HomeFeuilletonÜber die Verleihung der Staatsbürgerschaft in der EU

Über die Verleihung der Staatsbürgerschaft in der EU

Gastautor: Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck

Welche Staatsbürgerschaft erwartet die auf Lesbos gestrandeten und von Europa ausgeschlossenen Flüchtlingsfamilien mit ihren von Leid und Elend traumatisierten Kinder? Oder welche Staatsbürgerschaft haben die hunderttausenden palästinensischen Flüchtlinge, die ihre angestammte Heimat verlassen mussten?

Roman Abramowitsch (*1966) ist ein aus Russland kommender Repräsentant des europäischen Reichtums. Vor kurzem hat ihn Portugal als Staatsbürger aufgenommen. Hintergrund ist, dass seit 2015 Nachkommen der um die Wende zum 16. Jahrhundert aus Spanien (Sefarad) und Portugal vertriebenen und über Europa, Nordafrika, Lateinamerika und dem Orient sich zerstreuenden Juden (Sepharden) seit Mai 2015 Anspruch auf einen portugiesischen Pass haben. Davon hat Abramowitsch Gebrauch gemacht, weil er sich als Nachkomme einer sephardischen Flüchtlingsfamilie ausgibt. Jedenfalls hat er jetzt als angenommener Nachkomme einer Flüchtlingsfamilie neben einem russischen und einem israelischen Pass einen portugiesischen, also einen EU-Pass. Anstoß für Abramowitsch, die portugiesische Staatsbürgerschaft anzunehmen, war, dass Großbritannien, wo er gemeldet war oder ist, aus der EU 2020 ausgetreten ist. Aber wie weiß Abramowitsch überhaupt, dass er Nachkomme einer sephardischen Flüchtlingsfamilie aus der Wende zum 16. Jahrhundert ist? Bestätigt haben ihm das die jüdische Gemeinde von Porto und sephardische Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Hamburg, „denen er hohe Summen für geplante Projekte spendete“.

Das alles lässt sich in der Zeitschrift „Jüdisches Europa. Jüdisches Leben in Deutschland, Österreich und Frankreich“ (Ausgabe 4, 2021, S. 14) lesen. Eine kleine Illustration des in den Jahren der kapitalistischen Restauration in Russland gerafften Reichtums von Abramowitsch darf dort auch nicht fehlen: „Zu seinen Besitztümern zählt unter anderem der britische Fußballclub FC Chelsea, mehre Yachten sowie das Château de la Croȅ an der französischen Côte d’Azur, die einst dem abgedankten englischen König Edward VIII. und Wallis Simpson, sowie dem Reeder Aristoteles Onassis gehörte. Das >Leitenschlössl< in Garmisch-Partenkirchen ist ein weiteres extravagantes Anwesen, das aus seinen zahlreichen Immobilien hervorsticht. Sein Vermögen umfasst auch eine Sammlung diverser Kunstschätze“. Es ist wahrlich notwendig, die Welt zu verändern! 

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