Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA).
Immer wieder kommt es vor, dass Politikerinnen und Politiker, wenn sie vom Ukrainekrieg sprechen, ihn als „ersten Krieg in Europa seit 1945“ bezeichnen. Auch in Medien ist das immer wieder zu lesen. Bei manchen liegt es wohl tatsächlich daran, dass sie nichts weiter machen, als vorgekaute Propaganda des kollektiven Westens wiederzugeben, manche sind aber wohl auch zu dumm oder zu faul, ein wenig zu recherchieren.
Die vom Westen geplante Zerstückelung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in den 1990er Jahren kommt in diesem Geschichtsbild nicht vor. Ein mittelgroßes europäisches Land, das noch dazu eine aktive Rolle in der Bewegung der blockfreien und paktungebundenen Staaten spielte, wurde mit Hilfe militärischer Gewalt von der Landkarte getilgt – und daran soll es keine Erinnerung geben?
Als Brecher bediente man sich sowohl in Jugoslawien als auch in der Ukraine der Emigrantenszene, und zwar jener, die nach 1945 entstanden ist. Mussten in Kroatien viele Funktionsträger und Mitläufer des faschistischen kroatischen Ustascha-Regimes das Weite suchen, waren es in der Ukraine die Nazi-Kollaborateure und Ultra-Nationalisten, die vor der wiedererrichteten Sowjetmacht flohen. Beide Diaspora-Clans waren fanatische Faschisten geblieben und unter ihnen waren und sind reiche Leute, deren Grundkapital gestohlenes Blutgeld bildete und beide hatten ein gewisses Faible für Kanada. In beiden Ländern, das sollte auch nicht verschwiegen werden, brachten die Reaktionäre aber auch Leute in höchsten Partei- und Staatsämtern der jeweiligen sozialistischen Staaten unter.
Der Startschuss zur Explosion der jugoslawischen Staatlichkeit war nicht so sehr die Lostrennung Sloweniens, denn sie war mit keinerlei faschistischen Revanchegelüsten behaftet, sondern die Sezession Kroatiens. Dort wollten die Faschisten Revanche und wurden dabei vom Westen, besonders aber von Deutschland und Österreich unterstützt und ermutigt. Mit großem Hurra wurde die Eigenständigkeit des neuen kroatischen Staates anerkannt und obwohl man wusste, dass daraus große Konflikte entstehen konnten, ließ man noch dazu die von Faschisten im Ausland hochgepushten Politiker in Zagreb die Landesgrenzen frei bestimmen. Es folgten Jahre des Krieges um Grenzziehungen zwischen Kroatien und dem verbliebenen Jugoslawien und ethnische Konflikte in der Vielvölkerrepublik Bosnien-Herzegowina, die bis heute ein westliches Protektorat ist. Unter einem Vorwand, der sich als erfunden herausstellte, bombardierte die NATO schließlich Serbien, und war stolz darauf, Fabriken, Brücken, Strom‑, Bahn- und Straßennetze zu zerstören. Es wurde damit auch eine Sezession des Kosovo von Serbien herbeigebombt, die aktuell wieder zur Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung geworden ist.
Man stelle sich vor, der serbische Präsident Aleksandar Vučić würde sagen, sein Militär werde erst ruhen, wenn jeder Quadratzentimeter serbischen Bodens zurückerobert wäre. Das käme sowohl einer Kriegserklärung an das NATO-Mitglied Kroatien gleich, das im Zuge des Krieges mehrheitlich serbisch bewohnte Gebiete annektiert und die dortige Bevölkerung vertrieben hat, vor allem aber liefe es auf die militärische Zurückeroberung des zu Serbien gehörigen Kosovo hinaus. Vučić kann das nicht tun, selbst wenn er es wollte. Die militärische Übermacht der NATO, die solches verhindern würde, gebietet das ebenso wie die Bestrebungen Belgrads, in die EU aufgenommen zu werden.
Ebenfalls aus Kanada, aber auch aus den USA kamen die Gelder, die den Putsch 2014 und schon vorherige ähnliche Bestrebungen in Kiew finanzierten. Eine hochrangige US-Politikerin, Victoria Nuland, gab später sogar offen zu, dass die Putschisten täglich in der Kiewer US-Botschaft ein- und ausgingen, und sich ihre Direktiven abholten. Eine tragende Rolle als Drahtzieher des Putsches spielte der damalige Vizepräsident und heutige Präsident der USA, Joe Biden.
Die faschistische Diaspora hatte dabei andere Ziele als die USA, die Interessen deckten sich aber darin, die ukrainische Politik so russlandfeindlich wie nur möglich zu gestalten. Es entstand eine Mischung aus vom Westen und diversen Stiftungen reicher US-Amerikaner ausgehaltenen – korrupten – Neoliberalen und faschistischen Gesinnungstätern, die eine Abrechnung mit Russland und allem, das an die sowjetische Vergangenheit erinnerte, wollten. Auch physisch mit den Personen, die das verkörperten.
Gerne nahm der Westen diese militant-faschistische Speerspitze des Putsches zu Hilfe, um die Ukraine zur Gänze in seinen Einflussbereich zu bekommen. Dass die mehrheitlich russischsprachige und russischstämmige Bevölkerung im Osten der Ukraine nicht von ukrainischen Faschisten regiert und drangsaliert werden wollte und die Putschregierung nicht anerkannte, führte zum seit 2014 andauernden Bürgerkrieg in der Ukraine, in dem der Westen kein Problem damit hatte, dass die ukrainische Armee den Donbass belagerte und terrorisierte, wahllos in Städte und Dörfer schoss und die Infrastruktur gezielt zerbombte, so dass ein normales Leben für Millionen Menschen seit acht Jahren unmöglich war. Die Zahl der Toten auf beiden Seiten wird auf 14.000 geschätzt.
