Die aktuelle Neujahrsumfrage von IMAS zeichnet ein deutliches Bild: Ein großer Teil der Bevölkerung in Österreich blickt dem neuen Jahr mit Sorge, Skepsis oder bestenfalls verhaltenem Optimismus entgegen. Nur rund ein Drittel geht mit Zuversicht in das Jahr 2026. Diese Stimmung ist kein individuelles Stimmungsproblem, sondern Ausdruck einer tiefen, anhaltenden gesellschaftlichen Krise – einer Krise des kapitalistischen Systems selbst, die nicht nur ökonomische sondern auch soziale und ökologische Dimensionen umfasst.
Dass 61 Prozent der Befragten dem neuen Jahr mit Sorge oder Skepsis entgegensehen, ist kein Zufall. Als Hauptgründe werden Teuerung, steigende Preise, Kriege und eine negative politische Stimmung genannt. Damit benennt die Umfrage genau jene Faktoren, die den Alltag der arbeitenden Bevölkerung seit Jahren prägen: sinkende Reallöhne, steigende Mieten, hohe Energie- und Lebensmittelpreise sowie eine permanente Unsicherheit über die Zukunft in der die innerimperialistischen Widersprüche sich weiter zuspitzen.
Teuerung als Klassenfrage
Besonders aufschlussreich ist, dass die pessimistische Stimmung vor allem von „äußeren Faktoren“ gespeist wird. Die Teuerung wird von fast 40 Prozent der Besorgten sowie Skeptikerinnen und Skeptikern explizit genannt. Während Konzerne Rekordgewinne einfahren und Aktionäre Dividenden kassieren, kämpft ein wachsender Teil der Bevölkerung darum, den Alltag zu finanzieren. Diese Entwicklung ist keine Naturkatastrophe, sondern Resultat politischer Entscheidungen im Interesse des Kapitals: Preisliberalisierung, Privatisierungen, fehlende Preisdeckel und eine Politik, die Profite schützt statt Leben(sstandards).
Dass sich jene, die optimistisch in die Zukunft blicken, vor allem auf ihre „persönlich gute Lebenssituation“ berufen, unterstreicht den Klassencharakter der Krise. Optimismus ist dort möglich, wo Einkommen, Eigentum oder soziale Absicherung vorhanden sind. Für viele Lohnabhängige, Pensionistinnen und Pensionisten, Alleinerziehende oder prekär Beschäftigte ist diese Sicherheit längst verschwunden. Immer breitere Teile der Bevölkerung geraten in Notlagen und haben mit Engpässen zu kämpfen.
Dauerkrise statt Ausnahmezustand
Der Blick auf die langfristige Entwicklung des gesellschaftlichen Optimismus verdeutlicht, wie tief die Krise sitzt. Vor der Corona-Pandemie bewerteten noch fast 70 Prozent das jeweilige Jahr als gut. Mit der Pandemie brach dieser Wert dramatisch ein und hat sich bis heute nicht erholt. Pandemie, Krieg, Inflation und Klimakrise wirken nicht isoliert, sondern verschärfen ein System, das schon zuvor auf Kante genäht war. Der Kapitalismus befindet sich seit Jahren in einer strukturellen Krise und diese ist im eingeschrieben. Sie schlägt sich ob der Tiefe immer direkter im Alltagsbewusstsein der Menschen nieder. Dass der Optimismus 2025 mit 33 Prozent einen der niedrigsten Werte seit Jahrzehnten erreicht, ist Ausdruck dieser Realität.
Rückzug ins Private statt politischer Perspektive
Besonders alarmierend ist ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Nur acht Prozent der Befragten nehmen sich vor, sich politisch zu engagieren – ein historisch niedriger Wert. Stattdessen dominieren individuelle Vorsätze wie gesünder leben, mehr Sport treiben oder mehr Zeit für Familie und Freunde. Diese Wünsche sind verständlich, zeigen aber auch, wie sehr gesellschaftliche Probleme individualisiert werden.
Wenn politische Beteiligung zur Randerscheinung wird, ist das kein Zeichen von Zufriedenheit, sondern von Entfremdung. Viele Menschen erleben Politik nicht mehr als Instrument zur Veränderung ihrer Lebensbedingungen, sondern als abgehobenes Machtspiel, das ihre Interessen ignoriert. Diese Entpolitisierung ist gefährlich – und sie nützt vor allem jenen Kräften, die vom Status quo profitieren.
Quelle: Kleine Zeitung





















































































