Staatsanwalt Matthias Purkart von der WKStA zeichnete im Ibiza-U-Ausschuss ein Sittenbild der Republik. Ermittlungen werden behindert, Staatsanwälte beschuldigt und Polizisten finden nichts, wo hunderttausende Chatnachrichten zu finden waren.
Wien. Der 25. Mai 2021 wird als schwarzer Tag für die ÖVP in die Geschichte eingehen, ergab doch die Befragung eines Oberstaatsanwaltes der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) das Bild, dass die Anwälte des Staates in ihrer Arbeit weiterhin behindert werden.
Als Auskunftsperson war unter anderem Matthias Purkart geladen, der als Oberstaatsanwalt Leiter des IT-Teams bei der WKStA ist. Diesem Team ist es unter anderem zu verdanken, dass die unzähligen Chatnachrichten des ÖBAG-Chefs Thomas Schmid überhaupt Teil der Akten wurden. Die mit den Ermittlungen beauftragte Soko Tape der Polizei gab an, dass die gelöschten Daten nicht mehr wiederherstellbar seien, den Staatsanwälten hingegen gelang die Rekonstruktion.
Ermittlungen gegen Bundeskanzler Kurz werden behindert
Kurz zusammengefasst zeigt sich durch die Aussagen von Purkart, dass den Ermittlern nach wie vor Prügel zwischen die Füsse geworfen werden, vor allem wenn es um die Ermittlungen gegen ÖVP-Granden und hier vor allem Bundeskanzler Sebastian Kurz geht. Diesem wird ja Falschaussage bei seiner Vernehmung im U‑Ausschuss vorgeworfen (es gilt die Unschuldsvermutung).
Auch die Leaks, die von der ÖVP den Staatsanwälten in die Schuhe geschoben werden (was bei diesen übrigens eine strafbare Handlung wäre), scheinen nach Darstellung des Oberstaatsanwaltes von der ÖVP selbst zu stammen. So hätte die ÖVP bei medialen Hintergrundgesprächen Chats von Thomas Schmid ausgeteilt (zum Beispiel jene mit ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian), die nur von Thomas Schmid selbst oder von der Soko Tape der Polizei stammen konnten, da sie die WKStA gar nicht hatte.
Man sei seit Freitag letzter Woche mit einer Prüfung der Dienstaufsicht zu den Ermittlungen gegen Kurz konfrontiert, was bedeute, dass man sich nicht der eigentlichen Arbeit, sondern der eigenen Verteidigung widmen müsse. Hier würde nach Fehlern gesucht, anstatt konkrete Vorwürfe auf den Tisch zu legen.
Ergänzung 26.05.,13.30: Justizministinisterin Alma Zadic hat im ORF-Ö1-Morgenjournal von heute bekanntgegeben, dass die Dienstaufsichtsprüfung „vom Tisch“ sei, weil die zuständige Sektionschefin als Oberbehörde befunden hat, dass die WKStA korrekt gehandelt hat.
Wo ist die schützende Hand der grünen Justizministerin?
Sämtliche Spitzen der grünen Regierungs- und Parlamentsriege hatten hoch und heilig versprochen, dass sie die WKStA vor Behinderungen schützen werden. Merken tut man davon allerdings nichts. Die grüne Justizministerin Alma Zadic scheint hier noch nicht viel unternommen zu haben. Auch die chronische Unterbesetzung der WKStA wird nicht behoben, man bräuchte in Wahrheit doppelt so viele Leute, sagte Purkart.
Währenddessen wurde heute bekannt, dass die WKStA vom Parlament die Auslieferung der ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker verlangt, weil geprüft wird, ob sie in einer Raiffeisen-Immobilienfirma nur zum Schein angestellt und in Wahrheit eine „Sachspende“ an die ÖVP war (es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung). So wird die Liste der ÖVP-Verdächtigen immer länger, und diese schlägt, wie der peinliche Herr Hanger und seine ÖVP-Fraktion im U‑Ausschuss heute wieder unter Beweis stellten, wild um sich. So gesehen wäre die geforderte TV-Übertragung der U‑Ausschuss-Sitzungen von Vorteil, weil sich die Menschen selbst ein Bild machen könnten. In den gekauften Medien finden sie davon nichts. Sie sind Teil der Sebastian-Kurz-Verteidigungsfront.
Den vollkommen sauberen kapitalistischen Rechtsstaat, wie er vielleicht den Staatsanwälten vorschwebt, gibt es allerdings in der Realität nicht. Die enge Verzahnung der Interessen mächtiger Konzerne mit „ihren“ Politikern wird immer ein Thema sein, auch dann, wenn es keine strafrechtliche Relevanz hat.
Quelle: Der Standard