Warschau. Am 1. Juni steht Polen vor der entscheidenden zweiten Runde der Präsidentschaftswahl – und zur Wahl stehen zwei Gesichter derselben Katastrophe. Mit dem liberal-konservativen „pro-europäischen“ Rafał Trzaskowski, Oberbürgermeister von Warschau, und dem offen nationalistischen Karol Nawrocki (PiS) duellieren sich zwei Kandidaten, deren Unterschiede mehr stilistischer als grundsätzlicher politischer Natur sind. Während Trzaskowski sich als „pro-europäisch“ verkauft und auf stabile Zusammenarbeit mit der Regierung von Donald Tusk setzt, inszeniert sich Nawrocki als Garant des „Gleichgewichts der Kräfte“ – sprich: als Bremsklotz für jede noch so moderate sozialliberale Reform.
Was auf den ersten Blick wie ein klassisches Duell zwischen liberal und rechtsnational erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Schulterschluss der politischen Eliten. In den entscheidenden Fragen – wie der Aufrüstung, der Abschottung gegenüber Geflüchteten und der Verteidigung kapitalistischer Eigentumsverhältnisse – herrscht Einigkeit. Beide Kandidaten stehen hinter der Aufrüstung, Polen gibt bereits jetzt 4,2 Prozent des BIPs für die Rüstung aus, Tendenz steigend. Beide überbieten sich in migrationsfeindlicher Rhetorik. Beide streben eine Polenpolitik im Interesse der NATO und der heimischen Bourgeoisie an.
Im ersten Wahlgang zeichnete sich ein deutlicher Rechtsruck ab: Über 21 Prozent der Stimmen gingen an zwei offen rechtsextreme Kandidaten – Slavomir Menzen (Konföderation) und Grzegorz Michał Braun. Ihre Stimmen werden nun zur Beute in einem politischen Wettlauf nach rechts. Menzen lädt Trzaskowski und Nawrocki zu einer YouTube-Debatte ein. Er würde dann schriftliche Zusicherungen für eine reaktionäre Agenda einfordern: keine Steuererhöhungen, keine Truppen in die Ukraine, keine Machtverlagerung an die EU und keine Einschränkungen für den Waffenbesitz. Braun fordert den Stopp der „Ukrainisierung“ des Landes – ein zynischer Angriff auf Geflüchtete, der klar ins völkisch-nationalistische Lager gehört.
Beide Präsidentschaftskandidaten zeigen sich offen für die rechtsextremen Avancen. Trzaskowski, der für sich reklamiert, Polen „Ruhe statt Konflikte“ zu bringen, macht klar, dass er sich an Tusks Regierung halten und den politischen Kurs der neoliberalen Umverteilung von unten nach oben absichern wird. Nawrocki wiederum verspricht, als Präsident der PiS weiterhin das Veto-Schwert zu schwingen, um den Umbau des Staates nach autoritärem Zuschnitt fortzusetzen – in direkter Fortsetzung der Ära Duda.
Was in dieser Wahl fehlt, ist eine wirkliche Alternative für die Arbeiterklasse. Selbst die sozialdemokratische Kandidatin Magdalena Biejat erzielte mit nur 4,22 Prozent ein desaströses Ergebnis – ein Zeichen dafür, wie sehr sich die politische Landschaft in Polen nach rechts verschoben hat. Die Kommunistische Partei Polens (KPP) ist illegalisiert und ihre Mitglieder sind immer wieder starken Repressionen und Angriffen durch den Staat ausgesetzt. In einer Zeit, in der soziale Ungleichheit, Teuerung und Aufrüstung die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung verschlechtern, gibt es keine greifbare Kraft, die diese Interessen wirksam aufgreift, nachdem die KP zwar für die Interessen der Arbeiterklasse kämpft, aber unter den Umständen der Illegalität hier auch nur begrenzt sichtbar ist, geschweige denn an bürgerlichen Wahlen teilnehmen könnte.
QUelle: 902.gr/junge Welt