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Homeoffice – Freiheit oder Überausbeutung?

Die Möglichkeiten und die Entwicklungen von Arbeit im Kontext der Digitalisierung und deren Konsequenzen für die abhängig Beschäftigten werden in der Arbeitssoziologie seit vielen Jahren erforscht. Diese Befunde sind in der aktuellen Debatte um Homeoffice und im Spiegel von Corona interessant.

Homeoffice ist ein Phänomen, das bereits vor Corona in österreichischen Unternehmen und Organisationen zunehmend zum Einsatz kam. Es wird in den Debatten vielfach unter der Prämisse der Geschlechtergleichheit behandelt, die vermeintlich Beruf und Familie besser vereinbar machen und somit eine Chance für Frauen böte. Gleichzeitig ermögliche es eine flexible Arbeitseinteilung und sei ein Freiheits- und sogar Kreativitätszugewinn für die Angestellten.

Abgrenzung und Entgrenzung von Arbeit

Die sozialwissenschaftliche Forschung insbesondere die Arbeitssoziologie beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Fragestellungen neuer Arbeitsformen durch Digitalisierung und Flexibilisierung, eben auch dem Homeoffice. Dieses geht vielfach mit dem, was als Entgrenzung der Arbeit bezeichnet wird, einher. Das bedeutet, dass Angestellte, wenn sie ihre Arbeit im Büro erledigen, diese vielfach auch geistig am Arbeitsplatz lassen können, da eine räumliche Abgrenzung meist auch eine geistige erleichtert. Je nach Bereich kann man vom Heim-PC unter normalen Umständen nicht einmal auf die Arbeitsmaterialien und –unterlagen zugreifen. Wenn man länger an etwas im Büro sitzt, dann schreibt man Überstunden und weiß a) das man diese fomral vergütet bekommen sollte (sofern man keine all inklusive Kollektivvertrag oder keinen) hat oder angerechnet bekommt in Form von Zeitausgleich. B) weiß man wenigstens ganz genau, dass man diese geleistet hat. 

Im Homeoffice und der Telearbeit fällt dies weg. Der private Raum ebenso wie die private Zeit und die berufliche verschwimmen miteinander, es findet also eine Entgrenzung statt. Häufig gehen mit Homeoffice Regelungen Vertrauensarbeitszeiten einher, also eine subjektive Verantwortung dafür, dass man die Arbeit auch in diesen Zeiten erledigt. Es findet zudem, um die Arbeitsproduktivität zu vermessen, entsprechend der allgemeinen Trends in der Entwicklung von Arbeit vielfach eine Output-Orientierung statt. Das bedeutet, es zählt das Ergebnis, da dieses sichtbar ist und nicht der Weg dorthin. Dies baut einen zusätzlichen Druck auf die Beschäftigten im Homeoffice auf. Außerdem wird über Homeoffice-Regelungen in der Regel auch ein gewisses Vertrauen gegenüber den Beschäftigten suggeriert, dass diese auch wirklich arbeiten. Durch dieses Vertrauen gepaart mit der Entgrenzung und der Ergebnisorientierung findet vielfach eine Ausweitung der Arbeitszeit statt. Es schleicht sich ein schlechtes Gewissen ein, wenn man anderen Tätigkeiten nachgeht. Wenngleich man diesen auch im regulären Büroalltag vollkommen selbstverständlich nachgehen würde. Es handelt sich hier um einen bewussten Zugriff auf die Selbstkontrolle und –verantwortung der Beschäftigten als Führungsstil, der quasi unsichtbar wirkt und zu einer strikten Selbstdisziplinierung und vielfacher Überausbeutung führt.

Keine Vereinbarkeit durch Homeoffice

Gleichzeitig deuten Studien zu Telearbeit und Homeoffice darauf hin, dass hier keine Geschlechtergleichheit oder größere Vereinbarkeit stattfindet, sondern die Doppelbelastung und traditionelle Rollenaufteilungen weiter Bestand haben und sich sogar verschärfen.

Homeoffice und Corona

In den Zeiten der Corona-Epidemie scheinen sich diese negativen Aspekte für viele Beschäftigte noch zu vergrößern, da die Betriebe und Organisationen vielfach nicht die technische Ausrüstung (PC, Drucker, Internet etc.) zur Verfügung stellen, die die Beschäftigten benötigen und somit eine noch stärkere Entgrenzung stattfindet. Private Geräte werden nun zu Arbeitsgeräten. Betriebe und Unternehmen werden hierdurch außerdem entlastet für die Infrastruktur aufzukommen.

Gleichzeitig werden die Bildungs- und Betreuungsaufgaben durch Kindergarten- und Schulschließungen erhöht und ebenfalls subjektiviert, sodass für viele eine immense Belastung resultiert. Gepaart mit steigenden Existenzängsten aufgrund der sich weiter ausbreitenden Wirtschaftskrise führt dies zu einem weiteren Druck für viel Lohnabhängige.

Homeoffice keine dauerhafte Pflichtlösung

Wenngleich die Homeoffice-Regelungen zum Epidemie-Schutz gehören und sehr wohl aus der Perspektive des Gesundheitsschutzes als sinnvoll erachtet werden, sollte die hiermit einhergehende Belastung anerkannt werden. Die Partei der Arbeit fordert, im Zusammenhang mit der Epedemie, auch aus diesen Gründen, die Schließung aller nicht systemrelevanter Branchen, zur Entlastung der Lohnabhängigen. 

Homeoffice ist für die Mehrheit des abhängig Beschäftigten objektiv keineswegs ein Freiheits- geschweige denn Freizeitzugewinn und sollte nicht als eine erstrebenswerte Option für Beschäftigte auf Dauer verhandelt werden, da es vielfach mit einer Überausbeutung und weiteren negativen Auswirkungen für die Lohnabhänigen einhergeht. 

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