Trotz Sommerferien herrscht an Wiens Schulen Alarmstimmung: Hunderte Lehrerstellen sind unbesetzt, besonders in Volksschulen und Pflichtfächern wie Deutsch und Sport. Die Bildungsdirektion sucht im August weiter intensiv – die Gewerkschaft warnt dennoch vor einem „schwierigen“ Herbst.
Mitten in den Sommerferien schlägt die Bildungsgewerkschaft Alarm: In Wiens Schulen fehlen weiterhin mehrere hundert Lehrerinnen und Lehrer – besonders stark betroffen sind Volksschulen sowie Pflichtschulfächer wie Deutsch und Sport für Mädchen. Auch bei Deutschförderkräften und Sonderpädagoginnen und ‑pädagogen herrscht akuter Personalmangel. Die Bildungsdirektion bemüht sich mit einem Sommer-Bewerbungsfenster um kurzfristige Lösungen, doch der Schulstart im Herbst droht schwierig zu werden.
Schulstart „irgendwie“ – Gewerkschaft warnt vor Dauerprovisorium
Thomas Krebs, Lehrervertreter und langjähriger Beobachter der Personalsituation, zeigt sich im ORF-Interview besorgt: „Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre ist es sich immer irgendwie ausgegangen. Aber dieses ‚irgendwie‘ ist das, was mich stört. Wieso lernt man nicht dazu, dass ‚irgendwie‘ zu wenig ist?“ Allein im Juli seien rund 70 Kündigungen eingegangen, mit weiteren sei zu rechnen. „Der Start wird schwierig sein“, so Krebs.
Erstmals überhaupt wird auch während der Sommermonate gezielt nach Lehrkräften gesucht. Die Bildungsdirektion Wien öffnet dafür von 11. bis 16. August ein eigenes Bewerbungsfenster. Bereits bis Mitte Juli seien laut eigenen Angaben rund 1.250 neue Lehrpersonen an Wiener Schulen zugewiesen worden – laufende Anstellungen inklusive. Dennoch rechnet Bildungsdirektorin Elisabeth Fuchs mit einem erheblichen Fehlbestand: Zu Schuljahresende lag der Bedarf bei rund 2.000 Lehrkräften, es fehlen also noch mehrere hundert Personen.
Verzögerte Stundenpläne und Absagen kurz vor Schulschluss
Kritik kommt auch wegen der späten Stundenplanung: Erst kurz vor Ferienbeginn wurden die notwendigen Informationen von der Bildungsdirektion an die Schulen übermittelt. Zahlreiche Schulleitungen mussten daher ihre Planungen überarbeiten und bereits engagierten Lehrkräften wieder absagen. „Diese Kolleginnen und Kollegen wird man dann spätestens im Herbst wieder brauchen“, sagt Krebs. Das Sommerfenster ermögliche zumindest eine „Eigeninitiative“ der Schulen, um solche Kräfte erneut zu gewinnen.
Wachsende Belastung im Lehrerberuf – Quereinsteiger auf dem Vormarsch
Der Druck auf das bestehende Lehrpersonal steigt weiter. Immer mehr Lehrkräfte fallen krankheitsbedingt aus – teils über längere Zeiträume. Manche schaffen den beruflichen Wiedereinstieg nach dem Sommer nicht. Gleichzeitig verlassen etliche junge Lehrkräfte den Beruf bereits nach wenigen Wochen. In manchen Schulen stellen Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger bereits die Mehrheit des Kollegiums. Für die Gewerkschaft ist das keine nachhaltige Lösung. „Ich bin froh, dass es diese Kolleg:innen gibt, die mit dienstrechtlichen Nachteilen bereit sind zu unterrichten. Aber wir brauchen ausgebildete Pädagog:innen, die langfristig bleiben“, betont Krebs.
Forderung nach Reform der Ausbildung und besseren Rahmenbedingungen
Um langfristig gegenzusteuern, fordert die Gewerkschaft bessere Arbeitsbedingungen, mehr Unterstützung durch Administration, Schulsozialarbeit und Psychologie – und vor allem eine praxisnähere Ausbildung. „Wir brauchen eine ganz attraktive Ausbildung, die auch den Fokus auf die Pflichtschule in Wien setzt“, so Krebs. Studierende müssten frühzeitig mit der Realität des Wiener Schulalltags vertraut gemacht werden: „Das ist einfach eine Herausforderung, die Freude machen kann – wenn man darauf vorbereitet ist.“
Quelle: ORF