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Krieg, Frieden und Revolution

Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)

Im Saudi-arabischen Dschidda fand am Wochenende eine Konferenz nationaler Sicherheitsberater von über 40 Ländern zum Thema des Krieges in der Ukraine und möglichen Szenarien eines Verhandlungsfriedens statt.

Die Saudi-arabische Diktatur wollte sich außenpolitisch profilieren, um den Mord am Journalisten Jamal Kashoggi ein wenig in den Hintergrund der globalen Wahrnehmung zu drängen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schickte seine Abordnung mit dem Auftrag, die „Selenskyj-Friedensformel“ vorzustellen und möglichst viele Länder davon zu überzeugen. Der Kernpunkt dieser Formel ist, dass sich Russland an die Grenzen von 1991 zurückziehen muss, bevor es überhaupt zu Verhandlungen kommen kann. Das würde nicht nur den Rückzug aus den vier im Vorjahr einverleibten Provinzen, sondern auch von der Krim bedeuten. 

Viele Länder des globalen Südens und fernen Ostens – darunter große Player wie Brasilien, Indien und China – waren anwesend, und heraus kam nichts. Keine Zeile einer Abschlusserklärung oder dergleichen. Ganz im Gegenteil, die Ukraine und ihre Mentoren interpretieren die Ergebnisse so einseitig, dass sich China veranlasst sah, eine Richtigstellung zu veröffentlichen.

Die Wahrheit ist, dass Selenskyjs Delegation mit seiner Friedensformel abgeschmiert ist, weil niemand sie für ein realistisches Szenario hält.

Immer mehr kristallisiert sich heraus, dass die Fronten so verhärtet, die einstigen Brudervölker der Russen und Ukrainer so verfeindet sind, dass noch Generationen die Feindseligkeiten in der einen oder anderen Form austragen werden. Es wird bereits von einer koreanischen Lösung gesprochen, also Einstellung der Kampfhandlungen, Bestehen einer Grenzlinie, aber kein Friedensschluss. Oder von einer israelisch-palästinensischen, also einem ewigen Krieg, der manchmal intensiver, manchmal auf niedrigerem Niveau ausgetragen wird, aber niemals zu Ende geht.

All diese in Diskussion befindlichen Lösungen beinhalten, dass Russland – so es nicht militärisch dazu gezwungen wird – keine Gebietsansprüche aufzugeben gedenkt. Es stellt sich hierbei auch die Frage, was die Ukraine mit dem Donbass und der Krim machen will, falls sie wieder zurückkehren würden. Die Menschen, die dort leben, daran besteht kein Zweifel, wollen mehrheitlich wohl sicher nicht unter der blau-gelben Flagge des Bandera-Staates leben, der ihnen durch „Lustration“ ihre Sprache, ihre Kultur und vor allem ihre Verbundenheit mit Russland austreiben will. Kiew will das Land zurück, hasst aber die Menschen, die dort leben. 3,8 Millionen von ihnen, etwa ein Zehntel der Vorkriegsbevölkerung der Ukraine, befindet sich übrigens in Russland und hat dort Aufnahme als Flüchtling gefunden.

Die politische Partei der Grünen, vor allem die in der BRD, ist völlig außer Rand und Band und spricht davon, dass man Russland ruinieren müsse, ja die eigenartige deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat Russland sogar versehentlich den Krieg erklärt. Ihre bedingungslose Treue zur Biden-Administration in den USA kann dazu führen, dass sie den Moment verpassen, in dem die USA ihre Politik ändern. Denn ewig will man sich dort mit der „ukrainischen Frage“ nicht herumschlagen, stehen doch Präsidentschaftswahlen vor der Tür und außerdem sieht man in der Aufrüstung Taiwans und der Bekämpfung chinesischer Interessen die viel wichtigere auf der Tagesordnung stehende Frage. Es gibt das Gerücht, dass hinter den Kulissen seit einiger Zeit Gespräche zwischen Russland und den USA zur Beendigung des Krieges stattfinden. Das bestätigt: Der Krieg ist dann aus, wenn die USA es sagen, denn ohne US-Unterstützung bricht der ukrainische Staat und seine Armee in kürzester Zeit zusammen.

Es wird keinen Frieden nach der Selenskyj-Formel geben, und die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Ukraine größere Gebietsgewinne auf dem Schlachtfeld erzielt werden können, ist derzeit auch nicht sehr hoch. Selenskyj und seine Entourage werden früher oder später Fragen des ukrainischen Volkes beantworten müssen. Die Friedhöfe im ganzen Land sind überfüllt mit Soldatengräbern und in Kiew wurde ein neuer Soldatenfriedhof angelegt, der Platz für 50.000 Gräber bieten soll. Die Leute werden fragen, wofür ihre Brüder und Schwestern, ihre Söhne und Töchter, ihre Männer und Frauen, ihre Väter und Mütter gestorben sind? Dafür, dass nichts erreicht wurde, und das Land vollkommen kaputt ist? Auch die russische Elite wird sich solche Fragen aus der Bevölkerung anhören müssen. In diesem Fall: welcher Preis an Menschenleben für die Eroberung der neuen Gebiete gezahlt werden musste, und ob es das wert war.

In der Ukraine wie auch in Russland toben sich derzeit die reaktionären Nationalisten aus, die bereit sind, den Krieg über Generationen hinaus fortzusetzen. In der Ukraine hat das Ganze eine faschistische Färbung, weil die Nationswerdung mit der dunklen Geschichte der Bandera-Massenmörder an Polen, Juden und Russen verbunden wird. In Russland wird der Einfluss der Popen, der Reaktionäre und der Monarchisten immer stärker, die sich nach der Wiedererrichtung des Zarenreiches und einem Leben nach den Vorschriften der russisch-orthodoxen Kirche sehnen. 

Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer, heißt es. Die Arbeiterklasse beider Länder blutet sich in den Schützengräben aus, während die sozialistischen und kommunistischen Kräfte da wie dort verboten und ausgeschaltet sind. In Russland spielt die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF), die immerhin zweitstärkste Fraktion im Parlament, der Staatsduma, ist, eine eigenartige Rolle, die man überspitzt als linken Flügel der reaktionären russischen Großmachtfantasien bezeichnen kann. In der Ukraine wurde die Tätigkeit der Sozialisten und der Kommunisten längst illegalisiert, ihre Kader wurden und werden drangsaliert, gefoltert und ermordet.

Kürzlich haben sich ukrainische und russische Kommunistinnen und Kommunisten im Untergrund getroffen, und den Neuaufbau einer revolutionären und strikt gegen den Krieg ausgerichteten Arbeiterbewegung in beiden Ländern als ihr Ziel definiert. Diesen mutigen Genossinnen und Genossen ist höchster Respekt zu zollen. Sie beginnen das Werk, das die Vernunft wieder auf die Tagesordnung der Gesellschaften setzen kann. Das kapitalistische Russland und der kapitalistische, völlig von den USA und der EU abhängige Kompradoren-Staat Ukraine werden den arbeitenden Menschen und den ärmeren Volksschichten auch nach dem Krieg keine vernünftige Lebensperspektive anbieten können. Der einzige Weg dorthin besteht in ihrem Sturz, in neuen Revolutionen. Das mag heute illusorisch erscheinen, aber die sozialistische Revolution ist der einzige Garant für die Abwesenheit von Profitinteressen und damit auch von Kriegsgründen, denn der bisher größte Gewinner dieses Krieges ist der militärisch-industrielle Komplex vor allem in den USA, aber auch in Russland und in Westeuropa. 

BILDQUELLEPxhere, CC0
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