Als Nachwirkung des Falls Anna entbrennt in Österreich eine Debatte über das Sexualstrafrecht. Justizministerin Anna Sporrer will das Zustimmungsprinzip „Nur Ja heißt Ja“ einführen, während Fachleute wie der Verein Limes vor allem mehr Prävention und Therapieangebote für Jugendliche fordern.
Wien. Nach den Freisprüchen im Fall Anna wird in Österreich erneut über das Sexualstrafrecht diskutiert. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) plant, das Zustimmungsprinzip einzuführen: Nur ein klares „Ja“ soll als Einverständnis gelten. Das Prinzip, das bereits in mehreren europäischen Ländern gilt, soll mehr Rechtssicherheit für Betroffene schaffen.
Der Anwalt des Mädchens, Sascha Flatz, sieht darin jedoch keine grundlegende Verbesserung. Ein „Ja heißt ja“-Gesetz wäre seiner Ansicht nach nur eine „kosmetische Korrektur“, da die Beweiswürdigung weiterhin im Mittelpunkt stehe: „Ob das Gericht jetzt glaubt, dass das Opfer nein gesagt hat oder ob es glaubt, dass es nicht ja gesagt hat, kommt im Endeffekt im Rahmen der Beweiswürdigung zum gleichen Ergebnis und macht eigentlich nicht viel Unterschied“.
Zudem könne das Prinzip in manchen Situationen – etwa wenn Alkohol im Spiel ist – auch zu einer „Kriminalisierung“ führen, so Flatz. Er fordert stattdessen ein Berufungsrecht für Opfer, um gegen Urteile oder Anklagen vorgehen zu können.
Die Freisprüche von zehn Jugendlichen hatten in der Öffentlichkeit für große Empörung gesorgt. Der Wiener Verein Limes, der auf die Therapie jugendlicher Sexualstraftäter spezialisiert ist, sieht im Umgang mit den Beschuldigten eine verpasste Chance. Leiter Rainer Simader fordert mehr therapeutische Angebote, insbesondere für unter 14-Jährige und für Fälle ohne Verurteilung. Nur so könnten künftige Übergriffe verhindert werden.
Limes betreut derzeit rund 50 männliche Jugendliche im Alter zwischen elf und 21 Jahren, die vom Gericht oder der Jugendhilfe zugewiesen wurden. In den Therapien geht es um Einsicht, Verantwortung und Verhaltensänderung. Ein zentrales Thema ist dabei der bewusste Umgang mit Pornografie und das Erkennen von Zustimmung. „Wie erkenne ich, ob jemand wirklich zustimmt? Wann sollte ich mir ein klares Ja holen?“, sagt Therapeutin Eva Widmann.
Fehlende stationäre Therapieplätze für auffällige, aber nicht verurteilte Jugendliche bleiben laut Limes ein großes Defizit. In Deutschland gebe es solche Angebote bereits – in Österreich hingegen nicht. Simader betont: „Wer junge Täter versteht und früh begleitet, kann auch künftige Opfer schützen.“