Beirut. Am vergangenen Samstag verstarb in Beirut einer der kompromisslosesten Künstler der arabischen Welt: Ziad Rahbani. Der Komponist, Dramatiker, Satiriker und bekennende Marxist wurde 69 Jahre alt. Was mit stiller Trauer begann, verwandelte sich rasch in lauten Nachhall: In Beiruts Straßen hallten seine Melodien aus Radios, Bars und geöffneten Fenstern – als wolle die Stadt selbst bezeugen, dass Ziad nie wirklich schweigen kann.
Als Sohn der libanesischen Ikonen Fairuz und Assi Rahbani wuchs Ziad inmitten musikalischer Größe auf – und entschied sich dennoch für den Widerstand. Gegen Erwartungen, gegen Schönfärberei, gegen ein Libanonbild, das sich allzu oft in Nostalgie flüchtete. Er war der radikale Erbe einer legendären Künstlerdynastie – nicht im Sinne des Fortführens, sondern des Brechens.
Ziad Rahbanis künstlerische Handschrift war unverkennbar: Jazzakkorde, pointierte Satire, messerscharfe Dialoge und eine unbestechliche Beobachtungsgabe prägten seine Werke. Bereits mit zwölf Jahren veröffentlichte er seinen ersten Text. Es folgte ein beeindruckendes Werk aus Theaterstücken, Musik, Radio-Features und Zeitungskolumnen – darunter Meilensteine wie Bil Nisbi la Bokra Shou? (1978), Film Ameriki Tawil (1980) oder Shi Feshil (1983). Sie alle verbanden gesellschaftliche Kritik mit sprachlicher Eleganz und einem Humor, der nie gefällig war, sondern provozieren wollte.
Politisch positionierte sich Rahbani früh – und klar. Als überzeugter Kommunist stand er aufseiten der Entrechteten, unterstützte die palästinensische Sache und verließ im Zuge des libanesischen Bürgerkriegs die wohlhabenden christlichen Viertel Beiruts, um sich in muslimischen Gegenden niederzulassen. Sein Lied Ana Mish Kafir (Ich bin kein Ungläubiger) wurde zur poetischen Anklage gegen soziale Heuchelei – Hunger, Krankheit und Armut bezeichnete er als die wahren Gottlosigkeiten.
Rahbani war nie neutral. Und genau darin lag seine Bedeutung. In einer Region, in der Kunst allzu oft von Rücksicht geprägt ist, bestand er auf Klarheit. Mit seiner Musik, seinen Stücken, seinen Kommentaren forderte er ein – Haltung, Empathie, politisches Bewusstsein. Seine Bühnenfiguren trugen keine Masken; sie schwiegen nicht, wo es zu sprechen galt. Sie standen für ein Libanon, das zwar verletzt war, aber nicht verlogen.
Trotz – oder gerade wegen – seiner scharfen Gesellschaftskritik blieb Rahbani stets eine zentrale Figur im kulturellen Gedächtnis des Landes. Seine Werke leben weiter – auf Bühnen, in Wohnzimmern, auf Protestplätzen. Und seine Lieder, wie Shu Hal Ayyam, wirken heute aktueller denn je. “Solche Zeiten haben wir erreicht,” heißt es darin, “man sagt, die Reichen geben den Armen – als ob das Geld von selbst zu ihnen ginge.”
Am Montag wurde Ziad Rahbani in seinem Heimatort Bikfaya beigesetzt. An der Seite seiner Mutter Fairuz, die in der Kirche in stiller Trauer neben dem Sarg saß, erklang eines ihrer Osterlieder: Ana al-Oum al-Hazina – „Ich bin die traurige Mutter“. In Beiruts Bar Abu Elie stimmten Gäste zur selben Zeit Bil Nisbi la Bokra Shou? an, Zeile für Zeile. „Er wird jedes Mal neu geboren“, sagte ein Besucher, „wenn jemand seine Musik entdeckt.“
Ziad Rahbani wollte kein Idol sein. Er wollte Denkprozesse auslösen. Gefühle provozieren. Der allgegenwärtigen Gleichgültigkeit entgegentreten. Nun ist er fort – doch der Klang Beiruts trägt weiterhin seine Melodie. Unbequem, ehrlich, unvergessen.
Quelle: Al Mayadeen English/Palestine Chronicle