Neue Zahlen der Statistik Austria zeigen: Armut, Prekarität und Vereinzelung sowie schlechte Gesundheit gehen Hand in Hand.
Wien. Über ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Österreich fühlt sich zumindest zeitweise einsam, fast jede zehnte Person sogar dauerhaft. Besonders betroffen sind junge Erwachsene, Alleinlebende, Alleinerziehende, Menschen mit niedrigem Einkommen, Arbeitslose sowie Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Das zeigt die aktuelle Befragung „So geht’s uns heute“ der Statistik Austria. Was auf den ersten Blick wie ein psychologisches oder individuelles Problem erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als gesellschaftliches – und damit als politisches – Problem ersten Ranges.
Denn die Daten sprechen eine klare Sprache: Einsamkeit ist ungleich verteilt. Während in Haushalten mit gesichertem Einkommen nur sechs Prozent angeben, sich „immer oder meistens“ einsam zu fühlen, steigt dieser Anteil in Haushalten mit massiven finanziellen Einschränkungen auf alarmierende 35 Prozent. Einsamkeit folgt damit denselben Linien wie Armut, Ausbeutung und soziale Unsicherheit. Sie ist kein Zufall, sondern Ergebnis der sozialen Verhältnisse.
Besonders junge Erwachsene zwischen 18 und 34 Jahren sind überdurchschnittlich betroffen. In einer Lebensphase, die oft romantisierend als Zeit der Freiheit und Selbstverwirklichung dargestellt wird, erleben viele in Wahrheit prekäre Arbeitsverhältnisse, Wohnungsnot, Zukunftsangst und Vereinzelung. Befristete Jobs, erzwungene Mobilität, Konkurrenzdruck und die Zerstörung kollektiver Räume verhindern stabile soziale Beziehungen. Der Kapitalismus verspricht Individualität – und produziert Isolation.
Noch deutlicher wird der Klassencharakter der Einsamkeit bei Alleinlebenden, Alleinerziehenden und arbeitslosen Haushalten. Wer alleine wohnt, wer Kinder ohne ausreichende gesellschaftliche Unterstützung großzieht oder wer aus dem Arbeitsprozess gedrängt wird, ist nicht nur materiell schlechter gestellt, sondern auch sozial. Der Rückzug des Sozialstaats, der Abbau öffentlicher Infrastruktur und die Privatisierung von Sorgearbeit führen dazu, dass soziale Beziehungen zunehmend privatisiert und ökonomisiert werden. Wer sie sich nicht leisten kann, bleibt allein.
Dass Einsamkeit krank macht, ist wissenschaftlich gut belegt – und wird auch in der aktuellen Erhebung bestätigt. Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen sind deutlich häufiger betroffen, zugleich verschärft Einsamkeit bestehende Krankheiten. Hier zeigt sich ein Teufelskreis: Soziale Ausgrenzung macht krank, Krankheit isoliert weiter. Anstatt diesen Zusammenhang politisch zu bekämpfen, wird er oft individualisiert – mit Appellen an „Resilienz“, „Selbstfürsorge“ oder Therapie, die wiederum vom Geldbörsel abhängt.
Die vierteljährliche Erhebung der Statistik Austria hat laut eigener Aussage das Ziel, „die sozialen Folgen aktueller Krisenentwicklungen frühzeitig zu erkennen“. Doch Erkennen allein reicht nicht. Die Zahlen bestätigen, was aus marxistischer Perspektive seit langem klar ist: Eine Gesellschaft, die auf Konkurrenz, Profitmaximierung und Vereinzelung basiert, zerstört soziale Beziehungen und ihr Fundament.
Wohnungsnot, an Armut, an die systematische Abwertung von Repoduktionsarbeit und der Rückzug des Staates aus seiner sozialen Verantwortung, der Vorrang von Profitmaximierung, all das schadet dem Menschen und der Natur. Einsamkeit ist politisch. Sie verschwindet nicht durch Achtsamkeitskurse, sondern durch Solidarität – organisiert, kollektiv und gegen ein System, das Menschen vereinzelt, um sie besser auszubeuten.
Quelle: OÖ Nachrichten





















































































