Ein enger Vertrauter und Geschäftspartner des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj steht im Zentrum von Korruptionsermittlungen und hat die Ukraine fluchtartig verlassen. Beim staatlichen Energiekonzern Energoatom soll unter seiner Leitung ein Schmiergeldsystem eingerichtet worden sein, das Lieferanten zur Zahlung von Schmiergeldern verpflichtete.
Kiew. Am Montag fanden in der Ukraine großangelegte Razzien der spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft SAPO und deren Ermittlungsbehörde NABU statt. Ermittelt wird gegen eine Gruppe von Personen, angeführt von einem bekannten Geschäftsmann, der in den Fallunterlagen als Carlson aufgeführt ist (laut Medienberichten handelt es sich um den engsten Vertrauten von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Timur Mindich). Es wird ihnen vorgeworfen, ein System von Schmiergeldern von den Auftragnehmern des staatlichen Energiekonzerns Energoatom geschaffen zu haben, indem von diesen 10–15 Prozent des Vertragswerts erpresst wurden. Außerdem hat diese Gruppe laut NABU mehr als 100 Millionen Dollar „gewaschen“. Die Behörden veröffentlichten Bilder von riesigen Mengen an Bargeld, das bei den Razzien sichergestellt wurde.
Nach ukrainischen Medienberichten verließ Mindich in der Nacht auf Montag einige Stunden vor den Durchsuchungen dringend die Ukraine. Auch Michail und Alexander Tsukerman verließen überstürzt das Land, wie der Abgeordnete der Holos-Fraktion in der Rada, Jaroslaw Schelesnjak sagte. Ihm zufolge führten die Brüder den „finanziellen Teil“ von Mindich und sind auch Gegenstand von Ermittlungen des US-amerikanischen FBI, das seit Trumps Amtsantritt die Veruntreuung US-amerikanischer Hilfsgelder in der Ukraine untersucht.
Durchsuchungen auch bei Selenskyjs Justizminister
Darüber hinaus teilte Schelesnjak mit, dass die Detektive des NABU am Morgen Durchsuchungen in der Wohnung des amtierenden Justizministers, des ehemaligen Energieministers Herman Haluschtschenko, durchgeführt habe. Der Abgeordnete fügte hinzu, dass „das noch nicht alles ist“: Auch in Energoatom finden Durchsuchungen statt (Haluschtschenko und das Management von Energoatom gelten als Timur Mindich nahestehend).
Besonders unangenehm sind diese Ermittlungen für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, da Mindich seit Jahrzehnten als sein engster Vertrauter und Geschäftspartner gilt, der über gemeinsame Firmengeflechte wie Selenskyjs Kabaretttruppe „Kvartal 95“ mit dem Präsidenten finanziell verbunden ist. Nicht zuletzt deshalb hatte Selenskyj im Sommer versucht, die speziellen Antikorruptionsbehörden unter sein Kuratell zu stellen, indem er sie per Parlamentsbeschluss dem von ihm ernannten Generalstaatsanwalt unterstellen wollte. Er rechnete offenbar nicht mit den daraufhin ausbrechenden Protesten seiner Gönner in den EU-Staaten, weshalb der Beschluss der Rada rasch wieder rückgängig gemacht wurde. Der Krieg gegen die Antikorruptionsbehörden ging aber weiter. So wurde einer der wichtigsten Ermittler im Fall Mindich unter fadenscheinigen Argumenten vom dem Präsidenten unterstellten Geheimdienst SBU verhaftet.
Selenskyj schreit „Haltet den Dieb!“
Die Antikorruptionsstrukturen und NGOs wurden ursprünglich von den USA unter der Biden-Administration aufgebaut und finanziert. Nach Trumps Wahlsieg und der Abschaffung der USAID-Finanzierungsmaschinerie hingen diese Strukturen des Westens plötzlich in der Luft, wurden aber von den EU-Staaten finanziell und politisch aufgefangen. Auch im jüngsten Bericht der EU-Kommission über den Stand der Fortschritte der Ukraine im EU-Beitrittsprozess wird auf die Dringlichkeit der Korruptionsbekämpfung hingewiesen.
Selenskyj agiert jetzt nach der Methode „Haltet den Dieb!“. Er fordert volle Aufklärung und hofft damit wohl, ungeschoren davonzukommen. NABU gibt an, über 1.000 Stunden Abhörprotokolle in diesem Fall zu verfügen, und die kritischeren Medien gehen nach Insiderinformationen davon aus, dass auch Selenskyjs Stimme in den Aufzeichnungen vorkommt.
Der Korruptionsskandal ist in der Ukraine nur einer von vielen, aber das spezielle daran ist die Nähe des Präsidenten zu den Dieben des Volksvermögens. Vielleicht arbeiten die westlichen Strukturen daran, den störrischen Präsidenten der Ukraine über diesen Weg elegant loswerden zu können.
Quellen: Strana/Suspilne/Ukrainska Prawda
















































































