Moskau/Washington. Der russische Präsident Wladimir Putin hat die NATO eindringlich davor gewarnt, der Ukraine den Einsatz weitreichender Raketen und Marschflugkörper gegen Ziele in Russland zu gestatten. Sollte dies geschehen, erklärte Putin am Donnerstag im russischen Fernsehen, wäre dies ein klarer Kriegseintritt der Staaten, die solche Waffen an die Ukraine liefern. Der russische Präsident betonte, dass die Programmierung der Zielkoordinaten solcher Raketen nicht ohne die Hilfe westlicher Spezialisten möglich sei. „Ukrainische Militärs können dies nicht tun“, so Putin. Damit würde die NATO direkt in den Konflikt eingreifen, was schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Die Warnung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem in den westlichen Hauptstädten zunehmend über eine weitere Eskalation des Ukraine-Kriegs nachgedacht wird. Am Freitag hatten US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Keir Starmer bereits über die mögliche Freigabe solcher Raketenschläge beraten. Starmer sagte auf dem Flug in die USA, dass Britannien zwar keinen direkten Konflikt mit Russland wolle, aber die Ukraine müsse sich verteidigen können, und dazu werde London weiterhin beitragen. Dies zeugt von der zunehmend aggressiven Haltung der westlichen Länder, die die Eskalation weiter vorantreiben. Es scheint, als sei der Drang, sich in den Krieg einzumischen, bei westlichen Entscheidungsträgern präsenter denn je, obwohl die direkten Konsequenzen eines solchen Schrittes für die globale Sicherheit gravierend wären.
Trotz der hitzigen Debatte wird eine unmittelbare Entscheidung über die Freigabe von Raketenangriffen auf russisches Territorium nicht erwartet. Sowohl der britische Außenminister David Lammy als auch sein US-amerikanischer Amtskollege Antony Blinken verwiesen auf die anstehende UN-Vollversammlung am 22. September in New York, die als geeigneterer Ort für diese Entscheidung gesehen wird. Der Einsatz internationaler Institutionen als Bühne für weitere Eskalationsentscheidungen zeigt jedoch, dass diplomatische Lösungen derzeit auf der Strecke bleiben.
Die Kämpfe in der Ukraine gehen jedenfalls unvermindert weiter. In der Nacht zum Freitag wurde die Hafenstadt Odessa erneut Ziel von Drohnenangriffen. Ukrainische Behörden meldeten Sachschäden an etwa 20 Gebäuden. Im Donbass setzten russische Truppen ihre Offensive fort und eroberten mehrere Dörfer südlich von Pokrowsk.
Unterdessen dürften Berichte aus der Stadt Ukrainsk nahe Pokrowsk in der Ukraine offenbar ordentlich für Verunsicherung gesorgt haben: Ein Evakuierungshelfer berichtete, dass er beim Verladen von Zivilisten auf einen russischen Soldaten traf, der ihn unbehelligt weiterfahren ließ. Diese menschliche Begegnung stellt das schwarz-weiße Narrativ vieler Kriegsberichte infrage, wonach russische Soldaten alle Zivilisten erschießen würden, die ihnen begegnen. Der Helfer postete die Frage: „Kann man diesen Soldaten als in Ordnung bezeichnen? Wohl ja.“
Quelle: junge Welt