29 Stunden und länger werden Tiere bei Hitze und Kälte auf Transportern quer durch Europa gekarrt, ohne dass sie irgendeine Versorgung erhalten. Vor dem Parlament in Wien verbrachte in der Vorwoche eine Aktivistin diese Zeit ohne Essen und Trinken in einem Kleintransporter, um auf diese Qualen der Tiere hinzuweisen.
Wien. Wer letzte Woche am Parlament vorbeikam, dem bot sich ein ungewohntes Bild. Eine Tierrechtsaktivistin saß als Kuh verkleidet in einem Mini-Transporter. Wenn man sich näher erkundigte, konnte man erfahren, dass diese Aktivistin insgesamt 29 Stunden in diesem engen Käfig verbrachte. Und das ohne Essen und Trinken. Aber wozu das Ganze? Den Anlass für diese Aktion bildete die Überarbeitung der Regelungen zu Tiertransporten auf EU-Ebene. Während es inzwischen von den meisten Menschen gefeiert wird, wenn ein Hund aus einem heißen Auto „gerettet“ wird, ist es bei Langstreckentiertransporten immer noch Usus, dass die Tiere bei bis zu 35 Grad Außentemperatur verbracht werden dürfen, was eine unerträgliche Innenraumtemperatur bedeutet. Dasselbe gilt für bittere Kälte. Doch die lebensfeindlichen Temperaturen sind nicht das einzige Problem, das bei diesen Überführungen auftauchen.
Die derzeit gültige EU-Tiertransportverordnung 1/2025 (EU-TTVO) sieht für Rinder, Schafe und Ziegen eine maximale Beförderungsdauer von 29 Stunden mit einer einstündigen Ruhe- und Versorgungspause vor. Erst dann müssen die Tiere für mindestens 24 Stunden abgeladen und versorgt werden. Anschließend dürfen sie wieder 29 Stunden transportiert werden. Dies kann sich endlos wiederholen. In der Praxis sieht es allerdings noch schlimmer aus, denn die sowieso schon exorbitant langen Transportzeiten werden noch überschritten, wobei die Tiere weder während der Fahrt, noch in der einstündigen Ruhepause versorgt werden. Dabei sind Transporte, die in weit entfernte Destinationen außerhalb Europas tagelang andauern eher die Regel, statt der Ausnahme. 2024 hat der VGT z.B. einen viertägigen Transport in die Türkei über 2.500 km aufgedeckt. Bei den transportierten Tieren handelte es sich um schwangere österreichische Kalbinnen. Zwar gilt in Österreich seit dem 01. Juli, dass entwöhnte Rinder auf Langstrecken-Transporten uneingeschränkten Zugang zu Wasser haben müssen. Aber ob das auch eingehalten wird, ist so gut wie nicht kontrollierbar.
Die EU-TTVO ist über 20 Jahre alt und entspricht schon lange nicht mehr dem Stand der Wissenschaft. Zahlreiche Skandale und Tragödien bei solchen Transporten wurden von diversen Tierschutz-Organisationen aufgedeckt. Weil Tierschutz von immer mehr Menschen als wesentlich erkannt wird, hat sich die EU-Kommission im Dezember 2023 durchgerungen, einen Vorschlag für eine neue Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport vorzulegen, welche eine Höchsttransportzeit von 21 Stunden vorsieht. Es mag niemanden verwundern, dass aus der lebensfeindlichen, sowohl Menschen als auch Tiere betreffenden rechts-konservativen Ecke zahlreiche Abänderungsanträge eingebracht wurden, die jegliche Verbesserung für die Tiere zunichte machen. Mehr noch, sie möchten die Bedingungen sogar noch mehr verschlechtern. So fordern zwei Abgeordnete der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), die Maximaltransportzeit von nicht entwöhnten Tieren von 19 auf 21 Stunden zu erhöhen. D.h. Tiere, die eigentlich noch von der Mutter gestillt werden sollten, müssten 21 Stunden ohne jegliche Versorgung auskommen. Das, obwohl aus einem Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus dem Jahr 2022 hervorgeht, dass bereits nach neun Stunden Transportzeit physiologische Veränderungen auftreten, die auf Durst zurückzuführen sind und nach zwölf Stunden solche, die durch Hunger ausgelöst werden. Grundsätzlich sollte die Beförderungszeit auf ein Minimum reduziert werden. Was den Tieren nicht zugebilligt wird, aber der Aktivistin: eine Ärztin, die laufend den Gesundheitszustand überprüft, da bereits nach wenigen Stunden Flüssigkeitsentzug Symptome von Dehydration auftreten können.
Für die Aktivistin kommt nach den 29 Stunden extremer Gefangenschaft wieder die Freiheit. Doch für die transportierten Tiere sieht es anders aus, sie müssen auf eine Verkürzung ihrer Leiden noch lange warten.
Quelle: VGT