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Hausdurchsuchung beim zerzausten Kanzler

Die wichtigste Frage wird sein, wie lange die Vertreter der Banken und Konzerne ihre Marionette im Kanzleramt noch brauchen können. Zwar wurde gerade eine Steuerreform auf Schiene gebracht, die ihnen sehr zugutekommt, aber auf Dauer nützt ihnen ein Kanzler nichts, der durch die ständigen Ermittlungen und Vorwürfe politisch zerzaust aussieht, wie ein Kuckuck nach dem Waldbrand. 

Wien. Eine nicht gerade alltägliche Hausdurchsuchung fand am Mittwoch, den 6. Oktober zugleich im Bundeskanzleramt, in der Zentrale der ÖVP und im Finanzministerium statt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) schickte mit richterlicher Genehmigung die polizeilichen Korruptionsermittler los, um Datenträger, Computer, Mobiltelefone und anderes sicherzustellen.

Mehr oder weniger als Zufallsfund stieß die WKStA im Zuge der Ibiza-Ermittlungen auf Hinweise, die ein unschönes Licht auf den Aufstieg von Sebastian Kurz vom Außenminister zum Parteichef der ÖVP und schließlich zum Bundeskanzler werfen. Im Jahr 2016 soll, so die Korruptionsermittler in ihrer 104-seitigen Anordnung zur Hausdurchsuchung, ein Plan geschmiedet worden sein, an dem mehrere heutige enge Mitarbeiter des Bundeskanzlers, der damalige Generalsekretär im Finanzministerium und Kurz-Intimus Thomas Schmid, sowie die Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner, beide Chefs des Medienhauses „Österreich“ und zwei Meinungsforscherinnen beteiligt gewesen sein sollen. Der Deal soll gelautet haben, dass die Zeitung „Österreich“ Umfragen veröffentlicht und im Sinne von Sebastian Kurz kommentiert und berichtet, die vorher von einer der Meinungsforscherinnen mit Schmid und anderen akkordiert wurden, auch was ihre Ergebnisse betrifft. Abgerechnet soll diese Kurz-Dienstleistung über Scheinrechnungen an das Finanzministerium geworden sein. Selbstverständlich gilt für alle Genannten die Unschuldsvermutung, weil über Schuld und Unschuld letztlich ein Gericht zu entscheiden hat.

Selbstmitleidiges Geschwafel und skurrile Pressekonferenzen

Ebenso wie bei den bereits vorher laufenden Ermittlungen gegen Kurz wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss hat die WKStA ihre Vorwürfe sehr präzise und penibel zusammengestellt, sodass Kurz in einem Interview in der ORF-Sendung „Zeit im Bild 2“ nur sein übliches selbstmitleidiges Geschwafel von sich geben konnte, ohne auch nur auf einen der Vorhalte konkret einzugehen. Bereits in der Vorwoche hatte die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gaby Schwarz eine skurrile Pressekonferenz abgehalten, in der sie sich beschwerte, dass sie von Journalisten nach einer Hausdurchsuchung bei der ÖVP gefragt werde. Sie richtete potenziellen Ermittlern jedenfalls aus, dass „nichts mehr da“ sei.

Natürlich wurde auch der Mann mit dem Vorschlaghammer, der Abgeordnete Andreas Hanger losgeschickt, der von „linken Zellen“ in der WKStA sprach, was ihm dann doch einen Rüffel des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen einbrachte. Die Idee der „linken Zellen“ ist insofern witzig, als seit der Schaffung der WKStA durch die SPÖ-Justizministerin Maria Berger und bis zum Amtsantritt der von den Grünen nominierten Ministerin Alma Zadić nur ÖVP-nahe Justizminister im Amt waren und diese also die „linken Zellen“ installiert haben müssten.

Inseratenkorruption nichts Neues

Nun ist ja Inseratenkorruption innerhalb des gesetzlichen Rahmens wahrlich nichts Neues in Österreich. Ministerien, Stadtverwaltungen und andere öffentliche Stellen geben – vor allem den Boulevardmedien – nicht nur großzügige Presseförderungen, sondern unterstützen sie auch mit üppigen Inseratenschaltungen. Erwartet wird im Gegenzug eine positive Berichterstattung im Sinne der jeweiligen Partei. Natürlich ist in der Regel niemand so blöd, das in einem schriftlichen Deal festzuhalten oder Schriftverkehr mit Herausgebern oder Chefredakteuren zu pflegen, der, wenn er in die falschen Hände gelangt, schon zu strafrechtlichen Vorhalten führen könnte.

Sondersitzung mit ÖVP-Hooligans

Die Vehemenz, mit der die türkise ÖVP die Justiz angreift, lässt wenig vom staatstragenden Image der alten Tante ÖVP übrig. Bei der von den Oppositionsparteien einberufenen Sondersitzung des Nationalrats, die im Lauf der nächsten Woche stattfinden wird, kann wahrscheinlich wieder bewundert werden, wie der Klub der ÖVP im Stil von Hooligans die Justiz geißelt und ihren Messias verteidigt. Es kann aber auch sein, dass den einen oder die andere im türkisen Klub langsam der Verdacht beschleicht, bei Fortsetzung dieses Kurses nicht mehr dem Nationalrat anzugehören, also mit dem „heiligen Sebastian“ unterzugehen.

Die nächste Zukunft von Kurz wird von den Grünen abhängen. Wenn sie ihn lassen, wird er weiterhin Bundeskanzler bleiben, denn zurücktreten will er nicht. Auszuschließen ist derzeit eine ÖVP-interne Abwahl von Kurz, obwohl der Sturz von Obmännern in der ÖVP dann mitunter recht schnell geht. „Es wird sich schon ein Stauffenberg finden“, zitierte man den damaligen Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Herbert Krejci, bezüglich eines ablösereifen, aber rücktrittsunwilligen VP-Obmannes.

Grüne wollen weiter Mörtel anrühren, mit dem die ÖVP mauert

Die Grünen wollen, wie es aussieht, weiterhin den Mörtel anrühren, mit dem die ÖVP mauert. Dabei sehen sogar Kommentare von bürgerlichen, der ÖVP durchaus gewogenen Zeitungen, dass der Kanzler nicht mehr viel Spielraum hat. Den hat er allerdings noch länger, wenn die einstige Antikorruptionspartei der Grünen ihm den gewährt, denn eine Anklage kann noch dauern und ein Prozess kann sich Jahre dahinziehen.

Die wichtigste Frage wird sein, wie lange die Vertreter der Banken und Konzerne ihre Marionette im Kanzleramt noch brauchen können. Zwar wurde gerade eine Steuerreform auf Schiene gebracht, die ihnen sehr zugutekommt, aber auf Dauer nützt ihnen ein Kanzler nichts, der durch die ständigen Ermittlungen und Vorwürfe politisch zerzaust aussieht, wie ein Kuckuck nach dem Waldbrand. Wenn es so weit ist, wird wohl innerhalb der ÖVP Tacheles geredet werden, und dann ist Kurz weg.

Quellen: justiz​.gv​.at/OTS-TT/Kurier​.at

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