Nach vorübergehender Ausrottung leben heute wieder rund 30 Wölfe in Österreich. Für den Tiroler Landeshauptmann Günther Platter ein untragbarer Zustand – er möchte die ohnedies bedrohten Tiere abschießen lassen.
Innsbruck. Der Wolf (Canis lupus) galt in Österreich für gut 120 Jahre als ausgerottet – 1882 war das letzte freilebende Exemplar des heutigen Staatsgebietes erlegt worden, danach gab es nur vereinzelte Grenzübertritte ausländischer Populationen. Seit Beginn dieses Jahrtausends kehrte der Wolf jedoch wieder nachhaltig nach Österreich zurück, nicht etwa durch Wiederansiedelungsprojekte wie beim Luchs, sondern durch natürliche Migration. Hierbei gibt es drei Herkunftspopulationen, nämlich aus den Westalpen (Italien, Schweiz), vom Balkan (via Slowenien) sowie aus den Karpaten (über Tschechien). Der gegenwärtige Bestand in Österreich wird auf etwa 30 Tiere geschätzt. Das ist, wenngleich eine Verdreifachung seit 2010, immer noch eine geringe Zahl, weswegen die EU-Kommission, die den Wolf generell als „streng zu schützende Art“ einstuft, für den Erhaltungszustand in Österreich von einer „ungünstig-schlechten“ Situation spricht. Dementsprechend gilt der Wolf auch nach österreichischer Rechtslage in den jeweiligen Landesjagdgesetzen als grundsätzlich „nicht jagdbar“ oder „ganzjährig geschont“. Nach Ansicht des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter soll sich das nun ändern. Er will, dass endlich wieder Wolfsblut fließt.
Platter bläst zum Halali
„Ich bin der Meinung, dass der Wolf bei uns keinen Platz hat“, gab der ÖVP-Politiker zu Protokoll. Er fordert eine Senkung des EU-Schutzstatus’, damit gezielte Abschüsse möglich werden. Offenbar strebt Platter eine abermalige Ausrottung der bedrohten Tierart an. Begründet wird das Ansinnen mit wirtschaftlichen Bedürfnissen, denn die Präsenz des Wolfes in Tirol stelle angeblich eine Gefahr für den Tourismus, die Landwirtschaft und Almwirtschaft dar. Der Landeshauptmann verweist darauf, dass in seinem Zuständigkeitsbereich binnen eines Jahres 90 Nutztiere durch Wolfsrisse getötet worden seien, vor allem Schafe und Ziegen, und spricht sich für ein Ende der „Wolfsromantik“ aus. Die Sorgen der Bauernschaft, die ohnedies permanent um ihre Existenz kämpfen muss, ist nachvollziehbar, wenngleich der Anteil von Nutztieren an der Jagdbeute des Wolfes nur 1% ausmacht. Was Platter jedoch bewusst übersieht, ist die Tatsache, dass für diese Fälle einerseits Entschädigungszahlungen möglich sind (aber die müsste natürlich das Land leisten), andererseits sollte man wohl einfach mehr auf Herdenschutz und Behütung setzen. Man kann von einem Wolf nämlich nicht erwarten, dass er einen signifikanten Unterschied erkennen kann zwischen einem für ihn zulässigerweise jagdbaren Wildtier und einem frei umherlaufenden Schaf, auf das weder Hirte noch Hirtenhund aufpasst. Man müsste daher, mit finanzieller Unterstützung von Land, Bund und EU, in wirksame Umzäunungen und die professionelle Ausbildung von Hirtenhunden – wie etwa in der Schweiz – investieren; im Tiroler Bezirk Landeck gibt es übrigens auch einen vielversprechenden Versuch mit dem Einsatz von Lamas zur Abschreckung von Wölfen.
Profite stehen für ÖVP über Tierschutz
Natürlich haben wir es mit einer Frage der politischen Prioritätensetzung zu tun. Wo allerdings die Prioritäten der ÖVP Tirol liegen, wissen wir spätestens seit dem Corona-Skandal von Ischgl sehr genau: Es geht um den kapitalistischen Maximalprofit um jeden Preis. Wer nicht einmal an den Schutz menschlicher Gäste aus Island denkt, dem ist natürlich auch das Überleben einer bedrohten und zurecht geschützten Tierart vollkommen egal. Der grüne Koalitionspartner von Platter – man könnte schwören, die hatten früher mal irgendwas mit Tierschutz zu tun – macht wie immer alles mit (siehe Felipes Verhalten rund um den „Luder-Sager“). Es bleibt zu hoffen, dass Platters widerwärtiger Vorstoß für die sinnlose Tötung und neuerliche Ausrottung des Wolfes eine klare Absage erhält, und wenn diese aus Brüssel kommen muss. Der Mensch hat sich historisch schon ausreichend als größter Feind des Wolfes „bewährt“, inklusive vielerlei Diffamierungen als Voraussetzungen der Verfolgung. Es ist höchst an der Zeit, dass der Mensch als dominante Spezies der Evolutionsgeschichte (oder im Platter-Weltbild: Krone der Schöpfung) nicht nur seine Vorteile im Blick hat, sondern seine daraus resultierende Verantwortung für andere Lebewesen wahrnimmt: Es ist die Pflicht des Menschen, den Wolf zu schützen und ihm ausreichend Lebensraum zu überlassen. Auch in Tirol ist durchaus genug Platz für den Wolf. Leute wie der schießwütige Herr Platter, die keine Rücksicht auf die natürliche Fauna, auf Umwelt- und Artenschutz nehmen, sollten hingegen in einer verantwortungsvollen Politik des 21. Jahrhunderts keinen Platz mehr haben. Die Schonzeit ist längst vorbei.