HomeFeuilletonDer eitle "Grabredner" für die Eurolinke aus Wien

Der eitle „Grabredner“ für die Eurolinke aus Wien

Ein Artikel unseres Gastautors Gerhard Oberkofler über den neuen Präsidenten der Europäischen Linkspartei, Walter Baier, aus dem Jahr 2015 mit einem aktuellen Vorwort des stellvertretenden PdA-Vorsitzenden Otto Bruckner.

Im Juni 2015 veröffentlichte unser Gastautor Prof. Dr. Gerhard Oberkofler in der deutschen Monatszeitschrift „Rotfuchs“ einen Artikel über einen, der sein gesamtes Berufsleben im Parteiapparat verbracht hatte. Der Übertitel lautete: „Der einstige KPÖ-Vorsitzende Walter Baier posiert jetzt als ‚Transformer‘ “. Baier wurde damals mit einem eigenen Büro in der ehemaligen Bezirksleitung der KPÖ und dem früheren Sitz des „Kommunistischen Kulturkreises“ in der Wiener Gußhausstraße ausgestattet und durfte von dort aus das von der EU gesponserte Netzwerk „Transform! Europe“ leiten. Anfang Dezember 2022 machte Baier eine Karrieresprung in der EU-konformen „Europäischen Linkspartei“ und wurde zu deren Präsidenten gewählt. Angesichts von Namen wie Fausto Bertinotti, Gregor Gysi oder des erloschenen Sterns der Eurolinken, Alexis Tsipras, die diese Funktion in besseren Zeiten ausfüllten, verkörpert die Wahl Baiers auch den Bedeutungsverlust der EL. Außer der in heftige Flügelkämpfe verstrickten deutschen „Linke“ gibt es keine bedeutenderen Parteien mehr in der EL.

In der KPÖ hatte der Beitritt zur „Europäischen Linkspartei“ 2004 im Vorfeld zu heftigen Kontroversen geführt. Die Abstimmung auf einer eigens einberufenen Parteikonferenz ging nur sehr knapp für den Beitritt aus. Den Kommunistinnen und Kommunisten in der KPÖ war damals bereits klar, dass dieses EU-finanzierte Gebilde jede Radikalopposition gegen die EU in den beteiligten Parteien beseitigen helfen soll. Der damalige Vorsitzende der KPÖ-Steiermark, Franz Stephan Parteder, dessen Landesorganisation geschlossen gegen den Beitritt zur EL war, sagte, die „Europäische Linkspartei“ sei dazu da, den „Kommunistischen Parteien das kommunistische auszutreiben“. Manchen, wie der Rifondazione Communista in Italien, hat sie sogar die Existenz gekostet. Was Baier immer schon gut konnte, wird auch in Oberkoflers Artikel gut herausgearbeitet: Blumige Worte (bei Bedarf pathetische, drohende oder anklagende) für wenig Inhalt finden und sein Fähnchen in den Wind hängen. Jetzt darf er auch noch einen „Präsidenten“ geben, was seine pfauenhafte Eitelkeit sicher noch steigern wird. Er wird vielleicht der „Grabredner“ für die Europäische Linkspartei sein, denn Betroffenheit kann er auch gut, und so, wie er als deren Vorsitzender den Niedergang der Bundes-KPÖ beschleunigt hat, wird er es sicher auch bei der EL tun. Aber jetzt zum Artikel aus dem Rotfuchs vom Juni 2015:

Der einstige KPÖ-Vorsitzende Walter Baier
posiert jetzt als „Transformer“

Linker Aufbruch in Wien?

Prof. Dr. Gerhard Oberkofler

Der 61-jährige Walter Baier wurde in seinen Studententagen aufgrund als intellektuell angebotener Rhetorikgesten in die mit diversem Konfekt verwöhnten Nachwuchskader der Wiener KPÖ aufgenommen. 23jährig übernahm er den Vorsitz des Kommunistischen Studentenverbandes und wurde Mitglied des Zentralkomitees der KPÖ. 

Als deren 1994 gewählter Vorsitzender hat Baier diese einst revolutionäre österreichische Partei mit Hilfe eines ihm ergebenen hauptamtlichen Apparats nicht den Notwendigkeiten der historischen Entwicklung angepaßt, sondern mehr oder weniger zu einer kleinbürgerlichen Wiener Grätzl- und Wahlpartei abgewickelt. Eine parteiinterne Opposition gegen die vom Finanzreferenten Michael Graber freihändig gesponserte Baier-Clique konnte sich auf dem 31. Parteitag (Dezember 2000) nicht durchsetzen. 2004 wurde Baier auf dem 33. Parteitag der KPÖ zum vierten Mal deren Vorsitzender. 2006 trat er zwar zurück, blieb aber vorsichtshalber weiter im Bundesvorstand der Partei. In den über vierzig Jahren seiner Parteizugehörigkeit verkörperte er den Absturz der KPÖ.

2001 ist das Netzwerk „Transform! Europe“ mit Filialen in 18 europäischen Ländern unter Beteiligung Baiers entstanden. Dessen erklärtes Ziel ist es, „eine neue gemeinsame politische Kultur der europäischen Linken“ zu schaffen. Was aber heißt das in einer mörderischen Welt, wo der Graben zwischen Reichen und Armen immer größer wird?

