Vor einhundert Jahren fand in der westungarischen Stadt Sopron/Ödenburg eine Volksabstimmung statt, bei der es um die zukünftige Staatszugehörigkeit ging. Drei Viertel der Wahlberechtigten entschieden sich für einen Verbleib bei Ungarn.
Sopron/Ödenburg. Vor einhundert Jahren fand in der westungarischen Stadt Sopron, zu deutsch Ödenburg, eine Volksabstimmung mit bleibenden historischen Folgen statt. Nachdem das Burgenland – oder damals noch Deutsch-Westungarn einschließlich der Stadt Ödenburg- im Zuge des Friedensvertrags von Saint Germain im Jahr 1919 der Republik Deutsch-Österreich zugesprochen wurde, begann die Auseinandersetzung um diesen Landstrich erst so richtig heftig zu werden.
Die Abtrennung von Ungarn wurde just einen Monat nach Niederschlagung der Ungarischen Räterepublik im September 1919 beschlossen, worin manche historische Quellen auch eine Bestrafung Ungarns für dieses „Rätedemokratische Experiment“ sahen.
Von der ungarischen Regierung und adeligen Großgrundbesitzern wurden sogenannte Freischärler finanziert, die Widerstand gegen die praktische Durchführung der Angliederung an Österreich leisten sollten. In Kämpfen mit der österreichischen Gendarmerie waren auf beiden Seiten Todesopfer zu verzeichnen. Schließlich wurde von den ungarischen Freischärlern am 4. Oktober 1921 in Oberwart/Felsöör die Republik Leitha-Banat (ungarisch Lajtabánság) ausgerufen. Das Ziel war der Verbleib des Burgenlandes bei Ungarn nach einer landesweiten Volksabstimmung.
Diese Republik war recht kurzlebig, denn schon neun Tage später verpflichtete sich die ungarische Regierung mit den Venediger Protokollen, die auf Vermittlung Italiens zustande gekommen waren, das Burgenland an Österreich zu übergeben, und für die Einstellung der Kampfhandlungen zu sorgen. Umgekehrt stimmte Österreich der Abhaltung einer Volksabstimmung in Sopron/Ödenburg und einigen umliegenden Gemeinden über die weitere Staatszugehörigkeit zu.
Volksabstimmung in Sopron
Schließlich wurde diese Volksabstimmung am 14. Dezember 1921 durchgeführt. Nach den offiziellen Ergebnissen votierten in der Stadt Sopron 72,8 der Wahlberechtigten für einen Verbleib bei Ungarn, und das, obwohl eine Mehrheit der Einwohnerschaft deutsch als Muttersprache angab. Einschließlich der Umlandgemeinden waren es mehr als 65 Prozent. Von österreichischer Seite wurde das Ergebnis stets und bis in die Gegenwart angezweifelt. Es wurde berichtet, dass Menschen aus Innerungarn angekarrt und zu Stimmberechtigten gemacht, und umgekehrt Bürger Soprons aus den Wahllisten gestrichen wurden. Da das Ergebnis aber so deutlich ausfiel, werden die der ungarischen Seite vorgeworfenen Manipulationen nicht so gewichtig ausgefallen sein, dass die Annulierung am Ergebnis etwas geändert hätten.
Die Volksabstimmung führte auf jeden Fall dazu, dass das neue österreichische Bundesland Burgenland plötzlich ohne Hauptstadt dastand, wobei noch erwähnt werden muss, dass Sopron überhaupt die einzige Stadt im Burgenland war, die diese Bezeichnung auch wirklich verdient, denn sonst existierten nur Marktflecken mit einigen Tausend Einwohnern.
Wegen des Ergebnisses der Volksabstimmung wurde der Stadt Sopron vom ungarischen Staat der Titel Civitas Fidelissima („die treueste Stadt“) verliehen.
De facto wurde anschließend die Bezirkshauptstadt Eisenstadt zur Landeshauptstadt des Burgenlandes, in der Landesverfassung ist sie es erst seit 1981.