Aktuelle Untersuchungen bestätigen, dass die Gletscher im österreichischen Hochgebirge weiterhin kleiner werden – hierfür sind die Erderwärmung und somit letztlich falsche Prioritäten des Kapitalismus verantwortlich.
Innsbruck. Österreichs alpine Gletscher schwinden weiterhin. Dieses Ergebnis präsentierte der Österreichische Alpenverein anhand seiner Untersuchungen des Beobachtungszeitraumes 2019/20. Konkret wurden 92 ausgewählte Gletscher – das sind etwa zehn Prozent aller im Bundesgebiet vorhandenen – vermessen. Diese sind, so verkündete der „Gletscherbericht“, innerhalb eines Jahres durchschnittlich um 15 Meter zurückgegangen. Von diesem Mittelwert gibt es aber auch signifikante Abweichungen: Den massivsten Eisverlust gab es am Hornkees in den Zillertaler Alpen mit gleich 105 Metern, während sieben untersuchte Gletscher mit einem Minus von weniger als einem Meter als stationär verbucht wurden. Einen größeren Verlust verzeichnete auch die berühmte Pasterze am Großglockner, wo 2019/20 52,5 Meter Länge eingebüßt wurden. In diesem Fall wird auch die Eisdicke regelmäßig erhoben, mit ähnlichen Resultaten: Die Gletscherzunge der Pasterze ist binnen eines Jahres um durchschnittlich 6,1 Meter eingesunken, das heißt stärker als noch 2018/19. Mit einer Länge von ca. acht Kilometern bleibt die Pasterze aber freilich der längste Gletscher der Ostalpen, wenngleich die Gesamtfläche in den letzten 160 Jahren halbiert wurde.
Dieser Zeitraum verweist auch auf die globalen Zusammenhänge: Mit der Industrialisierung begann der umfassendere menschliche Einfluss auf das Klima und den weltweiten Gletscherrückgang, inzwischen sind die Auswirkungen der Erderwärmung natürlich klar zu erkennen. Somit sind die Gletscher nicht nur ein markanter Indikator für den Klimawandel, sondern auch dessen augenscheinliches Opfer. Wenn bei höheren Temperaturen Schneegrenze und Schneedecke sinken und mehr Regen als Schnee fällt, so hat dies entsprechende Auswirkungen auf den Eishaushalt der Gletscher. Somit ist auch klar: Wird der Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre nicht rasch und deutlich reduziert, so könnte es in den Alpen in einigen Jahrzehnten keine Gletscher mehr geben – mit weitreichenden negativen Folgen für die Wasserversorgung, für alpine Ökosysteme, aber auch für die anliegenden menschlichen Lebens- und Wirtschaftsräume. Schlussendlich bedingt der Schwund der Gletscher, in denen viel Wasser gebunden ist, freilich auch den Anstieg des Meeresspiegels, wenngleich sich hierfür das Abschmelzen der polaren Eisschilde gravierender auswirkt als jenes im europäischen Hochgebirge. Doch nicht nur Klimaschutz und Gletscherschutz hängen wechselseitig zusammen, sondern auch die vermehrte Nutzung für den Tourismus bedroht den Bestand der alpinen Eisschilde in Österreich: Sie werden aufgrund des Schneemangels in tieferen Gebieten als durchgängig schneesichere Gletscherskigebiete verwendet – auch hier bewegen sich Klimawandel, Erderwärmung, Schneesicherheit und Gletscherbestand im Kreis.
Insofern schließt der Alpenverein seinen Bericht mit einem Appell, den Gletscherschutz wieder ernster zu nehmen – die umfassende Schutzbestimmung, die etwa 1991 in Tirol gesetzlich verankert worden war, wurde 2004 wieder aufgehoben und 2006 durch weitere Ausnahmen konterkariert. Daran ist zu erkennen, dass kurzfristige wirtschaftliche Vorteile offenbar das Primat gegenüber ökologischen und klimaschutzbedingten Notwendigkeiten haben, weswegen die gutgemeinten Ratschläge des Alpenvereins wohl ins Leere gehen werden. Kurz gesagt: Es sind kapitalistische Profitinteressen, die dem Gletscherschutz im Wege stehen – in Österreich ebenso wie im Weltmaßstab. Im Rahmen der Grundprinzipien des Kapitalismus erscheint eine tatsächliche Lösung von Umwelt- und Klimaproblemen unmöglich.
Quelle: ORF