Kommentar von Aaron Weber, Mitglied der Partei der Arbeit, Student.
Kaum war die dreitägige Staatstrauer nach dem Terroranschlag in Wien vorbei, da sickerten nach und nach Informationen durch, wie der Attentäter offenbar seit Monaten unter den Augen des Inlandsgeheimdienstes seinen Anschlag geplant hatte. Nicht nur wurden die Sicherheitsbehörden vom slowakischen Nachrichtendienst informiert, dass der Attentäter Munition für sein Sturmgewehr kaufen wollte, mittlerweile weiß man auch von einem „Dreiländertreffen“ mit Islamisten aus Deutschland und der Schweiz unmittelbar vor dem versuchten Kauf der „handelsüblichen Munition“ (ORF). Und auch in diesem Fall wurden die österreichischen Behörden von der deutschen Geheimpolizei gewarnt, dass zwei Islamisten auf dem Weg nach Wien seien. Ausgerechnet danach wurde die Beobachtung des 20-jährigen Terroristen und seines Umfelds abgebrochen. Klare Antworten ist man bisher der Öffentlichkeit schuldig geblieben.
Diese Tatsachen alleine geben Grund zum Anlass, das Narrativ eines Einzeltäters zumindest zu relativieren. Etliche Fälle islamistischer oder rechtsterroristischer Terroranschläge – wie der faschistische NSU-Komplex in Deutschland oder der Fall des Berliner IS-Terroristen Amri – gehen einher mit einer Melange an willkürlicher Ignoranz von staatlicher Seite und dubiosen Verstrickungen der Geheimpolizei. Überdies aber belegen sie die Existenz von Hintermännern, die in der Lage sind, organisierte, terroristische Aktivitäten gegen das Volk zu entfalten. In welchem Umfang islamistische oder faschistische Kräfte wirksam werden können, hängt nicht von der „Moral“ der Herrschenden oder der nationalen Kultur ab, sondern von nüchternen, imperialistischen Interessen. Der Islamismus spielt etwa in Syrien oder Libyen eine solche Rolle, gestützt durch die USA, NATO und natürlich die EU, die die logistischen Hilfen und politische Rückendeckung für ihre Existenz gegen Baschar al-Assad organisiert haben.
Solche Auseinandersetzungen wird man aber in Österreich gänzlich vermissen. Der Anschlag in Wien ist von den bürgerlichen Parteien und Medien als Anlass genommen worden, um vor allem die „Law and Order“-Politik zu verschärfen, die jederzeit benutzt werden kann, um fortschrittliche, revolutionäre Personen durch Maßnahmen wie Sicherheitsverwahrung per gerichtlichem Bescheid bis zu sechs Monate quasi einzusperren. Natürlich versucht man über Scheinerfolge, die jetzt dem Volk nervös präsentiert werden, eine „harte Hand“ im Umgang mit Islamisten zeigen zu können. Trotz der ausgebauten Überwachungsapparate und ihrer Lippenbekenntnisse, der Informationen der deutschen und slowakischen Geheimdienste, konnte das Volk letztlich nicht beschützt werden. Welchen Grund gibt es anzunehmen, dass sich dies ändern wird?
Vor allem aber: Man vergesse nicht auch die endlosen, antimuslimischen Tiraden rund um die Themen Asylwerber, Kopftuchverbot, Parallelgesellschaften oder einfach: rund um „den politischen Islam“, die nicht nur von der FPÖ, sondern unter anderem von Susanne Raab („Integrationsministerin“, ÖVP) seit Monaten durch die Medien gepeitscht werden. Noch mal: Wie haben uns diese Diskurse auch nur einen Hauch genützt? Auch die SPÖ leistet „ihren Beitrag“: So fordert Jörg Leichtfried, der Vize des SPÖ-Parlamentsklubs, eine Verschärfung des Staatsbürgerschaftsrechts – und verschleiert damit nicht nur die Fehler des Innenministeriums, sondern auch die wahren politischen Zusammenhänge.
Das Panorama der bürgerlichen Heuchelei seit dem Terroranschlag in Wien ließe sich endlos weiter analysieren. Notwendig ist aber die Einsicht in die Notwendigkeit, für ein volles Leben zu kämpfen, in einer Gesellschaft, in der reaktionäre Sekten nicht so einfach Fußsoldaten rekrutieren können.