Nach einem gewalttätigen Übergriff auf einen älteren Mann ist es in der spanischen Kleinstadt Torre-Pacheco zu tagelangen Ausschreitungen gekommen. Im Mittelpunkt der Vorfälle stehen gezielte Angriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund – ausgelöst durch rechtsextreme Mobilisierung, unterstützt durch Desinformation im Netz und begleitet von gesellschaftlicher Polarisierung. Die Ereignisse werfen nicht nur ein Schlaglicht auf die wachsende Präsenz rechter Gruppen, sondern auch auf strukturelle Ungleichheiten und politische Verantwortung.
Die Eskalation begann, nachdem drei junge Männer mit nordafrikanischer Herkunft wegen des mutmaßlichen Angriffs auf einen 68-jährigen Mann festgenommen wurden. In den sozialen Medien verbreiteten sich daraufhin schnell Hassbotschaften, in denen pauschale Schuldzuweisungen gegenüber Migranten und Migrantinnen geäußert wurden. Innerhalb von 24 Stunden reisten laut Medienberichten über hundert Rechtsextreme aus verschiedenen europäischen Ländern in die Region Murcia, um vor Ort Stimmung gegen Migranten und Migrantinnen zu machen. Es kam zu Angriffen auf Geschäfte, Drohungen und massiver Einschüchterung.
Rechte Rhetorik und politische Verantwortung
Die rechtspopulistische Partei Vox, seit Jahren drittstärkste Kraft im spanischen Parlament, befeuerte die Stimmung über ihre Social-Media-Kanäle. In Beiträgen wurde pauschal „den Marokkanern“ die Verantwortung für die Gewalt zugeschrieben, die eigentliche Schuld liege – so Vox – bei der Einwanderungspolitik der spanischen Regierung. Die Staatsanwaltschaft von Murcia prüft inzwischen, ob rechtliche Schritte gegen die Partei und gegen weitere Akteure und Akteurinnen eingeleitet werden können, die in sozialen Medien zur Gewalt aufgerufen haben sollen.
Ein besonders beunruhigender Aspekt ist der Einsatz künstlich generierter Falschvideos, die angebliche Übergriffe durch Migranten und Migrantinnen zeigen sollen. Diese Inhalte wurden offenbar gezielt eingesetzt, um rassistische Ressentiments weiter zu schüren. Eine der beteiligten Personen wurde inzwischen festgenommen.
Wachsende reaktionäre Entwicklungen
Die Kommunistische Partei der Arbeiterinnen und Arbeiter Spaniens (PCTE) veröffentlichte am 15. Juli eine Stellungnahme, in der die Ausschreitungen in Torre-Pacheco als Ausdruck einer wachsenden reaktionären Entwicklung eingeordnet werden. Die PCTE kritisiert insbesondere die Normalisierung eines Diskurses, der Migration mit Kriminalität gleichsetzt – trotz fehlender statistischer Grundlage. Dies diene, so die Partei, der politischen Spaltung und lenke von den eigentlichen Ursachen sozialer Unsicherheit ab, etwa der zunehmenden Prekarisierung und Ausbeutung durch kapitalistische Strukturen.
Zudem verweist der PCTE auf die strukturelle Doppelmoral in der staatlichen Reaktion: Während Proteste oder Arbeitskämpfe regelmäßig mit Härte unterdrückt würden, hätten die Behörden im Fall von Torre-Pacheco nur verzögert und zurückhaltend auf öffentliche Gewaltaufrufe aus der extremen Rechten reagiert. Auch bleibe die systematische Ausbeutung migrantischer Arbeitskräfte – etwa in der regionalen Agrarindustrie – weitgehend unbeachtet.
Soziale Spaltung als politisches Instrument
Im Zentrum der Kritik steht die politische und mediale Konstruktion einer gesellschaftlichen Trennlinie entlang von Herkunft oder Ethnizität. Diese Spaltung, so der PCTE, nütze vor allem jenen Kräften, die von der Vereinzelung und Schwächung der Lohnabhängigen profitieren. Die Probleme vieler Arbeiter und Arbeiterinnen – ob in Spanien oder anderswo – seien nicht das Ergebnis von Migration, sondern Ausdruck struktureller Ungleichheit, politischer Untätigkeit und ökonomischer Ausbeutung.
Stattdessen fordert der PCTE die Stärkung solidarischer Strukturen und eine gemeinsame Organisation aller Arbeiter und Arbeiterinnen – unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Nur durch eine solche Einheit könne den realen Ursachen von Unsicherheit, Armut und sozialer Ausgrenzung wirksam begegnet werden.