Der ukrainische Präsident Selenskyj übrigens ist russischsprachig aufgewachsen, er gehörte einer Komikertruppe an, die ihre Programme in russischer Sprache aufführte und die auch ausgedehnte Tourneen durch Russland organisierte. Es ist nicht lange her, dass Kabinettssitzungen der ukrainischen Regierung in russischer Sprache abgehalten wurden, weil schlicht und einfach nicht alle ukrainisch konnten. Über den Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko wird bis heute gesagt, dass seine Ukrainisch-Kenntnisse erbärmlich sind.
Heute gehört Selenskyj zu jenen, die alles russische aus der Ukraine verbannen wollen, und für die die Helden der ukrainischen Geschichte nicht die Befreier der Roten Armee, sondern die Nazi-Kollaborateure, Juden‑, Polen- und Russenmörder vom Schlag eines Stepan Bandera sind. Die russische Sprache ist verboten, ihre Verwendung in Medien steht unter Strafe.
Selenskyj wäre ein Niemand ohne den Westen, und seine Armee wäre schon nicht mehr existent ohne westliche Waffen und westliches Geld. Der russische Präsident Putin kam dem geplanten ukrainischen Krieg gegen den Donbass und die Krim mit seinem Einmarsch zuvor. Er setzt jedoch nicht den internationalistischen Geist der Sowjetunion, die vor 100 Jahren gegründet wurde, dem ukrainischen Nationalismus entgegen, sondern großrussischen Chauvinismus. Gerade diesen hat Lenin, den Putin für die Abtretung des Donbass an die sozialistische Ukraine verantwortlich macht, vehement bekämpft. Lenin legte großen Wert darauf, dass alle Völker den neuen Staat gemeinsam gründeten, und sich nicht die anderen Völker der russischen Sowjetrepublik anschlossen.
Es stehen sich heute das ukrainisch-faschistische Nationalverständnis, das alles Russische ausmerzen will, und das russisch-imperiale Großmachtdenken gegenüber. Ersteres wird vom Westen mit Geld und Waffen versorgt, um Russland so viel Schaden wie möglich zuzufügen. Die Arbeiterklasse beider Länder stirbt auf den Schlachtfeldern, die ukrainische für den US- und Euro-Imperialismus der sich blau-gelb verkleidet und auf Faschisten setzt, die russische und kaukasische für die Mischung aus orthodox-reaktionärem Popentum und Zarennostalgie. Die positive Bezugnahme auf die Sowjetunion erfolgt nur, indem man den derzeitigen Krieg in die Tradition des Sieges der Roten Armee gegen die Hitler-Faschisten stellen will und die Größe des Landes betont. Außerdem muss auch Putin Rücksicht auf die Tatsache nehmen, dass die Menschen über 50, die noch in der Sowjetunion gelebt haben, genau wissen, dass das Leben im Sozialismus bescheidener, aber in jeder Hinsicht sicherer und glücklicher war, als im heutigen Russland. Dennoch darf nicht die Tatsache übersehen werden, dass sich Russland heute nicht (nur) im Krieg mit der Ukraine, sondern mit dem kollektiven – von den USA, die den größten Profit aus diesem Krieg schlagen, angeführten – Westen befindet, nur halt (vorläufig) beschränkt auf das Territorium der Ukraine.
Aber Russland ist nicht Jugoslawien. Es wird dem Westen mit diesem Krieg zwar gelingen, es zu schwächen, aber dass die Ukraine den Krieg „gewinnen“ und sämtliche russischen Soldaten aus dem Donbass und der Krim vertreiben kann, glauben nur schlichte Gemüter wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die sich der US-Imperialismus zur verlässlichsten europäischen Sprechpuppe abgerichtet hat. Die Reise des ukrainischen Präsidenten Selenskyj nach Washington wird wohl nicht nur den Zweck gehabt haben, den Deal über neue Waffenlieferungen zu feiern, sondern auch, ihm von US-amerikanischer Seite klarzumachen, dass seine öffentlich propagierten Kriegsziele nicht erreicht werden können, und er die ukrainische Bevölkerung langsam auf den Verlust großer Gebiete im Südosten und den dauerhaften Verbleib der Krim bei Russland vorbereiten muss. Selenskyj weiß, dass ihn das den Kopf kosten kann. Im Falle seiner Absetzung wird er gut vorgesorgt haben, er soll zu den reichsten und korruptesten Politikern des Landes zählen und hat seine Schäfchen schon ins Trockene gebracht.
Die größten Profiteure dieses Krieges sind die USA und dort vor allem der militärisch-industrielle Komplex. Auswirkungen der Sanktionspolitik gegenüber Russland sind minimal, während sie auf die europäischen Verbündeten verheerend sind. Vor kurzem haben die USA ein milliardenschweres Investitonspaket aufgelegt, das Konzerne, denen die Produktionskosten in Europa zu hoch werden, nach Übersee locken soll. Aus US-amerikanischer Sicht kann der Krieg noch lange anhalten, er darf nur nicht eskalieren. Der US-Imperialismus befindet sich derzeit in einer win-win-Situation.