Auf dem Weltsozialforum in Dakar (2011) hat sich Baier im Namen von „Transform! Europe“ zu Wort gemeldet: „Wir brauchen eine neue Ethik, eine neue Moral. Im Dialog müssen wir uns auf das Leben besinnen. Niemand hat die Autorität, seine Ideen durchzusetzen, niemand darf die Richtung diktieren. Wir müssen den Dialog festigen, die Kräfte vereinen, um die Ethik zu ändern. Und dann geht es damit in die Politik, wirtschaftliche Gesetze müssen dahin gehend geändert werden … Wir brauchen die Liebe, um fähig zur Politik zu sein. Es genügt nicht, sich in den politischen Mechanismen auszukennen (…). Hingabe ist verlangt. Ohne die Liebe wird keine Strukturveränderung etwas nützen. Nennen wir sie wie wir wollen: Geschwisterlichkeit, Liebe, Solidarität.“

Mit solchen süßlich-unverbindlichen Formulierungen, die Ausdruck einer wissenschaftlich nicht begründbaren Weltanschauung sind, werden sich auch die Profiteure der Unterdrückung einverstanden erklären können. Schon der Nazi-Propagandachef Josef Goebbels betonte: „Wir haben nicht die Absicht, unsere Weltanschauung wissenschaftlich zu begründen, sondern ihre Lehre zu verwirklichen.“

Was ist für einen Mann wie Dr. Baier, der sich für einen Linken hält, der ideologische Hintergrund solchen Gefasels?

Dieser „linke Transformer“ bewegt sich, was den deutschen Lesern so nicht bekannt sein dürfte, seit vielen Jahren in der rechtskatholischen und antikommunistischen Fokolare-Bewegung. Diese bietet als ihren gemeinsamen Nenner den „Einsatz für die Einheit: in der Familie, im sozio-kulturellen, politischen sowie wirtschaftlichen Bereich, zwischen Armen und Reichen ebenso wie zwischen Völkern“ an. Das mag vielleicht noch irgendwie mit spätbürgerlicher Ethik in Einklang zu bringen sein, bedeutet aber real Verschleierung und Zementierung der Ursachen der in unserer gegenwärtigen Welt herrschenden Unmenschlichkeit, bedeutet die Macht der Profiteure des Elends ideologisch zu festigen, bedeutet Würdelosigkeit ganzer Völker und deren Elend hinzunehmen.

Die Welt menschlich zu gestalten bedarf der Erkenntnis und des revolutionären Handelns.

Ins Leben gerufen wurde die seit 1962 als Zusammenschluß antikommunistischer Laien von der Kirche anerkannte Fokolarbewegung durch die Italienerin Silvia Lubich (1920–2008). Sie schrieb bezeichnenderweise das Vorwort zu einem Sprüchebüchlein der durch die „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe“ bekanntgewordenen Galionsfigur des klerikalen Antikommunismus Werenfried van Straaten (1913–2003).

Baier hat sich mit Hilfe des früheren KPÖ-Parteivorsitzenden Franz Muhri (1924–2001) zur Entourage dieser jetzt im Jenseits auf ihre Seligsprechung wartenden römisch-katholischen Kirchenfrau gesellt. Als „Fokolarist h. c.“ ignoriert Baier das wissenschaftlich-theologische und praktisch-revolutionäre Engagement der Befreiungstheologie. Die Geschichte der Klassenkämpfe ist ihm in seinem Buch nur mehr eine „Erzählung“, die er mit antikommunistischen Vokabeln ziert.

Wegen seiner zur weltanschaulichen Destabilisierung der europäischen Linken verwendbaren Rolle hat die Fokolarebewegung Baier Ende Oktober 2011 Papst Benedikt XVI. vorgestellt. Baier sollte als Person dadurch angehoben werden.

Die Tatsache, daß dieser deutsche Papst 498 spanische Geistliche, die als Seelsorger der Franco-Faschisten im Spanienkrieg umgekommen sind, im Jahr 2007 seliggesprochen hat, bleibt in Baiers Buch unerwähnt.

Fokolare unterhält beim Vatikan eine eigene Residenz und hat im September 2014 die Audienz von Alexis Tsipras und Baier bei Papst Franziskus arrangiert. Es sei dies, so Baier, der Empfang von zwei Vertretern der „radikalen Linken“ Europas gewesen. Diese Selbstbewertung des einstigen KPÖ-Vorsitzenden vermag sein Überlaufen von einer ehemals revolutionären Partei zu einer als links angebotenen Partei der Herrschaftsideologie nicht zu tarnen.

Karl Marx hat analysiert, wie in der kapitalistischen Gesellschaft eine neue Sorte von Parasiten in Gestalt von Projektemachern, Gründern und bloß nominellen Direktoren heranwächst und „ein ganzes System des Schwindels und Betrugs“ entstehen läßt. Diese Analyse bezieht er auf den Aktienhandel; sie schließt aber auch den Handel mit massenmanipulativen Meinungen ein. Baiers Buch, dessen pseudowissenschaftliche Details nicht erwähnenswert sind, ist für das Denken und Wirken „linker“ Glücksritter im System des europäischen Imperialismus charakteristisch. Die Bourgeoisie allein ist heute nicht mehr dazu in der Lage, die Gesellschaft zu lenken. Sie bedarf solcher liebedienerischen linken Organisationen wie „Transform!“, um revolutionäre Kämpfe gar nicht erst aufkommen zu lassen und Unmutsäußerungen in die gesetzlichen Bahnen der bürgerlich-demokratischen Diktatur zu lenken.

Unser Autor ist Historiker, gehörte zum Beirat der durch den marxistisch-leninistischen Philosophen Prof. Dr. Hans Heinz Holz herausgegebenen Zeitschrift „Topos“ und war bis 2014 Vizepräsident der Alfred-Klahr-Gesellschaft.

(Aus „Rotfuchs“ 209, Juni 2015)

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