Die selbsternannte, ultrarechte Präsidentin Jeanine Áñez hat kaum Chancen im kommenden Urnengang. Die ursprünglich für Mai vorgesehene Wahl soll nun trotz heftigem Widerstand Áñez‘ und der sie stützenden Militärs am 6. September stattfinden.
Bolivien/La Paz. Nach mittlerweile widerlegten Vorwürfen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Evo Morales habe die Präsidentschaftswahlen im Oktober 2019 gefälscht, putschte sich im November ein marktliberales Regime unter Jeanine Áñez an die Macht. Die von Washington, Brüssel und Moskau als Präsidentin anerkannte Áñez kündigte damals an, nur bis zu zeitnah stattfindenden Neuwahlen im Amt bleiben zu wollen.
Doch dann fand die Putsch-Präsidentin Gefallen an ihrem Posten; sie möchte nun bei den kommenden Präsidentschaftswahlen doch selbst kandidieren. Dabei stehen ihre Umfragewerte schlecht; sie käme im ersten Wahlgang vermutlich hinter Luis Arce von der „Bewegung für Sozialismus“ (MAS), der auch Morales angehört, und Carlos Mesa von der „Revolutionären Linksfront“ (FRI) und damit nicht einmal in die Stichwahlen.
Gentechnik, Unterdrückung, religiöser Fundamentalismus
Das Regime verzögerte die Wahlen massiv. Nicht einmal ein September-Termin sei aufgrund der Covid-19-Epidemie durchführbar, erklärte die „Präsidentin“ dem MAS-dominierten Senat. Dieser sprach sich nun für den 6. September als Datum für Präsidentschaftswahlen aus. Die Bauernvereinigung SFTC kündigte aufgrund der ausstehenden Wahlen umfassende Aktionen gegen das Regime an. In den letzten Wochen häuften sich Proteste gegen Áñez, die unter anderem verkürzte Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Lebensmittel durchgepeitscht und harte Strafen gegen „Desinformation“ eingeführt hatte. Áñez wird wesentlich von fundamentalistischen Evangelikalen und rechtsradikalen Militärs gestützt.