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Friedensbücher des österreichisch jüdischen Kommunisten Bruno Frei in einer erhofften Zeitenwende – Teil 1

Gastautor: Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck 

Einige Daten aus dem Leben von Bruno Frei

Wenn in der Gegenwart von der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) die Rede ist, wird von Seiten der den herrschenden Parteien ergebenen Intellektuellen nicht vergessen, diese floskelhaft als „Unrechtsstaat“ abzutun. Damit das so bleibt, kauft sich die zu Kriegen treibende und Kriege führende Bundesrepublik Deutschland (BRD) über verschiedene Institutionen wie über die „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ die ihr passenden Darstellungen. Experten dafür findet sie zuhauf. Nirgends kommt es auf die Wahrhaftigkeit der historischen Interpretation an, sondern ausschließlich auf deren Verwendbarkeit für die Interessen der herrschenden imperialistischen und kriegshetzerischen Eliten in Europa mit seinem deutschen Zentrum.

Bruno Frei (Benedikt Freistadt; 1897–1988) wurde in seinen Jugendjahren in Wien vom kleinbürgerlich jüdischen Herkunftsmilieu geprägt.[1] Nach seiner Übersiedlung von Wien nach Berlin (1921) orientierte sich Bruno Frei angesichts der Bedrohung durch die mit Adolf Hitler (1889–1945) anwachsende deutsche faschistische Bewegung an der deutschen Kommunistischen Partei, zumal ihm die Geschichte der Österreichischen Sozialdemokratie die Einsicht vermittelt hatte, dass in bestimmten historischen Prozessen Kompromissbereitschaft nur Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse bedeutet. Sporadisch veröffentlichte er seit 1925 in der „Weltbühne“ und bewegte sich im weiteren Umfeld von Carl von Ossietzky (1889–1938), der 1936 nach einer weltweiten Kampagne den Friedensnobelpreis erhielt. Ihm schuf Bruno Frei ein bleibendes literarisches Denkmal.[2] Nach der Machtergreifung der deutschen Nationalsozialisten floh Bruno Frei nach Prag, wo er Anfang März 1933 eintraf. Dort verband er sich mit Franz Carl Weiskopf (1900–1955) und Wieland Herzfeld (1896–1988) in einer Arbeitsgemeinschaft, die den „Gegen-Angriff“ als Organ der deutschsprachigen antifaschistischen Emigration herausgab. Er selbst schrieb scharf artikulierte Artikel gegen jede Feigheit im antifaschistischen Kampf.[3] 1936 aus Prag ausgewiesen, gelang es ihm über Straßburg in die Schweiz nach Basel zu kommen und von dort auf Wunsch von Walter Ulbricht (1893–1973) nach Paris. Nach einem Bericht der Schweizerischen Bundesanwaltschaft vom Mai bis Juli 1938 leitete „Bruno Frei alias Freistadt“ den technisch-literarischen Teil des von Kurt Grossmann (1897–1972) betreuten Flüchtlingskomitees. Grossmann galt für die Bundesanwaltschaft der Schweiz, die befürchtete, nach Prag zur wichtigsten Operationsbasis der Komintern geworden zu sein, als „Kominternagent“.[4] Die Geheime Staatspolizei in Berlin notierte aufgrund von Spitzelberichten in ihrer für Bruno Frei („Dr. Freiststadt, Bruno Benedikt, 11. 6. 97 Preßburg, geb., Redakteur, St. A. Oesterreich. Jüdisch-kommunistischer Schriftsteller und Redakteur“) angelegten Personalakte,[5] dass dieser in Paris Vertreter von Willy Münzenberg (1899–1940) beim „Exekutiv-Komité“ (19. März 1937) und Mitarbeiter der argentinischen Zeitung „Volksfront“ (8. April 1937) sei und den Auftrag habe, Verbindungen für durchreisende „KPD-Leute“ herzustellen und die Emigration zu überwachen (13. April 1937). Bei der Weltaktionskonferenz für den Frieden am 23. / 24. Juli 1938 in Paris habe er an einer „Denkschrift deutscher Friedensfreunde über Hitlers Kriegspolitik und den Friedenswillen des deutschen Volkes“ mitgearbeitet (16. September 1938) und gelte in „Kommunistenkreisen“ als „Liebling“ von Josef Stalin (1878–1953). Die Gestapo wusste, dass Bruno Frei im Konzentrationslager Vernet untergebracht wurde (4. März 1940), und erhielt nach der Besetzung von Paris vom dortigen deutschen Sonderkommando schon am 9. August 1940 ein Namenverzeichnis von hauptsächlich führenden kommunistischen Funktionären, unter denen Bruno Frei mitverzeichnet war. 

Vom Oktober 1939 bis Jänner 1941 war Bruno Frei wie tausende andere Antifaschisten im Lager Le Vernet interniert. Zehn Jahre später veröffentlichte er darüber ein dokumentarisches Buch, in dem nicht der einzelne Gefangene, sondern die „Partisanen der Freiheit“ in ihrer Gemeinschaft gewürdigt werden.[6] Bruno Frei gelang es, nach Mexiko weiter zu flüchten, wo er sich wie der ihm bekannte altösterreichische Jude Leo Katz (1892–1954) der Emigrantengruppe Acción Republicana Austriaca en Méxiko (ARAM) anschloss. Bruno Frei wurde Herausgeber und Chefredakteur der österreichischen Exilzeitung Austria Libre.[7] Nach Ende des Krieges kehrte Bruno Frei aus Mexiko nach Wien zurück, wo er für die Kommunistischen Partei Österreichs als vielschreibender Journalist in Wien und im Ausland tätig wurde.

