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Ein Gespräch mit dem Historiker Dr. Günther Grabner anlässlich des 75. Jubiläums der Befreiung

Ein Gespräch mit dem Historiker Dr. Günther Grabner anlässlich des 75. Jubiläums der Befreiung. Im Zentrum stand die Rolle der Kommunistinnen und Kommunisten im antifaschistischen und nationalen Widerstand gegen den deutschen Faschismus von 1938–45 in Österreich.

Wie wir in Vorgesprächen festgestellt haben, ist es recht schwierig sich bei der Betrachtung des Widerstandes lediglich auf den Zeitraum von 1938–1945 zu konzentrieren. Die Vorgeschichte der Verbote und Repressionen gegen die österreichische Arbeiterbewegung sowie des Widerstandes im Kontext des Austrofaschismus ist konstituierend für das Verständnis des Widerstandes gegen den deutschen Faschismus. Hierzu empfehlen wir unter anderem die durch den KZ-Verband/Verband der Antifaschisten herausgegebene Broschüre von Tibor Zenker zum Februar 1934. Aus gegebenem Anlass und Platz werden wir uns in dem heutigen Gespräch jedoch auf die Rolle der Kommunistinnen und Kommunisten – deren Partei bereits in ihrer Gründung einen marxistisch-republikanischen Charakter hatte – im Widerstand von 1938–1945 begrenzen.

Welche Rolle haben die österreichischen Kommunistinnen und Kommunisten im Widerstand gespielt?

Die Rolle der Kommunistischen Partei im Widerstand hängt damit zusammen, dass die Partei auch zuvor – insbesondere 1918 bis 1933 – mit 40.000 Mitgliedern keine kleine Partei war. Außerdem war die KPÖ seit ihrer Gründung stets von Verfolgung bedroht und war somit „erprobt“ unter solchen Umständen zu arbeiten, was natürlich in der Illegalität für die Arbeitsweise von Vorteil war, um mich hier kurz zu fassen.

Dennoch wurden in den Jahren 1938–1945 6.300 Kommunistinnen und Kommunisten in Wien von der Gestapo festgenommen, bis 1939 schon 1874. Von den Festgenommenen wurden viele hingerichtet oder kamen in Gefängnisse und Konzentrationslager, auch hier kam kaum jemand frei. Von den politischen Gruppen hatten die Kommunistinnen und Kommunisten in Österreich die höchsten Opferzahlen, was ihre Bedeutung im Widerstand nochmals verdeutlicht. Dies war ein unersetzlicher Verlust, den man 1945 und folgend spürte. Man hatte lediglich eine Chance im Exil in London und Moskau, wo die Gefahr der Ermordung nicht gegeben war.

Wie kam es dazu, dass die KPÖ im Widerstand so eine große Rolle spielen konnte? Wieso sprechen die österreichischen Kommunistinnen und Kommunisten auch heute noch sowohl von einem antifaschistischen als auch von einem nationalen Befreiungskampf in der Zeit von 1938–45? Kannst du uns diesen Doppelcharakter des Widerstandes erklären?

Hier ist nochmal wichtig festzuhalten, dass es sich nicht nur um einen nationalen Befreiungskampf, sondern einen internationalen Befreiungskrieg handelte. Es war 1938 ja ein internationaler Krieg, ein Weltkrieg, der ganz einfach internationale Dimensionen hatte.

Die Kommunistinnen und Kommunisten haben sich in ihrem Befreiungskampf in Bezug auf die Arbeiten von Alfred Klahr nicht nur als Antifaschistinnen und Antifaschisten identifiziert, sondern kämpften auch gegen die Fremdherrschaft, aber darauf detaillierter einzugehen würde hier zu weit führen.

Die KPÖ und der Kommunistische Jugendverband wurden ja bereits 1933 verboten, wie konnte der Widerstand in der Illegalität über eine so lange Zeit aufrechterhalten werden? Welche Methoden wurden angewandt? Kannst du uns anhand einer Widerstandsgruppe erklären, wie das funktioniert hat?

Die KPÖ wurde am 26.05.1933 unter dem christlichen Innenminister Emil Fey verboten. Dadurch gab es, wie auch bei vielen kommunistischen und Arbeiterparteien in anderen Ländern, eine lange Phase der Illegalität und Erfahrungen darin illegal zu arbeiten. Dies war bspw. auch bei der Kommunistischen Partei Deutschlands der Fall.

Als wichtige Methoden wäre hier die Arbeiterinnen- und Arbeiterbildung in Theorie und Praxis zu nennen. Es war durchaus eine Bildungsorganisation. Schon kurze Zeit nach dem Verbot erschien das Zentralorgan der Partei wieder, jetzt eben illegal gedruckt und verbreitet – die Tageszeitung Rote Fahne, die seit 1918, damals noch unter anderem Namen, veröffentlicht wurde. Diese wurde schon vorher immer wieder zensiert oder Redakteure wurden ins Gefängnis geworfen, sie erschien aber dennoch weiter, das war unheimlich wichtig für die Bildung.

