HomeFeuilletonGeschichteVor 90 Jahren: Höttinger Saalschlacht

Vor 90 Jahren: Höttinger Saalschlacht

Am 27. Mai 1932 setzten sich Tiroler Sozialdemokraten und Kommunisten rund um die Ereignisse der Höttinger Saalschlacht gegen den Nazifaschismus zur Wehr. 

Während Hötting heute zur Stadt Innsbruck gehört, war der Ort im Jahr 1932 noch eine eigenständige Gemeinde, nordwestlich der Landeshauptstadt, zwischen Flussufer und Nordkette gelegen. Es handelte sich damals um eine Bastion der Arbeiterbewegung in Tirol: Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) stellte den Bürgermeister und die Gemeinderatsmehrheit, auch die KPÖ war ein relevanter Faktor.

Aus diesem Grund plante die österreichische NSDAP für den 27. Mai 1932 eine gezielte Provokation: Sie wollte im Gasthaus „Goldener Bär“ – einem traditionellen Treffpunkt der Arbeiterschaft in der Schneeburggasse, der auch als „Kammerhof“ bekannt war – eine Versammlung durchführen. Den Beschwichtigungen der SDAP-Führung zum Trotz entschieden die Arbeiter aus Hötting und Umgebung, dies nicht zuzulassen – sie wollten klarmachen, dass in ihrer Gemeinde kein Platz sei für den Nazifaschismus.

Und so blieb es nicht bei einer Gegenkundgebung in sicherer Entfernung, sondern die bewusstesten Sozialdemokraten, Schutzbundangehörige und Kommunisten schritten zur widerständigen Tat. Viele fanden sich im Veranstaltungssaal im „Goldenen Bären“ ein, um das Nazi-Event zu verhindern. Seitens der Faschisten wurde die SA aufgeboten – und noch vor Beginn der erste Sessel gegen die kommunistische Gruppe geworfen. Die Situation eskalierte rasch, es flogen weitere Stühle, Bierflaschen und Gläser, doch es handelte sich um weit mehr als eine „Wirtshausschlägerei“.

Einige Teilnehmer hatten sich mit Holzknüppeln bewaffnet, andere auch mit Messern, sogar Schüsse wurden abgefeuert. Die Arbeiter eroberten die große Hakenkreuzfahne, die sich auf der Bühne befand, und zerstörten sie. Erst durch einen Polizeieinsatz fanden die Kämpfe ein Ende, als die Gendarmerie unter erheblichem Gewalteinsatz die Arbeiter aus dem Saal drängte und anschließend mithilfe einer Armeeeinheit das Gasthaus gegenüber einer wachsenden antifaschistischen Menschenmenge abriegelte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Sozialdemokraten und Kommunisten 16 ernsthaft Verletzte zu verzeichnen, die Nazis 19. Ein SA-Mann starb an den Folgen von Messerstichen.

Die Saalschlacht fand im Laufe des Abends und der Nacht ihre Fortsetzung in weiteren Scharmützeln im Gemeindegebiet, aber auch im angrenzenden Innsbruck lieferten sich Sozialdemokraten und Kommunisten tätliche Auseinandersetzungen mit Nazis und Polizisten. Das NSDAP-Büro in Wilten wurde angegriffen. Der austrofaschistische Heimwehrführer und „christlich-soziale“ Landtagsabgeordnete Richard Steidle wurde von aufgebrachten Innsbrucker Arbeitern mit Steinen beworfen. Erst am nächsten Tag kehrte wieder Ruhe ein.

Die Höttinger Saalschlacht markiert einen kämpferischen Widerstandsakt der organisierten Arbeiterklasse gegen den Nazi-Faschismus. Sozialdemokraten und Kommunisten wehrten sich gemeinsam gegen den faschistischen Feind, der nur aufgrund der Unterstützung durch die bürgerliche Staatsmacht am 27. Mai 1932 in Hötting nicht verdientermaßen aufgerieben wurde. 

Die Ereignisse bieten ein Beispiel der Tatkraft der Arbeiterklasse, gaben aber auch einen Ausblick, wie der entschlossene Widerstand gegen den Faschismus ungeachtet der Abwiegelung durch die SP-Führung aussehen muss. In dieser Tradition kämpften die bewusstesten Teile der österreichischen Arbeiterbewegung im Februar 1934 gegen den Austrofaschismus und von 1938 bis 1945 gegen den deutschen Faschismus.

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