Ein 56-jähriger Urologe in Wien steht vor Gericht, weil er seine neue Methode an Patienten für teures Geld testen wollte – den Betroffenen ruinierte er jedoch allem Anschein nach das Leben.
Wien. Ein besonders sensibles und geradezu tabuisiertes medizinisches Thema im gesellschaftlichen kommunikativen Austausch stellt der Genitalbereich dar – gibt es an dieser Front Probleme, übt man sich in Zurückhaltung und dementsprechend klein soll der Mitwisserkreis sein. Am besten, man könnte sich nur einem vertrauenswürdigen Urologen anvertrauen und das Problem schnell in Griff kriegen. Dementsprechend klein ist der Horizont, es herrscht wenig Informationsaustausch und flugs ist man in die falschen Hände geraten.
Versuchskaninchen für neue Methode?
Dies scheint zwischen 2013 und 2017 mindestens fünf Patienten passiert zu sein, auch wenn bis zum potenziellen Schuldspruch die Unschuldsvermutung gilt. Am Straflandesgericht in Wien muss sich ein Urologe wegen schweren Betrugs und schwerer Körperverletzung verantworten: Er habe die Patienten durch falsche Diagnosen regelrecht verletzt. Unter dem Vorwand eines venösen Lecks in den Penissen habe er umstrittene gefäßchirurgische Eingriffe vorgenommen. Hinzu kommt, dass die angewandten Eingriffe vom Urologen selbst entwickelt worden sind – die Staatsanwaltschaft sprach deshalb von „Geltungssucht“, die Patienten seien für den Arzt „Versuchskaninchen“ gewesen. Außerdem hätte der Urologe aus „Geldsucht“ falsch gehandelt, denn für den Eingriff ließ er jeweils 3000 Euro und noch mehr springen. Den Betroffenen gegenüber habe sich der Urologe als „Retter“ aufgespielt, „er wollte als Guru auftreten, er wollte brillieren“, um sein fachliches Renommee auszuweiten.
Nikolaus Rast, der Anwalt des 56-jährigen Urologen, wies die Vorwürfe zurück und stellte im Gegensatz dazu die fachliche Qualifikation des medizinischen Sachverständigen infrage, der das Gutachten für die Staatsanwaltschaft erstellt hatte. Es ist dies wohl als Versuch zu werten, aus einer Verteidigungsstellung in den Gegenangriff überzugehen, jedoch ist dieser Schritt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der Mühe wert. Die Staatsanwaltschaft kann sich ja, wenn sie es für nötig befindet, ein zweites Gutachten erstellen lassen – kein medizinischer Fachmann würde in so einem Fall zu anderen Schlüssen kommen.
Fatale Folgeschäden
Die fünf Männer haben von den Eingriffen dauerhafte gesundheitliche Schädigungen davongetragen – durch das nicht vorhandene venöse Leck im Penis und den darauffolgenden unnötigen Eingriff erlitten vier der Männer eine chronische erektile Dysfunktion, der fünfte litt nach der Operation an einer „wesentlichen Veränderung seines Penis“. Zwei Patienten nahmen sich sogar im Jänner 2014 und im Mai 2015 das Leben, da sie mit den Schädigungen nicht mehr leben konnten.
Der Urteilsspruch wird sich noch länger hinziehen. Die Verteidigung plant Zeugen und weitere Gutachter hinzuzuziehen.
Quelle: ORF