Ein pensionierter Gewerkschafter und Busfahrer demonstrierte, wie leicht man einen Bus der Wiener Linien aus der Garage stehlen kann. Seine Ex-Chefin unterstellte ihm daraufhin „kriminelle Energie“. Jetzt stehen sie vor Gericht.
Wien. Der langjährige Busfahrer bei den Wiener Linien hatte die Chefetage immer wieder auf eine schwerwiegende Sicherheitslücke hingewiesen, aber diese ignorierte seine Bedenken ganz einfach.
Das ärgerte Herbert Weidenauer, um den es hier geht, so sehr, dass er kurz nach seiner Pensionierung zur Tat schritt, um zu beweisen, wie leicht es ist, einen Bus zu stehlen. Er spazierte an einem Abend Anfang Februar in die Garage Spetterbrücke in Wien-Ottakring, und fuhr mit einem Bus unbemerkt und ungehindert auf die Straße hinaus. Nach ein paar hundert Metern kehrte er um und brachte den Bus wieder zurück. Ebenfalls unbemerkt. Dass ein Bus fehlt, wäre wahrscheinlich erst am nächsten Morgen aufgefallen.
„Kriminelle Energie“?
Die Chefin der Wiener Linien hat sich bei Weidenauer nicht für die drastische Demonstration fehlender Sicherheitsmaßnahmen in den Busgaragen bedankt, sondern sie unterstellte ihm, mit der Aktion die öffentliche Sicherheit gefährdet zu haben, und überdies besitze er kriminelle Energie. Dabei könnte ein Diebstahl, so der frühere Gewerkschafter und Personalvertreter, in jeder Busgarage der Wiener Linien so leicht gemacht werden. Den Schlüssel, eine sehr einfache Ausführung, die von den Wiener Linien in allen Bussen installiert wird, habe er um sechs Euro im Internet gekauft.
Fehlende Unterweisung der Fahrer
Einem mittlerweile verstorbenen Kollegen passierte während der Fahrt ein schwerer Verkehrsunfall, weil der Bus nach seinen Worten unkontrolliert beschleunigte. „Als eine seiner Notmaßnahmen wollte er den Bus durch Abstellen des Motors mit dem Zündschlüssel stoppen, was aber nicht funktionierte. Im Nachhinein behauptete die zuständige Abteilung, dass der Motor sich mit dem Zündschlüssel als Notmaßnahme während der Fahrt nicht abstellen lasse, sei eine Sicherheitseinrichtung“, schrieb Gewerkschafter Weidenauer im August 2022 in einem offenen Brief an die Geschäftsführung. Hier ging es also auch um die nachträglich eingebauten Schlösser. Weidenauer forderte im August 2022 vergeblich eine seiner Meinung nach gesetzlich vorgeschriebene Unterweisung des Buspersonals, da diese „Notmaßnahme“ nicht bekannt war.
Geschäftsführerin muss vor Gericht
Aber zurück zum „Bus-Kidnapping“: Eine Prüfung des Vorgangs durch die Staatsanwaltschaft ergab, dass kein Grund vorliegt, Weidenauer wegen einer strafbaren Handlung zu verfolgen. Auch sie konstatierte, dass es ihm um das Aufzeigen einer eklatanten Sicherheitslücke ging.
Die Geschäftsführerin der Wiener Linien, Alexandra Reinagl, muss sich nun vor Gericht verantworten. Der langjährige Gewerkschafter Weidenauer will es nicht auf sich sitzen lassen, „kriminelle Energie“ zu besitzen und hat die Ex-Chefin wegen Kreditschädigung geklagt. Am 16. November findet am Handelsgericht Wien die erste Verhandlung statt.
Die Busgaragen der Wiener Linien sollen – ein Erfolg der Aktion Weidenauers – mittlerweile rund um die Uhr bewacht werden.