Unbedingt wollten die gemeindeeigenen Wiener Verkehrsbetriebe einen kritischen Betriebsrat loswerden und gingen auf Kosten der Steuerzahler bis zum Obersten Gerichtshof. Sie verloren auch in der letzten Instanz. Besonders dumm steht jetzt die FSG-Mehrheit im Betrieb und in der Gewerkschaft younion da. Sie hatte dem Betriebsrat jegliche Solidarität verweigert und ihm auch keinen Rechtsbeistand beigestellt. Er musste sich auf eigene Kosten juristisch zur Wehr setzen.
Wien. Im Frühjahr 2020 – also zu Beginn der Corona-Pandemie – verkündeten die Wiener Linien, wie toll nicht ihre Corona-Schutzmaßnahmen für Fahrgäste und Personal seien. Richard Brandl, Listenführer der parteiunabhängigen Liste „Team Brandl“ sah sich die Sache genauer an und fand Grund zu Kritik, weil mehr PR als tatsächliche Maßnahmen dahinter war.
„Nun ist es auch offiziell“, schrieben wir im Juni 2020, und weiter: „Richard B., Straßenbahnfahrer und Personalvertreter einer fraktionsunabhängigen Liste bei den Wiener Linien, hat das Kündigungsschreiben erhalten und wird bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vom Dienst freigestellt. Wie wir bereits berichteten, hatte er sich erlaubt, sich kritisch zu einigen Corona-Schutzmaßnahmen der Dienstgeberin zu äußern. Der Schutz der Kolleginnen und Kollegen und die Kritik an Schutzmaßnahmen, so sie ihm unzureichend erscheinen, gehört zu den ureigensten Aufgaben eines Personalvertreters und Betriebsrats, würde man meinen.“
FSG fällt Betriebsrat in den Rücken
Die Bosse bei den Wiener Linien haben das aber offenbar als Majestätsbeleidigung empfunden und dem Personalvertreter unterstellt, er würde das Image der Dienstgeberin in der Öffentlichkeit beschädigen. Die Kündigungsabsicht wurde dem Zentralausschuss als oberstem Organ der Personalvertretung zur Stellungnahme übermittelt. In einer Welt, in der Solidarität mehr bedeutet als Parteizugehörigkeit, würde ein solcher Zentralausschuss gegen die geplante Kündigung entschieden protestieren. Nicht so in diesem Fall: Der Zentralausschuss stimmte der Kündigung zu. Dass dort eine satte Mehrheit der sozialdemokratischen Gewerkschafter (FSG) besteht, muss wohl nicht extra erwähnt werden.
Brandl ließ sich die Kündigung nicht gefallen und klagte mit Hilfe eines Anwalts, den er selbst bezahlen musste, da ihm die Gewerkschaft younion Rechtshilfe verweigerte, beim Arbeits- und Sozialgericht. Dieses gab ihm vollinhaltlich recht. Er musste ab da von den Wiener Linien rückwirkend die vollen Bezüge bekommen, so als wäre das Dienstverhältnis niemals unterbrochen worden.
Eine juristische Niederlage nach der anderen
Gegen diese Entscheidung gingen die Wiener Linien in Berufung. Einen kritischen Betriebsrat und Personalvertreter loszuwerden, hatte offenbar hohe Priorität. „Hier wird bewusst Prozesskostengeld auf Kosten der Steuerzahler verbrannt und gleichzeitig der Schutz von Belegschaftsvertretern mit Füssen getreten“, sagte Brandl damals. Dasselbe geschah in der zweiten Instanz. Die Wiener Linien verloren und gingen zur dritten und letzten Instanz.
Brandl, der seit zweieinhalb Jahren bei vollen Bezügen dienstfreigestellt ist, aber täglich in die Arbeit kam und seine Tätigkeit als Betriebsrat ausübte, ist eines von mehreren Beispielen, wie die Gewerkschaft younion und Betriebe im Bereich der Stadt Wien oder ausgegliederter Betriebe in trauter Eintracht gegen aufmüpfige Belegschaftsvertreter vorgehen, die nicht nach der Pfeife der FSG tanzen. Die Verantwortlichen der Wiener Linien haben nach Aussage von Richard Brandl noch weitere Prozesse gegen unzählige Kollegen laufen, gegen die auch trotz verlorener erster und zweiter Instanzen weiter prozessiert wird. Auffällig sei auch, dass innerhalb der Betriebe der Stadt Wien auffällig viele Betriebsräte und Personalvertreter, die unabhängigen Listen angehören, von der Stadt gekündigt werden, und gerade die skurrilsten Prozesse stattfinden. Als aktuelles Beispiel nennt er die Bestattung Wien. Der Kollege von der Bestattung sei in derselben Lage wie Brandl, mit dem Unterschied, dass der vertragsbedienstete Kollege kein Personalvertreter sei, sondern nur Betriebsrat. Er habe ebenfalls schon die erste und zweite Instanz gewonnen und warte aktuell auf das OGH-Urteil. Als weiteres Beispiel sei noch Nicole Schimatovich erwähnt, eine Personalvertreterin im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien (AKH). Über ihren Fall haben wir bereits ausführlich berichtet.
Richard Brandl hat einen wichtigen Sieg gegen die Willkürherrschaft und Parteibuchwirtschaft errungen, der auch andere Kolleginnen und Kollegen ermuntern sollte, sich nicht alles gefallen zu lassen.