Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)
Die ukrainische Politelite und mit ihr ein Teil der reaktionärsten Regierungen Europas und der Welt wollen Russland nicht mehr als ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat haben. Sie nehmen die routinemäßige Vorsitzführung Russlands zum Anlass für diese Forderung. Als Begründung wird angeführt, dass doch kein Land dem Sicherheitsrat angehören könne, das einen Überfall auf ein anderes Land begangen habe. Nun, nach dieser Logik hätten die USA, Großbritannien und Frankreich schon längst aus dem Gremium entfernt werden müssen. Auch China hätte seinen ständigen Sitz schon verlieren müssen.
Frankreich hat seit der Gründung des Sicherheitsrats im Jahr 1946 seine blutigen Aufstandsbekämpfungen und Kriege in seinen (inzwischen ehemaligen) Kolonien geführt; hier seien vor allem die brutalen Kriege in Französisch-Indochina (1946–54) und später in Algerien (1956–62) genannt. Es beteiligte sich direkt oder indirekt an zahlreichen Umstürzen, nahm an US-Kriegen teil und zettelte Kriege in ehemaligen Kolonien an.
Auch das britische Empire führte brutale Kriege gegen die Unabhängigkeitsbewegungen in seinen Kolonien. Großbritannien war in fast alle Feldzüge und Umstürze des US-Imperialismus involviert, und ist es immer noch. Es bildet heute gemeinsam mit den USA, Australien und Kanada eine angelsächsiche Achse, die sowohl eine aggressive Politik gegen Russland, als auch gegen China betreibt. Nicht zu vergessen auch der von England begonnen Krieg mit Argentinien um die Falkland-Inseln.
Die USA schließlich werden seit 1945 kaum ein Jahr finden, in dem sie nicht ein anderes Land angegriffen haben, intervenierten, bombten, mit Drohnen töteten, ermorden und foltern ließen.
Wären die Regeln also so, dass ständige Mitglieder des Sicherheitsrats ausgeschlossen werden, wenn sie ein anderes Land angreifen, gäbe es keine mehr, denn auch China ist da mit dem Angriff auf Vietnam 1979 nicht unbefleckt.
In den ehemaligen Kolonien der europäischen Imperialisten genießt Russland großes Ansehen. Das ist nicht so sehr das Verdienst des kapitalistischen Russland, sondern der sozialistischen UdSSR. Als deren Rechtsnachfolger profitiert Russland davon. Die Sowjetunion unterstützte die antikolonialen Befreiungskämpfe und war mit ihrem Gewicht in den internationalen Beziehungen ein Faktor, der nicht übergangen werden konnte, und der einen Gegenpol zu den imperialistischen Mächten bildete.
Dass sich ausgerechnet die gleichermaßen russophoben wie antikommunistischen Regierungen der Ukraine, Polens, Estlands, Lettlands und Litauens darüber aufregen, dass Russland den routinemäßigen Vorsitz im Sicherheitsrat hat, ist nicht weiter verwunderlich. Dass sie dabei bei Ländern wie der BRD Verständnis finden, ist da schon bedeutender. Die Architektur des UN-Sicherheitsrats mit seinen ständigen Mitgliedern UdSSR, Frankreich, Großbritannien, USA und China war ein Ergebnis des Sieges der antifaschistischen Kräfte über den deutschen Faschismus, dem größten Verbrecherregime in der jüngeren Geschichte der Menschheit. Da stünde es der BRD ganz gut an, nicht mit den Nazi-Verehrern im Baltikum und in der Ukraine mitzuheulen, denn gerade sie sollte jegliches Anstreifen an alten und neuen Nazis vermeiden.
Es wird so oder so eine neue – vielleicht sogar die von den BRICS-Staaten vorangetriebene multipolare – Weltordnung geben. Ob in diesem Ringen zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten die UNO auf der Strecke bleibt, wird man sehen. Es gibt genügend Kräfte, die sich das wünschen. Ihre Bedeutung wird ohnehin ständig heruntergeschraubt, und in nicht wenigen Fällen betreiben UNO-Teilorganisationen das Geschäft der USA und ihrer Verbündeten.