In der Türkei sorgt ein aktueller Gesetzesentwurf der Regierungspartei AKP für heftige Diskussionen. Die geplante Gesetzesänderung soll Bergbauaktivitäten in bisher geschützten Olivenanbaugebieten erlauben. Expertinnen und Experten, Umweltschützerinnen und Umweltschützer sowie Landwirtinnen und Landwirte warnen jedoch vor irreversiblen Schäden für Natur, Landwirtschaft und Umwelt.
Die Olivenhaine der Türkei, von denen viele seit Generationen bewirtschaftet werden, stehen durch einen neuen Parlamentsbeschluss unter massivem Druck. Der Gesetzesentwurf, der kürzlich in einem Parlamentsausschuss angenommen wurde, sieht vor, Bergbauprojekte auch in Gebieten zu genehmigen, die bislang durch das Zeytincilik Kanunu (Olivenanbaugesetz) geschützt sind. Dieses verbietet bisher beispielsweise die Errichtung von staubverursachenden Anlagen im Umkreis von drei Kilometern um Olivenhaine.
Die türkische Regierung begründet die Gesetzesnovelle mit dem Ziel, die Energieunabhängigkeit des Landes zu stärken. Kritikerinnen und Kritiker halten dem entgegen, dass der Gesetzesentwurf vor allem den Interessen großer Bergbau- und Energiekonzerne dient – einige der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die den Entwurf vorantreiben, sind selbst in der Bergbauindustrie aktiv.
Ein weiterer umstrittener Punkt betrifft die Umweltschutzprüfungen. Künftig sollen Projekte als genehmigt gelten, wenn öffentliche Stellen innerhalb von drei Monaten keine Stellungnahme abgeben. Außerdem können „strategische“ oder „kritische“ Bergbaugebiete schneller zwangsenteignet werden, wobei die endgültige Entscheidung bei einem Gremium unter Leitung des Vizepräsidenten liegt. Auch illegale Bergbauaktivitäten in staatlichen Wäldern könnten künftig straffrei bleiben.
Die Landwirtschaftsexpertinnen und ‑experten warnen, dass das Umpflanzen von Olivenbäumen keine praktikable Lösung sei. Die Verlagerung führe zu massiven Ernteausfällen und irreparablen ökologischen Schäden. In der Vergangenheit hatte die türkische Bevölkerung bereits erfolgreich gegen ähnliche Gesetzespläne protestiert.
Der Druck hinter dem Gesetz wird auch durch Enthüllungen über die engen Verbindungen zwischen Regierungsparteien und Großunternehmen offenbar. So forderte ein großes Energieunternehmen, das bereits in der Region Muğla aktiv ist, öffentlich die Gesetzesänderung, um eigene Bergbauflächen zu sichern und sich vor laufenden Umweltklagen zu schützen. Kurz nach Bekanntwerden dieses Briefes wurde eine umfangreiche Enteignung landwirtschaftlicher Flächen genehmigt – darunter auch Olivenhaine und Wohngebiete.
Die Kommunistische Partei der Türkei (TKP) kritisiert den Gesetzesentwurf scharf und spricht von einem „Kriegsgesetz“, das die natürlichen Ressourcen des Landes zum Raubgut internationaler Konzerne mache. Sie ruft zum Widerstand gegen die Zerstörung der Umwelt und der bäuerlichen Lebensgrundlagen auf.
Für viele Menschen in der Türkei ist der Erhalt der Olivenhaine nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine kulturelle und ökologische Frage. Ob sich der Widerstand gegen die geplanten Änderungen fortsetzen kann, wird sich in den kommenden Wochen im Parlament zeigen.
Quelle: soL