er nun um 20.000 Euro mehr einbezahlt, als er ausbezahlt bekam. Das kommt natürlich auch Kolleginnen und Kollegen zugute, die noch nicht so viele Arbeitsjahre haben, es kommt aber vor allem auch Förderungen an die Unternehmer unter den verschiedensten Titeln zugute. Auch die Kurzarbeit wird aus dem AMS-Budget bezahlt. Der Staat muss erst dann zuschießen, wenn es sich nicht ausgeht. Wäre das AMS-Budget nicht mit allen möglichen Ausgaben für die Unternehmer belastet, würde es sich in Zeiten hoher Beschäftigung auf jeden Fall ausgehen, und es könnten auch noch Rücklagen für schlechtere Jahre geschaffen werden, was auch geschieht. Diese Rücklagen sind aber jetzt zum Beispiel schon verbraucht. Finanzielle Probleme bekommt die Arbeitslosenversicherung also erst durch die Aufgaben, die ihr vom Staat aufgezwungen werden. Ansonsten wäre sie eine Erfolgsgeschichte.

Ohne Kampfmaßnahmen keine Fortschritte

Nachdem es eine Solidargemeinschaft ist, sollte man meinen, dass die Selbstverwaltung der Arbeitslosenversicherung darüber bestimmt, was dort geschieht. Dem ist aber nicht so. Es reden die Unternehmer mit, und die Oberaufsicht hat das zuständige Ministerium. Beschlüsse über wichtige Fragen, wie die Höhe des Arbeitslosengeldes, werden im Parlament gefasst. Nun ist also die SPÖ mit ihrem Antrag der Erhöhung auf 70% gescheitert, was nicht weiter überraschend ist. Was macht aber der ÖGB, was machen die SPÖ und die AK weiter? Nichts! Die Pflichtübung ist absolviert. Dabei sollte der ÖGB aus seiner Geschichte wissen, dass nichts ohne Kampf erreicht wird. Weiß er auch, aber er handelt nicht danach. Denn die ÖGB-Granden klammern sich immer noch an die „Sozialpartnerschaft“, in der sie sich auf gleicher Augenhöhe mit den Konzernherren wähnen. Das funktioniert aber nur noch, wenn sich die Konzernherren bücken, um dem am Boden liegenden ÖGB in die Augen zu schauen.

Demonstrationen müssten vor der Titanic am Wiener Handelskai stattfinden

Zurück zu den Forderungen: Ist es nun sinnvoll, dass linke Organisationen sich in der Forderungshöhe überbieten? Die einen fordern 70%, die anderen 80% und als nächstes kommt dann sicher eine trotzkistische Sekte und fordert 90%. Das ist ein wenig unsinnig. Die Demonstrationen müssten eigentlich vor der Titanic am Wiener Handelskai stattfinden (der ÖGB nennt seine Zentrale dort „Katamaran“). Denn ohne Massenmobilisierung wird gar nichts passieren. Wenn also auch nur der Funken einer Chance bestehen soll, dass sich etwas ändert, dann nur durch Kampfmaßnahmen, und die sind unter den gegenwärtigen Verhältnissen vom ÖGB nicht zu erwarten. Ein „Wer fordert mehr?“ bringt da niemandem etwas, denn wir sind von der Erhöhung des Arbeitslosengeldes auch nur um 1% meilenweit entfernt, solange die Kräfteverhältnisse so sind, wie sie sind.

Oberösterreich: Schlachthöfe als Corona-Schleudern

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In Oberösterreich steigt die Zahl der Corona-Infizierten derzeit am stärksten. Die Verbreitung geht unter anderem von drei Schlachthöfen aus.

In Oberösterreich gab es am Wochenende wieder einen großen Anstieg an Coronavirus-Infektionen. Am Sonntag waren 359 Personen aktiv erkrankt. Als Corona-Schleudern erweisen sich jetzt auch in Österreich die Schlachthöfe: Gleich drei Großbetriebe in den Bezirken Ried, Braunau und Wels-Land mit insgesamt zehn Infizierten sind betroffen. Im Umfeld der erkrankten Schlachthofmitarbeiter sind bereits 13 Personen erkrankt, so dass es sich mit Stand Sonntagabend um 23 Infizierte aus diesem Bereich handelt. 

Köstinger und Anschober wiegeln ab

Sofort in die Bresche für die österreichische Schlachtindustrie sprang Landwirtschaftsministerin Köstinger, die immer gleich zur Stelle ist, wenn es Missstände aus der industriellen Landwirtschaft und deren Weiterverarbeitung zu verteidigen gilt. Gemeinsam mit dem aus Oberösterreich stammenden Gesundheitsminister Rudolf Anschober beruhigte sie die Bevölkerung mit dem fadenscheinigen Argument, dass diese Schlachthöfe viel kleinere Strukturen hätten als etwa Tönnies in Deutschland. Darüber, wie die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten dort sind, hört man hingegen kein Wort.

„Fleischproduktion basiert auf Ausbeutung von Menschen, Tieren und Natur“

Scharfe Kritik am Coronavirus-Ausbruch in der Fleischindustrie kam am Sonntag von der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“. Dies würde zeigen, „dass das System der industriellen Fleischproduktion an allen Ecken und Enden kracht“, so Direktorin Eva Rosenberg, „und vor allem basiert es auf Ausbeutung – nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren und der Natur“. Sie forderte eine „Agrarwende“, die wieder die Würde von Tier und Mensch im Blick hat. Eine Systemwende in der Landwirtschaft (und Fleischproduktion) wäre freilich nur mit einem gesellschaftlichen Systemwechsel umfassend möglich, wie die Partei der Arbeit Österreichs unterstreicht, denn es sind nun mal die Produktionsbedingungen des Kapitalismus, die zu den gegenwärtigen Zuständen und Konsequenzen führen. Daher wendet sich die PdA „gegen das rücksichtslose kapitalistische Profitprimat zulasten von Mensch, Tier und Umwelt“ und steht für eine nachhaltige, mensch- und tiergerechte Agrarproduktion auf sozialistischer Grundlage. 

Quellen: derstandard​.at/ooe​.orf​.at