Blassrosa Wirtschaftsvertreter wehren sich gegen ein schärferes Vorgehen gegen Scheinselbständigkeit und Lohndumping – und kommen sich dabei auch noch als Kämpfer für Kleinbetriebe vor.
Wien. Der „Sozialdemokratische Wirtschaftsverband Österreich“ (kurz SWV) empfindet die angekündigten, verschärften Kontrollen im Transportgewerbe als gemeines „Pauschalurteil“. In einer weinerlichen Presseaussendung malt SWV-Vizepräsidentin und Geschäftsführerin eines kleinen Transportdienstes, Katarina Pokorny, den Teufel an die Wand: In der Hoffnung, Geld für die Staatskasse zu beschaffen, werde eine ganze Branche unter Generalverdacht gestellt.
Konkret geht es um Aufstockungen der Kontrollen beim Paketversand (sowie am Bau), die beim origineller Weise Ende Juni vorgelegten „Finanzpolizei-Kontrollplan 2021“ angekündigt wurden. Tatsächlich sind Lohn- und Sozialdumping, undurchsichtige Firmengeflechte sowie maximale Ausbeutung der Fahrerinnen und Fahrer im Zustellgewerbe weit verbreitet und teils überhaupt erst die Basis dafür, dass Internetriesen kostenfreie Lieferungen anbieten können.
Illegale Geschäftspraktiken: Regel, nicht Ausnahme
Wovor sich Pokorny fürchtet, ist de facto eine PR-Aktion des angeschlagenen Finanzministers Gernot Blümel. Immerhin wehrt sich die ÖVP seit Jahren dagegen, die Finanzpolizei personell deutlich aufzustocken. Stattdessen soll über Schwerpunktaktionen und Pressekonferenzen der Eindruck vermittelt werden, es würde gegen „schwarze Schafe“ hart durchgegriffen. Tatsächlich zeigen Razzien im Umfeld eines Amazon-Verteilzentrums (wir berichteten): Bis es zu Strafen kommt, vergehen oft Monate – und dann sind viele beteiligte Briefkastenfirmen schon nicht mehr existent. So lange die Finanzpolizei zu wenig personelle Ressourcen hat, wird das – Schwerpunktaktionen hin oder her – auch so bleiben.
Die Sozialdemokraten vom SWV sehen sich als heldenhafte Verteidiger „der korrekt-fahrenden, österreichischen KleintransporteurInnen“, wenn sie mehr Kontrollen als Schikanen darstellen. Tatsächlich erledigen sie aber die Drecksarbeit der großen Konzerne, die von undurchsichtigen Firmengeflechten aus Subunternehmern und Scheinselbständigen profitieren. Dieselben Scheinargumente, wie sie jetzt Pokorny vorbringt, kennen wir bereits zur Genüge von der schwarzen Landwirtschaftskammer und von der ständig jammernden Gastronomie: Eigentlich sind eh alle ur-brav, deshalb bloß nicht kontrollieren oder gar noch schärfere Gesetze.
Die rosarote Traumwelt des SWV
De facto sind die allermeisten Zusteller abhängig Beschäftigte. Das durch windige Konstruktionen zu kaschieren, sie als Unternehmer zu bezeichnen, ihnen die Rechte von gewöhnlichen Lohnabhängigen zu nehmen, ändert nichts daran. Die miesen Arbeitsbedingungen können nur durch gemeinsamen Kampf überwunden werden. Aber der SWV will lieber in seiner rosaroten Traumwelt leben, wo brave und tüchtige Einzelunternehmer die Versandgiganten in Schach halten.
Quelle: OTS