Der durch die kapitalistischen Grundlagen des Bildungs- und Gesundheitssystems bedingte Ärztemangel ist evident: Fast ein Viertel der Zahnarztkassenstellen in Tirol kann nicht besetzt werden. Die Politik schaut zu, leidtragend ist die Bevölkerung.
Innsbruck. Dass es in Österreich einen Ärztemangel gibt, ist längst kein Geheimnis. Vielerorts und vor allem in ländlichen Gegenden im gesamten Bundesgebiet können Kassenstellen nicht besetzt werden, weswegen die Bevölkerung unter medizinischer Unterversorgung leidet und auf teurere Wahlärzte angewiesen ist, wo nur 80 Prozent der Kosten erstattet werden.
Ein konkretes Beispiel sind die Zahnärzte im Bundesland Tirol. Hier sind seitens der ÖGK 228 Kassenstellen vorgesehen, doch 53 davon sind unbesetzt – dies entspricht einer unschönen Lücke von über 23 Prozent. Die Gründe sind unterschiedlich: Während die Ärztekammer auf höhere Tarife für Kassenärzte pocht und eine Erhöhung bis zu 20 Prozent fordert, liegen einige Fehler im System: Jedes Jahr melden sich tausende junge Männer und Frauen für das Medizin- und Zahnmedizinstudium an, doch bei den Aufnahmeverfahren wird die Zahl der Studienanfänger auf ein Zehntel reduziert. Anders gesagt: Es gibt in Österreich schlichtweg nicht genügend Studienplätze, weswegen am Ende auch zu wenige Ärzte und Ärztinnen ausgebildet werden. Es liegt auf der Hand, dass die diesbezüglichen Kapazitäten der Medizinischen Universitäten deutlich ausgebaut werden müssen, doch Österreich ist eben ein Land, in dem man die Akademikerquote absurder Weise gering halten will…
Ein weiteres „Problem“ sind Medizinstudenten und ‑studentinnen aus Deutschland, die zwar in Österreich zu Ärzten und Ärztinnen ausgebildet werden, dann aber nicht hier praktizieren möchten, sondern in das Heimatland zurückkehren. Natürlich kann ein kleines Land wie Österreich nicht die fehlenden Kapazitäten des BRD-Systems kompensieren, weswegen es früher auch entsprechende nationale Quoten gab – d.h. 75 Prozent der Studienplätze mussten an Menschen mit einem österreichischen Maturazeugnis gehen (Ausnahmen gab es für Südtirol, Liechtenstein und Luxemburg, aber nicht für die wesentlich größere BRD). Dieser Regelung hat jedoch die EU einen Riegel vorgeschoben, da deutsche Abiturienten formell nicht anders behandelt werden dürften als österreichische Maturanten. Trotzdem: Um die flächendeckende medizinische Versorgung der österreichischen Bevölkerung für die Zukunft zu gewährleisten, erscheint ein Quotensystem zweckmäßig, ja sogar notwendig.
Ebenfalls anzudenken wäre, Ärzte und Ärztinnen, die immerhin mit österreichischem Steuergeld ausgebildet werden, zumindest für bestimmte Zeiträume auf Kassenstellen zu verpflichten. Dies müsste gleichzeitig damit verbunden werden, die Profitmacherei mit privaten Praxen und Einrichtungen außerhalb des öffentlichen Gesundheitswesens einzudämmen, denn diese können sich nur die Reichen leisten. Doch es ist eben nicht nur die konkrete Ausgestaltung, sondern es ist das kapitalistische System, das das österreichische Gesundheitssystem kaputtgespart hat, zur medizinischen Unterversorgung und zu teuren Behandlungskosten führt. Seitens der bürgerlichen Parteien fehlt selbstverständlich der politische Wille, genügend Mittel bereitzustellen, um der Bevölkerung eine flächendeckende, hochwertige und kostenlose Versorgung zu garantieren.
Zurück zum Tiroler Beispiel: So angespannt die Situation bereits ist, steht in den kommenden Jahren sogar eine weitere Verschlechterung ins Haus. Denn ein Drittel aller Kassenärzte und ‑ärztinnen in Tirol ist zwischen 60 und 65 Jahre alt, weswegen sie in absehbarer Zeit in Pension gehen werden. Damit werden noch mehr freie Kassenstellen entstehen, die unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht nachbesetzt werden können.
Quelle: ORF