Die katholische Hilfsorganisation Caritas Niederösterreich eröffnet im Waldviertel zusätzliche Sozialmärkte für armutsgefährdete Menschen. Für die Betroffenen ist dies eine Erleichterung, doch insgesamt handelt es sich um eine kapitalistische Schande.
Sankt Pölten. In den meisten gewerblichen Bereichen führen die kapitalistische Wirtschaftskrise und die Corona-Pandemie zu einer rückläufigen Entwicklung: Betriebe oder zumindest bestimmte Standorte sperren zu, Unternehmen gehen in Konkurs. Indirekt proportional zu sozialen Verwerfungen verhält es sich mit Sozialmärkten für armutsgefährdete Menschen. Diese werden während der Krise nicht nur vermehrt in Anspruch genommen, sondern es werden sogar neue eingerichtet: Die Caritas der Diözese St. Pölten baut nun ihr Angebot im niederösterreichischen Waldviertel aus. Neben den dort bestehenden Sozialmärkten in Krems, Zwettl und Schrems öffnen noch im November ein neuer Standort in Gar am Kamp und im Dezember einer in Gföhl. Dass es inzwischen gleich fünf Sozialmärkte braucht in einem recht dünn besiedelten Gebiet mit nur einer größeren Stadt (Krems), erscheint zunächst eigenartig, hat aber seine Gründe. Das Waldviertel ist äußerst strukturschwach, ökonomisch hinter dem Rest Niederösterreichs hinterherhinkend und landwirtschaftlich geprägt, die Arbeitslosigkeit ist – schon vor der nunmehrigen Krise – relativ hoch, v.a. bei Frauen.
Billige Waren für Arme, Geringverdiener und Mindestpensionistinnen
Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass es im Waldviertel somit bald fünf „soma“-Einrichtungen sowie vier „carla-„-Shops der Caritas gibt. Hinzu kommt, dass die mobilen Sozialmärkte der St. Pöltner Emmausgemeinschaft im Waldviertel eingestellt wurden, nachdem sich das AMS und das Land Niederösterreich im Jahr 2019 für einen Förderungsstopp entschieden. Die Sozialmärkte der Volkshilfe konzentrieren sich auf andere niederösterreichische Regionen, jene des Arbeiter-Samariter-Bundes auf Wien. Während der kapitalistischen Krise, wo viele Menschen von Einkommensverlusten, Kurzarbeit oder sogar Arbeitslosigkeit betroffen sind, ist die Situation im Viertel nordwestlich der Donau entsprechend angespannt. Allein am „soma“-Standort Krems zählt man über 100 Kundinnen und Kunden pro Tag, Tendenz steigend, obwohl viele Menschen Hemmschwellen haben, das Angebot in Anspruch zu nehmen – dieses Angebot besteht aus Lebensmitteln, die knapp vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehen oder aus anderen Gründen (Beschädigungen, Produktionsfehler) in normalen Geschäften unverkäuflich sind. Um zum Einkauf in einem Sozialmarkt berechtigt zu sein, muss man unter der Armutsgrenze leben oder über ein nur geringes Einkommen verfügen – das Limit liegt bei 1.200 Euro pro Monat für Einzelpersonen (1.550 Euro für Zwei-Personen-Haushalte). Weit mehr als die Hälfte der niederösterreichischen Frauenpensionen liegt sowieso unter diesem Wert.
Kapitalismus verursacht systematisch Armut und Existenzunsicherheit
So erfreulich es im Konkreten ist, dass die Caritas der Diözese St. Pölten im Waldviertel nun ein erweitertes Angebot schafft, das es Menschen in sozialen und finanziellen Notlagen ermöglicht, verbilligte Lebensmittel zu kaufen, so ist die Gesamtsituation eigentlich ein Skandal. Denn es sollte grundsätzlich keine Sozialmärkte geben, sie sind unwürdig für die Betroffenen und die Gesellschaft. Trotzdem gibt es immer mehr davon – und dabei kann man sich weder auf eine unerklärliche Wirtschaftskrise noch auf eine Krankheitsepidemie ausreden. Das Problem ist der Kapitalismus selbst: Er ist nicht in der Lage und nicht willens, allen Menschen Arbeit zu geben; er zahlt möglichst geringe Löhne und Gehälter, damit die Profite maximiert werden; seine politischen Lakaien in allen Parlamentsparteien reduzieren die Sozialleistungen, während Pensionen und Arbeitslosengeld weiter zu niedrig sind. Der Kapitalismus funktioniert nur für eine parasitäre Minderheit, für die meisten Menschen bietet er lediglich das nötige Überleben – und für immer mehr Menschen nicht einmal das. Man möchte meinen, dass jene Zeiten, als die Bevölkerung auf Almosen und Armenausspeisungen der Kirche angewiesen sind, längst vorbei sein müssten, doch das stimmt nicht. Sie werden erst vorbei sein, wenn der Kapitalismus Geschichte ist.
Quelle: ORF