Die steigenden Lebenshaltungskosten führen weiterhin zu finanziellen Belastungen, besonders für einkommensschwache und vulnerable Gruppen, was sich in einem Anstieg der Klientenzahlen bei der Schuldnerberatung Niederösterreich widerspiegelt. Als Reaktion setzt das Land verstärkt auf Wirtschaftsbildung, etwa durch den Finanzführerschein, um junge Menschen frühzeitig vor Überschuldung zu schützen. Ob das hilft?
St. Pölten. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten der letzten Jahre machen sich weiterhin in vielen Bereichen bemerkbar. Im Jahr 2024 wandten sich 4.110 Personen an die Schuldnerberatung Niederösterreich – ein Anstieg von 2,4 Prozent im Vergleich zu 2023.
Trotz unterschiedlicher Gegenmaßnahmen bleibt die finanzielle Belastung für viele Menschen in Niederösterreich spürbar. „Besonders einkommensschwache Haushalte und andere vulnerable Gruppen standen und stehen plötzlich vor Herausforderungen“, erklärt Michael Lackenberger, Geschäftsführer der Schuldnerberatung.
86.000 Euro im Schnitt
Im Schnitt lag die Verschuldung der Hilfesuchenden bei 86.000 Euro. Männer hatten dabei durchschnittlich höhere Schulden als Frauen. Insgesamt waren 58 Prozent der Klientinnen und Klienten männlich, 42 Prozent weiblich.
Am stärksten von Überschuldung betroffen sei die Altersgruppe der 36- bis 40-Jährigen. Die häufigsten Gründe für eine Beratung hätten laut der Schuldnerberatung Niederösterreich in Arbeitslosigkeit und Einkommensverlust gelegen, gefolgt von problematischem Konsumverhalten sowie Trennung oder Scheidung.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, setzt das Land Niederösterreich auf verstärkte Wirtschaftsbildung, wie Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) in einer Aussendung erklärte. Aus diesem Grund habe man den sogenannten Finanzführerschein eingeführt, den bereits 498 Schülerinnen und Schüler an 13 Polytechnischen Schulen erfolgreich abgeschlossen hätten.
Nur zu dumm zum Sparen?
Teschl-Hofmeister betonte, dass Wirtschaftsbildung den besten Schutz für selbstbestimmte Konsumentinnen und Konsumenten sowie für Anlegerinnen und Anleger darstelle. Sie sehe darin eine Querschnittsmaterie, die vermehrt auch in Fächern wie Mathematik, Psychologie, Geschichte oder Englisch berücksichtigt werden könne.
Bereits im September 2023 sei der Wunsch nach einer stärkeren Verankerung von Finanzbildung in den Lehrplänen in der Landesbildungsreferentenkonferenz eingebracht worden. Im Februar 2024 hat der niederösterreichische Landtag einstimmig beschlossen, die Bundesregierung dazu aufzufordern, die Wirtschafts- und Finanzbildung als fächerübergreifendes Thema weiter auszubauen oder präventive Beratungsangebote für Jugendliche zur Vermeidung von Überschuldung zu fördern.
Der verstärkte Fokus auf Wirtschaftsbildung ist grundsätzlich zu begrüßen – doch er greift zu kurz, wenn er als Hauptantwort auf zunehmende Verschuldung präsentiert wird. Es entsteht der Eindruck, als wären finanzielle Probleme vor allem das Ergebnis mangelnder Bildung oder persönlicher Fehlentscheidungen. Dabei zeigen die Daten deutlich: Die Teuerung der letzten Jahre trifft besonders jene, die ohnehin mit wenig auskommen müssen. Wer mit steigenden Mieten, Energiepreisen und Lebenshaltungskosten kämpft, braucht nicht in erster Linie einen Finanzführerschein, sondern politische Maßnahmen, die strukturelle Entlastung schaffen.
Quelle: ORF