Wien. Der Rücktritt Harald Mahrers als Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und des Wirtschaftsbundes (WB) markiert den vorläufigen Höhepunkt einer eskalierenden Debatte über die Erhöhung der Funktions„entschädigungen“ in der Wirtschaftskammer. Dass die Empörung enorm war, überrascht angesichts der politischen und wirtschaftlichen Lage kaum – doch der Skandal ist nicht so einfach, wie er derzeit dargestellt wird.
Denn so sehr Mahrers ungeschickte Kommunikation und das Bekanntwerden der Erhöhungen als Auslöser fungierte, so wenig erklärt sie die Dynamik, die seinen Rücktritt letztlich unausweichlich machte. Entscheidend ist ein anderer Punkt: Die nun skandalisierten Erhöhungen der Bezüge betreffen nicht nur Mahrer oder seine Mehrfachfunktionen – auch andere Kammerpräsidentinnen und ‑präsidenten in den Bundesländern erhielten ähnlich hohe Aufstockungen- zwischen 21 und 62 Prozent können hie rausgewiesen werden. Das zeigt: Es geht nicht ausschließlich um den Inhalt des Fehlers. Es ging darum, wer ihn machte – und zu welchem Zeitpunkt. Die Wirtschaftskammer, ihre Mitglieder und empörte ÖVP Politikerinnen und Politiker werden nicht zu Kämpferinnen und Kämpfern für mehr soziale Gerechtigkeit.
Ein Skandal, der größer ist als sein Anlass
Wenn mehrere Landespräsidentinnen und ‑präsidenten vergleichbare Entschädigungssteigerungen – wenngleich auf leicht niedigerem Ausgangniveau – erhielten, aber einzig Mahrer medial und politisch zur Zielscheibe wurde, zeigt das selektive Empörungsmanagement. Die Empörung funktioniert nicht deshalb, weil Unternehmen plötzlich zu moralischen oder sozialen Akteuren geworden wären, die hohe Funktionärsbezüge grundsätzlich ablehnen. Sie zeigt vielmehr noch etwas anderes: Die Wirtschaft ist kein homogener Block, und auch innerhalb des bürgerlichen Lagers existieren konkurrierende Kapitalfraktionen mit unterschiedlichen politischen Orientierungspunkten.
Besonders sichtbar wird dies in der ÖVP. Dort prallen zunehmend divergierende Interessen aufeinander – dies zeigt sich auch darin, dass der erste Vorstoß aus der Partei von Mickl-Leitner ausging, die schon Lange in der FPÖ ihren guten Koalitionspartner in Niederösterreich gefunden hat. Gefolgt wurde ihre Äußerungen von Stelzer, der ebenfalls eng mit FPÖ in der Koalition in Niederösterreich zusammenarbeitet. Die Affäre Mahrer hätte sich ohne bereits bestehenden Brüche in der Partei und zwischen den Kapitalfraktionen nicht zu einem solch massiven Sturm ausgeweitet.
Mahrers : Kickl „nicht regierungsfit“
Exponiert hat sich Harald Mahrer während der Koalitionsverhandlungen. Dort hat er FPÖ-Chef Herbert Kickl als „nicht regierungsfit“ bezeichnet haben – eine Position, die Teile der ÖVP teilen, die aber dennoch umkämpft ist. Wörtlich sagte Mahrer damals den Medien gegenüber: „Wer nicht konsensbereit ist und sich nur im Machtrausch befindet, der ist möglicherweise nicht regierungsfit.“
Genau solchen Aussage dürfte in manchen Kapitalfraktionen sowie in Teilen der ÖVP, die ein schwarz-blaues Projekt offen präferieren, als Affront gewirkt haben. Die Industriellenvereinigung beispielsweise hatte in den Verhandlungen klar Sympathien für eine FPÖ-Koalition signalisiert. Georg Knill, der IV-Präsident hatte sich während der Verhandlungen öffentlich für eine Koalition aus FPÖ und ÖVP ausgesprochen und dies mit den Interessen des Industriestandorts begründet. Somit stellte sich Mahrer gegen jene Fraktion, die aktuell innerhalb der ÖVP und in der Wirtschaft eben auch Einfluss hat.
In dieser Konstellation wurde der Skandal um die Gagen nicht bloß zu einer Debatte über Geld – sondern zu einer Gelegenheit, einen politisch unbequemen Funktionär zu schwächen und letztlich loszuwerden. Nicht das Mahrer soziale Interessen hätte, aber er Vertritt eben andere Kapitalinteressen als diejenigen die auf die FPÖ orientieren.
Dass die Forderungen nach Mahrers Rücktritt stündlich zunahmen, während Rückhalt aus der Partei praktisch ausblieb, deutet Verschiebungen in der innerparteilichen Machtbalance an, sie zeigen, dass Positionen weiterhin umkämpft sind. Mahrer wurde – gerade unter dem Druck schlechter Krisenkommunikation – zum perfekten Sündenbock.
Ein Fall, der politisch gewollt war
Der Rücktritt Mahrers war daher weniger das Ergebnis einer moralischen Einsicht als das Resultat eines innerparteilichen Kräfteverhältnisses. Die Affäre bot einen willkommenen Anlass, einen Funktionär zu entfernen, der in Teilen der ÖVP und in bestimmten Kapitalfraktionen ohnehin an Rückhalt verloren hatte. Unter dem Deckmantel der Empörung über Funktionärsgehälter wurde ein Konflikt ausgetragen, der in Wahrheit um politische Orientierung geht.


















































































