HomePolitikPost vom Bundespräsidenten: Verfassung 2, Regierung 0

Post vom Bundespräsidenten: Verfassung 2, Regierung 0

Per Brief muss Alexander Van der Bellen von der österreichischen Bundesregierung ein verfassungskonformes Vorgehen einmahnen. – Kannst‘ nicht erfinden.

Wien. Die meisten Menschen freuen sich, wenn sie einen Brief des österreichischen Bundespräsidenten erhalten. Denn zumeist bedeutet dies, dass man zu einer tollen Gala eingeladen wird (freilich nicht zu Corona-Zeiten) oder dass man gar einen staatlichen Orden verliehen bekommt. Nicht so bei den nunmehrigen Empfängern, nämlich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP/PR-Abteilung) sowie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP/Neigungsgruppe Glücksspiel & Parteienfinanzierung). Diesen beiden erteilte Präsident Alexander Van der Bellen mit einem offiziellen Schreiben vom 30. November eine handfeste Rüge. „War ja auch höchste Zeit!“, mag man sich denken, doch die Maßregelung durch das Staatsoberhaupt bezog sich leider lediglich auf das Zustandekommen des verunglückten Budgetfinanzrahmengesetzes vom 17. November, also auf die Verabschiedung des Staatshaushaltes durch das Parlament. Dies war mit den Stimmen der Regierungsmehrheit von ÖVP und Grünen gegen die Stimmen der Opposition geschehen. Lief formal aber nicht so gut. Van der Bellen bezeichnete die Vorgänge rund um den Beschlussprozess als „fehlerhaft“ und „verfassungswidrig“. Und verfassungswidrig waren ja auch schon ein paar Corona-Verordnungen, die der VfGH sodann aufheben musste – zum zweiten Mal würgt also die Verfassung der Regierung eine rein (und das Jahr ist noch nicht einmal zu Ende). Vielleicht sollte der Bundespräsident gleich einen blauen Brief hinterherschicken?

Schwarze Null im Pannen-Finanzministerium 

Hart Worte sind es, die da postalisch über den Wiener Ballhausplatz transferiert wurden, und diese sind auch nicht nur dem mangelnden präsidentiellen Amüsement angesichts der enervierenden Inkompetenz der Bundesregierung und ihrer Parlamentsstaffage geschuldet. Denn der Bundespräsident hat u.a. die verfassungsmäßige Aufgabe, die Gesetze auf ihr verfassungskonformes Zustandekommen zu überprüfen. Ist ein solches nicht gegeben, so verweigert er seine bestätigende Unterschrift. Wohlgemerkt: Er kann nicht nach eigenem Gutdünken signieren oder nicht, etwa weil ihm ein politischer Inhalt widerstrebt, sondern es geht nur um die Korrektheit des Prozesses im Nationalrat (und Bundesrat). Die Bundesregierung und Finanzminister Blümel (ÖVP/ohne erkennbaren Aufgabenbereich) haben zuletzt beim Budgetbeschluss schon zum zweiten Mal gepfuscht: Nachdem FM „Bleampl“, wie das Wiener Proletariat seinen „zuagrasten“ verhinderten Möchtegernbürgermeister liebevoll nennt, bereits im Frühjahr bei seinem Budgetentwurf ein paar Nullen vergessen hatte, gab’s diesmal eine komplette Nullnummer: Auf dem Gesetzesantrag fehlte eine Abgeordnetenunterschrift (von fünf notwendigen), womit er nicht korrekt eingebracht war. Aber vielleicht wollte sich da jemand aus den eigenen Reihen auch einfach nicht zu diesem Budgetmurks bekennen?

Inkompetenz in der Praktikantenregierung

Wie dem auch sei, jedenfalls tadelte Van der Bellen nun auch postalisch mit den Worten: „Der in Rede stehende Gesetzesbeschluss ist nicht nur fehlerhaft, sondern er ist verfassungswidrig“, weswegen er – UHBP VdB – „das verfassungsmäßige Zustandekommen dieses Gesetzes nicht beurkunden kann.“ Das ist doch eine gewisse Schmach für die politische Führung der Republik, die da von ganz oben moniert wird, doch bedeutet dies nicht, dass Österreich nun kein Budget hat: Das Parlament ist zuvor schon selbst draufgekommen, weswegen der schwarz/türkis-grüne Fauxpas am 26. November durch einen Reparaturbeschluss korrigiert worden war – dieses Gesetz hat der Präsident inzwischen auch bestätigt und in Kraft gesetzt. Insofern kann man unterm Strich immer noch sagen „Sagn ma, es woar nix.“ So ein kleiner verfassungswidriger Fehler kann einer Bundesregierung schon mal unterlaufen, v.a. wenn ihr Führer das Jus-Studium geschmissen hat. Kleine Ahnungslosigkeiten und Unbedarftheiten sind ja sympathisch. Macht nichts, es ist ja nicht so, dass die Regierung andauernd gegen Verfassungsbestimmungen verstößt oder gegenwärtig irgendwie vor einer besonders großen Herausforderung stünde, für die es maximale Kompetenz und das Vertrauen der Bevölkerung bräuchte. Manchmal, wenn man ganz anarcho-apokalyptisch drauf ist, wünscht man sich fast KHG zurück. Auch schon wurscht – und der konnte zumindest Formulare fehlerfrei ausfüllen.

Quelle: Der Standard

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