HomeKlassenkampfJugendNotschlafstelle Anker in Dornbirn überlastet und unterbesetzt

Notschlafstelle Anker in Dornbirn überlastet und unterbesetzt

Der „Anker“ ist fast jeden Tag überfüllt, letztes Jahr zählte die Vorarlberger Notschlafstelle für Jugendliche mehr als 570 Übernachtungen. Nun soll das Gebäude zudem abgerissen werden.

Dornbirn. Die Jugendlichen, die in der Jugendnotschlafstelle eine letzte mögliche Zufluchtsstätte finden, sind durchschnittlich 16 Jahre alt und kommen aus allen sozialen Schichten. Zwei Drittel der Jugendlichen sind männlich. Aus einer familiären Notsituation kommend, wird ihnen im Anker ein Bett, Dusche, Frühstück und Abendessen zur Verfügung gestellt. Die Notschlafstelle öffnet um 18.00 Uhr, schließt um 22.00 Uhr und die Jugendlichen können bis 09.00 Uhr Früh die Infrastruktur nutzen. „Wir gestalten Aufenthalt und Notversorgung im Anker so kurz wie möglich und so lange wie nötig“, wird die Leiterin der Jugend-Notschlafstelle, Tatjana Tschabrun, auf der Website zitiert.

Jeder Jugendliche in Not kann die Schlafstelle sieben Nächte im Monat besuchen, wofür sechs Betten zur Verfügung stehen. Die Jugendlichen, die hier übernachten, kommen aus familiären Konfliktsituationen, die sich nicht anders als durch Ausweichen lösen lassen, oder werden tatsächlich von ihren Eltern rausgeworfen. Der Anker besteht nun seit fast zwei Jahren und bis dato musste laut Tschabrun noch nie die Hilfe der Polizei in Anspruch genommen werden, um mit den Jugendlichen fertigzuwerden. Die gefährlichen Situationen blieben bislang aus. Um die zufluchtsuchenden Mädchen und Jungen kümmert sich zurzeit ein siebenköpfiges Team.

„Immer wieder erstaunt, wie desinteressiert Eltern an ihren Kindern sein können“

Tschabrun erklärte im ORF-Interview, dass die Familienverhältnisse der Jugendlichen oft schon so lange belastet seien, dass die Eltern den Anschluss zu ihren Kindern verloren hätten. Zuweilen gingen die Aggressionen aber auch von den Jugendlichen selbst aus, so Tschabrun, woraus sich dann die darauffolgende Unmöglichkeit des Zusammenlebens ergebe. Dennoch betonte Tschabrun, dass Eltern nur zu oft ein starkes Desinteresse an ihren eigenen Kindern an den Tag legen:

„Ich bin immer wieder erstaunt, wie desinteressiert Eltern an ihren Kindern sein können“, so Tschabrun.

Notschlafstelle in Not

Neben der ständigen Überlastung der Struktur durch den akuten Platzmangel kämpft das Anker-Team mit größeren Herausforderungen. Ab 2024 braucht es ein neues Gebäude zur weiteren Unterbringung der Jugendlichen, da das jetzige abgerissen werden soll. Dieses sollte laut Tschabrun mehr Schlafmöglichkeiten bieten und Einzelzimmer, um eine bessere Rückzugsmöglichkeit für die Mädchen und Jungen zu bieten.

Außerdem müsste das Team vergrößert werden – unbedingt notwendig sei in diesem Zusammenhang eine Doppelbesetzung aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Nacht. Zum Beispiel bei Fällen, in denen ein Mädchen sexualisierte Gewalt erlitten hat und deshalb Zuflucht in der Notschlafstelle sucht, sei es notwendig, dass sie von einer weiblichen Erwachsenen betreut wird.

Der Kapitalismus versteht es immer sehr gut, allgemeingesellschaftliche Probleme in die Privaträume zu verdrängen und sich nicht um die Schwierigkeiten zu scheren, die in einer auf Privateigentum an den Produktionsmitteln basierenden Gesellschaft entstehen können und tagtäglich entstehen. Denn die gesellschaftlichen Lasten, Zwänge und Widersprüche reproduzieren sich im Schoß der Familie. Dort, wo die Familie versagt, müsste der Staat für die Menschen da sein. Im Kapitalismus ist aber das Schicksal von Banken und Konzernen wichtiger als das Leben von Jugendlichen in Not.

Quellen: ORF / Anker

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