Man muss sich mal überlegen, heute gibt es von 17 Parteien in Österreich lediglich eine, die noch eine Tageszeitung herausgibt. Tageszeitungen sind sehr wichtig für die Bildung. Es erschienen theoretische kommunistische Zeitungen in der Legalität und Illegalität. Die verstärkte Herausgabe der heutigen Klassiker des Marxismus-Leninismus, damals teilweise noch in Erstausgabe, das ist damals in Kooperation mit der KPD und der Komintern in der Parteidruckerei gedruckt worden. Dr. Johannes Wertheim ist hier hervorzuheben, er hatte die Arbeiterbuchhandlung und wurde um 1942 im KZ Auschwitz ermordet. Selbstschulung, Schulung und Leseaustausch in Kleingruppen wurde nach 1933 und sogar noch nach 1938 weiter durchgeführt. Es hat bspw. Bergwanderungen gegeben, wo sich kleine Gruppen zur Schulung und zum Informationsaustausch unter strengsten konspirativen Bedingungen getroffen haben. Peter Kammerstätter hat über diese Schulungen und Wanderungen, an denen er selbst teilgenommen hat, berichtet. Er hat Materialsammlungen angefertigt, so auch über die später bekannt gewordenen Truppen, wie Willy Fred oder die Welser Gruppe. Plieseis ist ein bekannter Vertreter von Will Fred aus dem Salzkammergut und Sepp Teufl ist der Bekannteste aus der Welser Gruppe der KPÖ. Diese Gruppen haben sich aber nie mit allen Mitglieder getroffen, da die Gefahr der Bespitzelung viel zu groß war.

Gibt es sonst noch etwas, dass du uns gerne zum österreichischen Widerstand ergänzen würdest?

Wir haben jetzt 75 Jahre Befreiung und 75 Jahre Republik und es ist ein Skandal, dass es heute in Österreich in diesem Jubiläumsjahr nach wie vor eine Sabotage von der Benennung öffentlicher Plätze gibt. Da gibt es zwei aktuelle Beispiele: Einmal die Initiative, dass der Höchstädtplatz nach Johann Koplenig benannt wird. Ein zweites Beispiel, es gibt in Tirol in Wörgl die Initiative eine Straße nach Thomas Berger zu seinem dreißigsten Todestag zu benennen. Ersteres ist im Bezirk beschlossen worden und wurde von der Stadt Wien abgedreht. In Wörgl wurde es durch die Bürgermeisterin zugesagt und ist dann im Sande verlaufen.

Es gibt in Österreich Straßen und Plätze, die nach Widerstandskämpferinnen und –kämpfern benannt wurden, aber keine, die nach Koplenig, Franz Honner oder Friedl Fürnberg benannt wurden. Das ist angesichts ihrer Verdienste im Widerstand und beim Wiederaufbau der 2. Republik ein Skandal. Lobenswert bei solchen Benennungen ist die Stadt Steyr hervorzuheben, denn hier sind Straßen nach den 12 Helden des Zentralkomitees benannt worden, nach Dr. Alfred Klahr zum Beispiel. Weitere Ausnahmen, die es gibt, sind bspw. Straßen und oder Plätze, die nach Margarete Schütte-Lihotzky, Rosa Hoffmann, Jura Soyfer und Ernst Burger benannt sind. An die Taten dieser Genossinnen und Genossen sollte man erinnern und das Erinnern ist durch diese Benennungen nicht verschüttet.

Basierend auf ihren Verdiensten im Widerstand war die KPÖ einer der drei Parteien, die die Unabhängigkeitserklärung mitunterschieb und die zweite Republik mitgründete1945. Bis 1947 war die KPÖ Teil Bundesregierung. 155.000 Mitglieder hatte die KPÖ nach dem Krieg und gab 7 Tageszeitungen heraus. Durch den Kalten Krieg und den Drang der USA nach Osten kam es auch in Österreich zu einer immer stärkeren Verdrängung der KPÖ aus Politik und Medien. Diese Zahlen sagen aber auch etwas über die Stärke der Kommunistinnen und Kommunisten im Widerstand.

Ich würde auch noch ein paar Namen nennen. Magda Schorr zum Beispiel ist eher unbekannt, sie hat in den 1920er und 1930er Jahren die Rote Hilfe in Österreich geleitet und hat auch in der internationalen Roten Hilfe mitgearbeitet. Die Rote Hilfe ist 1923 erstmals und 1933 erneut verboten worden. Sie war eine Massenorganisation der Partei für die Verfolgten und Diskriminierten und unterstützte die verhafteten Genossen, wie gesagt auch schon in der vorfaschistischen Zeit. Die Rote Hilfe hat bspw. auch rechtliche Hilfe zur Verfügung gestellt. Wie verteidigt sich der Proletarier vor Gericht, da gab es den Parteijuristen Dr. Egon Schönhof, ein erfahrener Jurist. Er wurde auch 1942 im KZ Auschwitz ermordet mit 61 Jahre, er war selbstlos in seiner Arbeit in der Roten Hilfe. Dieses Netzwerk war sehr wichtig, da es immer wieder Anzeigen gab. Außerdem hat die Rote Hilfe Gelder an Witwen von Februarkämpfern übergeben und nicht nur für KPÖ-Mitglieder, sondern auch andere Kämpfer, das war überlebenswichtig und Magda Schorr – oder auch Malke Schorr genannt – war hier die Nummer Eins, das Gesicht hinter der Organisation.

Ich empfehle hier als Quelle für mehr Details: Hermann Mitteräcker „Kampf und Opfer für Österreich. Ein Beitrag zur Geschichte des österreichischen Widerstandes 1938 bis 1945“, 1963, Wien. Hier sind Namen und vieles zum Widerstand dokumentiert.

Danke, lieber Günther, für das Gespräch und deine Zeit!

Information: Das Gespräch führte Marie Jaeger. Dr. Günther Grabner ist Historiker und promovierte 1978 an der Universität Salzburg über die „Geschichte der »Freien Österreichischen Jugend« (FÖJ) 1945–1969“ (372 Seiten) und ist aktives Mitglied im KZ-Verband/Verband der Antifaschisten.

BILDQUELLEPatrick Peyr
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