Wien. Fast 400.000 Menschen ohne Job, exakt 399.199 Arbeitslose und Schulungsteilnehmende, eine Quote von 7,5 Prozent und der 32. Anstieg in Folge – die aktuellen Zahlen des Arbeitsmarktservice sprechen eine eindeutigere Sprache als jedes Politiker-Statement. Seit April 2023 gab es keinen einzigen Rückgang mehr. Doch statt von einer strukturellen Krise zu reden, wird weiter von „ersten zarten Erholungssignalen“ für 2026 fantasiert. Für hunderttausende Betroffene bedeutet das übersetzt: Noch mindestens ein Jahr Existenzangst, Bewerbungen ins Nichts und Leben im Wartesaal des Kapitals.
Besonders stark steigt die Arbeitslosigkeit dort, wo jahrzehntelang Profite gepresst wurden: in Niederösterreich mit plus 6,9 Prozent und in der Steiermark mit plus 5,7 Prozent – beides klassische Industrieregionen. Wenn Konzerne wie voestalpine oder Wollsdorf Leder Stellen abbauen, nennt man das „Marktanpassung“. Wenn Menschen ihre Existenz verlieren, nennt man es Statistik. Dass auch Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Wien deutliche Zuwächse verzeichnen, zeigt: Die Krise ist flächendeckend, nicht regionales Pech.
Besonders absurd wird es im Gesundheits- und Sozialwesen: Plus 16,8 Prozent Arbeitslose – in einem Bereich, der angeblich permanent unter Personalmangel leidet. Die Erklärung des AMS, das sei vor allem ein „statistischer Effekt“ wegen Auslagerungen, perfektioniert den Zynismus: Menschen verlieren ihre Jobs, aber in der Logik des Systems wechseln sie einfach die Tabelle. Für die Betroffenen bleibt Arbeitslosigkeit.
Auch der Blick auf Geschlechter und Alter ist entlarvend. Die Arbeitslosigkeit bei Frauen stieg um 6,2 Prozent, bei Männern nur um 2,1 Prozent. Gleichzeitig verkündet Arbeitsministerin Korinna Schumann stolz, dass mehr Frauen über 60 beschäftigt sind – dank höherem Pensionsalter. Die Logik ist klar: Frauen sollen länger arbeiten, aber wenn sie arbeitslos werden, ist das halt „besonders schwierig“. Dass das kein Widerspruch, sondern pure Systemlogik ist, wird elegant verschwiegen.
Bei den über 50-Jährigen stieg die Arbeitslosigkeit um 6,1 Prozent, bei Akademikerinnen und Akademikern sogar um 17,2 Prozent. Selbst höhere Ausbildung schützt also nicht mehr vor dem Absturz. Gleichzeitig sinkt die Zahl der offenen Stellen um 13,2 Prozent und jene der Lehrstellen um 17,3 Prozent. Das ist die doppelte Botschaft an die Jugend: Weniger Ausbildungsplätze heute, weniger Jobs morgen. Aber Hauptsache, man wirft ihnen später „fehlende Qualifikation“ vor.
Währenddessen diskutiert AMS-Chef Johannes Kopf öffentlich über höhere Beiträge für Saisonbranchen und über Einschränkungen beim Arbeitslosengeld, um das „Zwischenparken“ zu reduzieren. Übersetzt heißt das: Nicht das System soll sich ändern, sondern die Arbeitslosen sollen sich billiger machen. Wer im Winter arbeitslos wird, soll künftig nicht einmal mehr sofort Geld bekommen – als pädagogische Maßnahme der Markterziehung.
Diese fast 400.000 Arbeitslosen sind kein Betriebsunfall, sie sind Teil der kapitalistischen Normalität. Arbeitslosigkeit ist kein Versagen des Systems, sondern eines seiner wichtigsten Werkzeuge: Sie diszipliniert die Beschäftigten, drückt die Löhne, erhöht den Konkurrenzdruck und hält die Profite stabil. Solange Unternehmen Menschen wie Kostenfaktoren behandeln und die Politik kapitalistische Misswirtschaft nur verwaltet, wird sich daran nichts ändern. Aber 2026 soll es ja vielleicht „leicht besser“ werden – versprochen.
Quelle: ORF














































































