In eineinhalb Monaten startet die Fußball-Weltmeisterschaft der Herren in Katar. Bei den Fans hält sich die Begeisterung in Grenzen. Viele wollen das Turnier boykottieren. Nun kündigen in Frankreich auch immer mehr Städte an, auf Fan-Zonen während des Turniers zu verzichten.
Schlechte Arbeitsbedingungen und ungeklärte Todesfälle
Der Guardian berichtete im Februar 2021 von 6500 in Katar gestorbenen Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka in einem Zeitraum von zehn Jahren. Die Anzahl an Todesfällen bei den WM-Baustellen ist umstritten. Umfassende Statistiken dazu gibt es nicht, da die Todesursachen vom katarischen Staat nicht systematisch erhoben werden, obwohl die dazu notwendigen Technologien im katarischen Gesundheitssystem vorhanden wären.
In einer Analyse von Amnesty International wird von einer fast 70-prozentigen Quote ungeklärter Todesfälle von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten ausgegangen. Die Arbeitsbedingungen an den Baustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft sind jedenfalls extrem schlecht: Es gibt keinen Schutz gegen die zu große Hitze, die Schichten dauern mitunter 13 Stunden, viele Arbeiterinnen und Arbeiter haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem.
Trotz des wohl nicht unbedingt ernstgemeinten Ziels des Organisationskomitees eine „CO2-neutrale WM“ abzuhalten, sorgt auch die Umweltproblematik für einige Kontroversen. Fast das gesamte Nutzwasser stammt aus Meerwasserentsalzungsanlagen, die mittels Gaskraftwerken betrieben werden. Somit wird vor allem die künstliche Kühlung der Stadien ein äußerst umweltschädliches Unterfangen.
Begeisterung der Fans hält sich in Grenzen
Diese Umstände bewirken auch, dass sich ein großer Teil der Fußballfans nicht wirklich für das bevorstehende Turnier begeistern kann. Viele Menschen wollen die Weltmeisterschaft boykottieren.
Mittlerweile kündigten auch einige französische Städte an, keine Großleinwände für das Turnier aufzustellen. So gaben unter anderem Bordeaux und Straßburg bekannt, keine „Public Viewings“ zu veranstalten. Auch in Reims wird man darauf verzichten. Diese Woche haben sich die zwei größten französischen Städte, Marseille und Paris, angeschlossen. Vor dem Pariser Rathaus versammeln sich bei solchen Turnieren normalerweise Zehntausende Menschen, um die Spiele ihrer Nationalmannschaft gemeinsam zu verfolgen.
Der französische Präsident Emmanuel Macron äußerte sich bislang nicht zu den Boykott-Entscheidungen vieler Städte. Grundsätzlich trägt diese städtische Protestwelle zwar immerhin symbolischen Charakter, mehr jedoch nicht. Für Frankreich ist das Emirat Katar ein wichtiger strategischer Verbündeter in der Region. Paris bezieht Öl aus Katar und unterzeichnete milliardenschwere Rüstungsabkommen mit dem Scheichtum. Diese Kooperation umfasst auch den Sport und speziell den Fußball: Der Eigentümer des erfolgreichsten und reichsten französischen Fußballvereins Paris Saint-Germain ist mit der Qatar Holding LLC der katarische Staatsfonds.
Quellen: Der Standard/Salzburger Nachrichten/Amnesty International/Salzburger Nachrichten