Song Contest-Sieger JJ steht zu seiner Kritik an der israelischen Regierung und am Gazakrieg, bekommt aber vom ORF einen Maulkorb zu diesem Thema. Ein bissel retro, aber sowieso wirkungslos.
Wien. An sich alles super: Österreich – bzw. eigentlich der ORF – gewinnt am vergangenen Samstag den Eurovision Song Contest (ESC) in Basel, durchaus verdient, mit einer großartigen Nummer. Konkret siegt der 24-jährige Countertenor Johannes Pietsch als “JJ” mit dem Titel “Wasted Love” vor dem israelischen und dem estnischen Beitrag. Der junge Mann passt ins Konzept – multikulturell, mehrsprachig, queer, sympathisch, trotz massivem Talent stets bescheiden. Diskutiert wird lediglich darüber, ob der nächste ESC nicht vielleicht am Welser Messegelände statt in der Wiener Stadt- oder Innsbrucker Olympiahalle stattfinden soll.
Doch JJs obligatorische Medientour nach dem Triumph führt zu einem unerwünschten Nebenergebnis. Gegenüber der spanischen Zeitung “El País” erklärt er, es sei “sehr enttäuschend, dass Israel noch am Wettbewerb teilnimmt.” Für den ESC in Österreich 2026 wünsche er sich einen Ausschluss Israels. Mit dieser Forderung ist JJ keineswegs alleine – ebenso sehen es der Schweizer Vorjahressieger Nemo sowie ein offener Brief von 70 ehemaligen ESC-Teilnehmern. Der mörderische Vernichtungskrieg, den die israelische Armee im Gazastreifen führt, der regelrechte Genozid, dessen Versuch unternommen wird, sind längst nicht mehr hinzunehmen. Das haben zuletzt schon prominentere Personen wie Heinz Fischer und Elfriede Jelinek thematisiert, nachdem in Österreich bislang bedingungslose Kollaboration mit Israel verlangt wurde. Doch den Menschen reicht es – sie wollen keine Völker- und Menschenrechtsverbrechen akzeptieren oder gar unterstützen.
Und so geriet auch das geschichtsfälschende Narrativ des ORF in Gefahr, wonach Israel ja nur aufgrund des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober 2023 nun gezwungen war, über 50.000 Palästinenserinnen und Palästinenser zu massakrieren und ganz Gaza in Schutt und Asche zu legen. Dass es eine Vorgeschichte jahrzehntelanger Besatzung palästinensischer Gebiete durch Israel, dass es Landraub, Siedlerkolonialismus, Apartheid, polizeiliche Willkür und gezielte Tötungen gab und gibt – das wird ausgeblendet. Wenn Israel fremdes Land okkupiert und annektiert, einer ethnischen Säuberung unterzieht, Massenmord verübt, dann ist das egal. Die dürfen das. Wegen dem Holocaust. Und Österreich muss das rechtfertigen. Wegen dem Holocaust.
Diese absurde Logik gilt – und mit geballter intellektueller Inkompetenz, journalistischer Unzulänglichkeit, historischer Ahnungslosigkeit und politischer Ignoranz serviert uns der ORF das alles als einzig gültige Wahrheit, damit niemand auf die Idee kommen könnte, dass man eigentlich ganz einfach immer auf der Seite der Unterdrückten stehen sollte – in diesem Fall auf jener des palästinensischen Volkes; und nicht auf der Seite der Täter, egal, welcher Konfession diese angehören. Jetzt aber kommt der blöde JJ daher und macht das kaputt. Sehr ärgerlich für die vorgeschriebene Meinung! Der soll überhaupt keine Meinung haben und die Schnauze halten, wenn er nicht gerade singt.
Daher zwang der ORF JJ bereits zu einer Klarstellung: “Es tut mir leid, falls meine Worte missverstanden wurden. Obwohl ich die israelische Regierung kritisiere, veruteile ich jegliche Form von Gewalt gegen Zivilisten überall auf der Welt – sei es gegen Israelis oder Palästinenser”. Na, immerhin. Und versprechen musste er: “Zu diesem Thema werde ich mich nicht weiter äußern.” Also ein Maulkorb. So viel zur Meinungsfreiheit. In diesem Kontext versichert der ORF auch schnell: “JJs Aussagen geben seine Privatmeinung wieder und stehen in keinem Zusammenhang mit dem ORF.” Aha. Eh, der ORF kritisiert die israelische Regierung ja nicht – das wissen wir. Und er ist offenbar nicht gegen jede Form von Gewalt, oder wie? Nun gut, der Super-GAU wurde recht wackelig eingedämmt.
Trotzdem wird die Botschaft am Küniglberg angekommen sein. Kluge Menschen wie JJ lassen sich von israelischer Propaganda und österreichischen Meinungsvorgaben nicht beeindrucken. Sie können selber denken und selber sehen, was in Palästina passiert. Die Herrschenden, ihre Politiklakaien und die medialen PR-Roboter werden noch zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Menschen nicht für immer belügen und betrügen lassen werden. Sie können gut und böse sehr wohl unterscheiden. Sie mit Unwahrheiten, Verboten, Diffamierungen und Drohungen zum Schweigen zu bringen, wird sich als verschwendete “Liebesmühe” der Herrschenden erweisen.
Quelle: OÖ Nachrichten