Die SPÖ war seit 1945 ganze 57 Jahre an Regierungen beteiligt und stellte insgesamt sieben Bundeskanzler. Sie war für das österreichische Monopolkapital lange Zeit ein sehr wichtiger Faktor, weil sie durch ihre politische Nähe zu den Gewerkschaftsführungen immer wieder sozialpartnerschaftliche Dienste leistete.
Wien. In der Fernsehdiskussion des ORF bezeichnete FPÖ-Obmann Herbert Kickl seinen SPÖ-Konkurrenten Andreas Babler als „Leninisten-Marxisten“, ein andermal sprach er von einer „leninistischen Wirtschaftspolitik“, die Babler machen wolle. Wir können den blauen Oberkrakeeler beruhigen: nichts davon trifft zu. Die SPÖ hat sich schon lange vom Marxismus verabschiedet, mit dem Leninismus hatte sie ohnehin nie etwas zu tun.
Reichenbesteuerung nur auf dem Papier
Eines muss man dem durch allseits bekannte Turbulenzen zum Parteivorsitz gekommenen Traiskirchner Bürgermeister allerdings lassen: Er hat mit einer Vielzahl von Experten ein sehr umfangreiches Wahlprogramm auf die Beine gestellt, das sich thematisch am besten als ökosozial-reformistisch bezeichnen lässt. Den Zorn der Reichen in diesem Land, hier sei stellvertretend die Herausgeberin des Gratisblatts heute, Eva Dichand genannt, hat sich Babler mit der Forderung nach Erbschafts- und Vermögenssteuern von Beginn an zugezogen. Während es in vielen Ländern – sogar in den USA – ganz normal ist, dass die Vermögenden auch ein wenig zur Kasse gebeten werden, haben sich die Reichen in Österreich daran gewöhnt, dass sie sich vom Staat bei allen möglichen Gelegenheiten fördern lassen, aber kaum Steuern zahlen. Aber auch diese Ängste sind unbegründet: Die SPÖ wird weder die Regierungskonstellation zur Verfügung noch Durchsetzungswillen (etwa durch eine politische Streikbewegung) haben, um die Reichen zu besteuern. Sie wird von ihrem Wahlprogramm entweder kaum etwas umsetzen können, weil sie in eine Koalition geht, wo ihr alles abgeräumt wird, oder sie wird in der Opposition weiterhin ihre Forderungen stellen können, die keine Chance auf Umsetzung haben.
Krake und Parteibuchwirtschaft
Die SPÖ besteht heute aus mehreren Typen von Partei: In Wien, wo sie seit 1945 durchgehend regiert, ist sie eine Krake. Die Wiener SPÖ hat als Gesamtkapitalist ein regelrechtes Firmen- und Beteiligungsnetzwerk errichtet, das heute weit über die Landes- und sogar Staatsgrenzen hinausgeht. Sie begleitet die Gemeindebürger von der Wiege bis zur Bahre, und die gemeindeeigenen und SPÖ-nahen Firmen sind ein derart dichtes Geflecht, dass sie die Stadt und ihre Politik beherrschen. Im Burgenland, wo die SPÖ unter Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil mit einer absoluten Mehrheit regiert, verhält es sich nicht anders. Noch dazu reißt Doskozil immer mehr Firmen an sich, so dass das Land Burgenland im Besitz nicht nur der landeseigenen Gesellschaften, sondern einer Vielzahl anderer ist. Landeshauptmann Peter Kaiser in Kärnten gilt diesbezüglich als vorsichtiger. Parteibuchwirtschaft und Korruption sind insbesondere in Wien gang und gäbe. Das führt dazu, dass es sicher auch nicht wenige SPÖ-Mitglieder gibt, die nur wegen des Jobs in der Partei sind, aber in Wahrheit die FPÖ wählen.
In den von der ÖVP dominierten Ländern hat die SPÖ zum Großteil nichts zu lachen. Ganz im Westen führt sie überhaupt ein marginalisiertes Dasein.
Willige Erfüllungsgehilfin bei der Langzeitoffensive des Kapitals
Die SPÖ war seit 1945 ganze 57 Jahre an Regierungen beteiligt und stellte insgesamt sieben Bundeskanzler. Sie war für das österreichische Monopolkapital lange Zeit ein sehr wichtiger Faktor, weil sie durch ihre politische Nähe zu den Gewerkschaftsführungen immer wieder sozialpartnerschaftliche Dienste leistete. Sie half bei der Niederschlagung des Oktoberstreiks 1950 und sorgte gemeinsam mit der ÖGB-Spitze dafür, dass Streikstatistiken in Österreich in Minuten gemessen wurden.
Seitdem das Kapital seine Langzeitoffensive fährt, und das ist immerhin seit den 1980-er-Jahren, wird die SPÖ zwar auch noch gebraucht, aber die meisten Aufgaben hat sie zu Beginn schon erledigt. Sie war bereitwillige Gehilfin beim Ausverkauf des Volksvermögens, sprich bei der Privatisierung der Verstaatlichen Industrie und vieler Bereiche der Gemeinwirtschaft. Ebenso war die SPÖ neben der ÖVP die treibende Kraft für den Beitritt Österreichs zur EU. Für diese beiden Großvorhaben des Monopolkapitals waren die Sozialdemokraten unentbehrlich. In den letzten Jahren ist die Bedeutung der Sozialpartnerschaft zurückgegangen, das Kapital lasst es öfter auch einmal zu Streiks kommen, im Wissen, dass die SPÖ-Spitzengewerkschafter am Ende doch einknicken und es bei Warnstreiks bleibt. Die Sozialdemokraten waren in den von ihr geführten Regierungen maßgeblich beteiligt an der teilweisen Demontage des Sozialsystems, der finanziellen und personellen Aushungerung des Gesundheitssystems.
Außenpolitisch ist die SPÖ mitverantwortlich für die Einbindung des österreichischen Bundesheeres in NATO-Strukturen und die EU-Militarisierung. Zwar lehnt sie im aktuellen Wahlprogramm die Beiteiligung Österreichs am Sky Shield ab, zeigt aber sonst – besonders durch ihr Wirken im EU-Parlament – dass sie in der Frage der Parteinahme im Ukraine- und im Gaza-Krieg voll in das pro-NATO-Lager integriert ist. Eine wesentliche Änderung der gegenwärtigen Außenpolitik wäre von ihr daher nicht zu erwarten.
Welche Regierungskonstellation sich das Kapital nach dem 29. September wünscht, ist noch offen, und wird wohl auch vom Wahlergebnis abhängen. Geht es nach den Forderungsprogrammen, so gibt es in wirtschafts- und sozialpolitischen Belangen die größte Übereinstimmung zwischen ÖVP und FPÖ, teilweise auch NEOS. Dennoch könnte es sein, dass dem Monopolkapital eine ÖVP-SPÖ-Koalition mit eventueller Beteiligung der NEOS oder der Grünen lieber ist, weil die Einbindung der Gewerkschaften und der SPÖ im Parlament für die nächsten Vorhaben des Kapitals wichtiger ist als eine radiakal-kapitalistische Allianz aus ÖVP und FPÖ.
Quelle: SPÖ/Zeitung der Arbeit