Gastbeitrag von Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i. R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.
Der deutsche Geschichtsphilosoph Oswald Spengler (1880–1936) hat in seinem vor dem ersten Weltgemetzel begonnenen und in einem ersten Band im September 1918 (Verlag Braumüller, Wien/Leipzig) veröffentlichten Werk „Untergang des Abendlandes“ vom irrationalen und ausweglosen Glauben an zyklisch eintretende, geschichtliche Katastrophen von Völkern geschrieben.[1] Wie in seinem zweiten Band (Verlag Beck, München 1922) lässt sich Oswald Spengler von den rassistischen Tendenzen von Friedrich Nietzsche (1844–1900) und dessen Propheten okkulten Wissens Zarathustra inspirieren. Der von Adolf Hitler (1889–1945) für die faschistische Propaganda der nationalsozialistischen Bewegung beauftragte Alfred Rosenberg (1893–1946) hat sich viel mit der Gedankenwelt von Oswald Spengler befasst, weil dieser dem deutschen Faschismus ideologisch vorgearbeitet hat.[2] Der Wiener Friedrich Heer (1916–1983) hat die Wissenschaftlichkeit von intellektuellen Zuträgern der Nazifaschisten wie Oswald Spengler mit der Wissenschaftlichkeit von KZ-Ärzten verglichen.[3] Dem Berliner Rechtsphilosophen Hermann Klenner (*1926) ist besonders aufgefallen, wie Spengler das römische Recht einer Willkürstruktur unterworfen hat, in deren Ergebnis die klassischen Juristen Roms nazigefällig zu Semiten erklärt wurden.[4]
Oswald Spengler stellt in den Raum, dass das deutsche Volk ohne neue Führung geschichtslos und in Sklaverei und Fellachentum enden werde.

Was hat diese Reminiszenz an einen oft nur noch dem Namen nach bekannten Schrittmacher des deutschen Faschismus in unserer Zeit der Höhenflüge der Rüstungsaktien und barbarischer, auch von Österreich aus logistisch unterstützter Kriege wie gegen das palästinensische Volk mit dem Österreichischen Bundesheer zu tun?
Das Bundesministerium für Landesverteidigung der Republik Österreich gibt die „Österreichische Militärische Zeitschrift (ÖMZ)“ heraus. Das ist eine zu den mit öffentlichen Mitteln hochsubventionierten Medien des österreichischen Regierungssystems gehörende zweimonatliche Fachzeitschrift „mit Berichten und Analysen zu einschlägigen Themenkreisen aus dem gesamten Bereich der Sicherheitspolitik, Polemologie und Militärwissenschaft“. Im vor kurzem ausgeschiedenen Augustheft d. J. (4/2025) dieses prominenten Mediums beginnt Chefredakteur Hofrat Mag. Christian Hosiner sein „Editorial“ mit einem Blick in den Abgrund:
„Mittlerweile ist es Sommer geworden und der Untergang des Abendlandes schreitet munter voran. Die Fellachen-Unkultur breitet sich ungehindert aus und in Paris und Los Angeles werden ausgelassene Straßenfeste veranstaltet. Der Nahkostkonflikt steht möglicherweise vor einer erneuten Eskalation und Wladimir Putin hat seine Knochenmühle eine Stufe höher geschaltet, weil ihm doch irgendwie die Zeit davonläuft. Nietzsches Zarathustra konnte der schwarzen Schlange des Nihilismus, die in seinen Hals kriechen wollte, noch im letzten Moment den Kopf abbeißen. Ob das heute auch noch gelingt? Wir werden sehen.“
Die ÖMZ ist nicht irgendein „Abendland“-Heft im deutschen Geist, sondern soll den Offizieren des Bundesheeres das geistige Rüstzeug für die ideologische Ausbildung der ihnen anvertrauten Soldaten in die Hand geben. Der in der Hofburg residierende, mit seinen Generälen über das sein Philosophicum oder über die Swifties plaudernde Oberbefehlshaber des Österreichischen Bundesheeres hat dessen Aufbauplan „ÖBH2032+“ abgesegnet. In Abstimmung mit dem kriegstreibenden Aggressionsbündnis NATO wird das Österreichische Bundesheer massiv mit modernsten Angriffswaffen ausgerüstet. Der schändliche Rückgriff auf das in den beginnenden 1920er Jahren einsetzende ideologische Umfeld, das den Boden für das Terrorregime des deutschen Faschismus aufbereitet hat, ist dafür notwendig. Die Forcierung der Waffentechnologie als „ÖBH2032+“ geht einher mit der Installierung der Propaganda einer menschenfeindlichen Ideologie, die als „ÖBH1932+“ definiert werden muss. Mit dem Marxismus-Leninismus als historisch materialistischen Gegenpol zu dieser dominanten bürgerlichen Philosophie der Krise soll der ideologische Tornister des Österreichischen Bundesheeres nicht beschwert werden.[5] Die von der ÖMZ bejubelten pseudowissenschaftlichen Verkaufsschlager über das „Abendland“ eines Oswald Spengler dürfen weder analysiert noch hinterfragt werden.
[1] Artikel Oswald Spengler in: NDB 24 (2010), S. 664–666 (Detlef Felken).
[2] Alfred Rosenberg: Kampf um die Macht. Aufsätze von 1921–1932. Hg. von Thilo von Trotha. Zentralverlag der NSDAP 3. A. 1938, bes. Artikel Oswald Spengler, S. 341–346 („Der Weltkampf“, Mai 1925).
[3] Zitiert u. a. Evelyn Adunka: Friedrich Heer (1916–1983). Eine intellektuelle Biographie. Tyrolia Verlag Innsbruck – Wien 1995, S. 490.
[4] Hermann Klenner: Der Jurist. In: Jürgen Kuczynski, Theodor Mommsen – Porträt eines Gesellschaftswissenschaftlers. Mit einem Kapitel über Mommsen, den Juristen von Hermann Klenner. Akademie Verlag Berlin 1978 (= Studien zu einer Geschichte der Gesellschaftswissenschaften, Band 9), S. 182–242, hier S. 222 f.
[5] Vgl. die sehr nützliche Zusammenschau von András Gedő: Philosophie der Krise (= Zur Kritik der bürgerlichen Ideologie 90). Akademie Verlag Berlin 1978, bes. S. 74–78.