„Die Stafette. Historische Miniaturen“ (1958)

Seit seiner Teilnahme am Weltkongress der Intellektuellen zur Verteidigung des Friedens in Wrocław (25. August – 28. August 1948) war Bruno Frei wiederholt teils als Delegierter, teils als Berichterstatter auf internationalen Zusammenkünften der Weltfriedensbewegung. Heute ist Wrocław Frontstadt der zum Krieg treibenden NATO ist.[8] „Der Friede muss begründet werden. Man wirbt für den Frieden. Es gibt Friedensmanifeste, Friedenskongresse, Friedensdiskussionen“ – so schreibt Bruno Frei in seinem Vorwort, um auch festzustellen, dass eine Wegstrecke noch keine Stafette ist: „Erst der innere Zusammenhang der Episoden erschließt den Leitgedanken dieses Buches: die Botschaft des Friedens ist so alt wie die Menschheit. Sie ist eine Kampfbotschaft“. Die Utopisten des ewigen Friedens, ob religiös oder atheistisch, haben Bruno Frei immer wieder beschäftigt. 1959 konnte er im Berliner Aufbau-Verlag das Buch „Die Stafette. Historische Miniaturen“ veröffentlichen.[9] Bruno Frei beginnt seine 26 Erzählungen im Zweistromland („Das Vermächtnis des Ur-Nammu“, S. 13–17), in Palästina mit dem um 30 n. u. Z. hingerichteten Jesus von Nazareth und den dort herrschenden Krieg zwischen Juden und Arabern („Auf den Spuren der Bergpredigt“, S. 18–32) und im alten China („Tu Fu, S. 33–46) und lässt Botschaften des Friedens bis in seine Gegenwart reichen. Der Text seines Buches ist belletristisch geschrieben, ohne die Wegrichtung hin zur wissenschaftlichen Begründung des Friedens aus den Augen zu verlieren. Die Erzählung „Der Weise von der Grashütte“ handelt vom chinesischen Lyriker Tu Fu (712–770)[10] und ist von Bruno Frei in China konzipiert worden, wo er sich seit dem Frühjahr 1957 aufgehalten hat. Lesbar und zum Nachdenken anregend sind seine Impressionen über Odilo (962‑1049), Abt des Benediktinerklosters Cluny (962‑1049), der den Allerseelentag der katholischen Kirche eingeführt hat (S. 47–57), über Erasmus von Rotterdam (1466–1536), der gefordert hat, die Kriegsursachen zu erkennen (S. 58–74), über das Haupt der französischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts François Marie Voltaire (1694–1778) (S. 75–88), über den schottischen Wanderprediger George Fox (1624–1691) (S. 88–107) und über den schweizerisch-französischen Philosophen Jean Jacques Rousseau (1712–1778) (S.108–127). Es folgt ein fiktionales Gespräch der „Tischgesellschaft“ bei Immanuel Kant (1724–1804) (S.128–140). „Der gelehrte Grobschmied“ (S. 141–157) handelt vom US-amerikanischen Friedensaktivisten Elihu Burritt (1810–1879), „Ein Drechsler im Reichsrat“ (S. 158–170) von August Bebel (1840–1913) und dessen politische Differenzen mit Wilhelm Liebknecht (1826–1900). „Das Herz einer Frau“ (S.171–185) ist jenes von Bertha von Suttner (1843–1914), die hoffte, dass die Ideen über den Frieden nicht verschwinden können. In der Erzählung „Die Namenlosen“ (S.186–195) erinnert Bruno Frei mit der in die Vergessenheit gedrängte Lehrerin deutscher Herkunft in Boston Anna Bernhardine Eckstein (1868–1947) an Millionen namenloser Friedenskämpferinnen. Anna B. Eckstein hat eine von Bertha von Suttner und Alfred Hermann Fried (1864–1921) unterstützte Weltpetition für den Frieden auf den Weg gebracht haben. Mit ihren Vorschlägen, die Erde zu einem einzigen „Postgebiet“ und einem „einzigen Schutzgebiet gegen internationale Vergewaltigung“ zu bilden, erinnert das deutsche „Fräulein“ Eckstein Bruno Frei an Abbé de Saint Pierre (1658–1743). In ihren Schulferien ist diese oft belächelte Lehrerin von Land zu Land gereist, um Unterschriften zu sammeln. Mit der Überschrift „Ein Rufer in der Wüste. Lenin 1914“ (S. 196–211) und der vorangestellten Sentenz von Jesaja (40,3): „Es ist eine Stimme eines Rufers in der Wüste“[11] folgen prinzipienfeste Weckrufe von Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924), denen Bruno Frei Phrasen der sozialdemokratischen Opportunisten gegenüberstellt. Eine Stelle des Zentristen Karl Kautsky (1854–1938) aus der „Neuen Zeit“ vom 2. Oktober 1914 überschreibt Bruno Frei: „Proletarier aller Länder, schlachtet euch!“. Zum Schluss zitiert er Lenins überlieferten Ausspruch: „Es ist kein Unglück, dass wir nur wenige sind, Millionen werden mit uns sein“ mit der Überschrift „Der Prophet“ (S. 211). So dachte über Lenin auch Pierre Teilhard de Chardin SJ (1881–1955), der in seinen Überlegungen, wie die Menschheit zu retten ist, von den im Evangelium Lenins verborgenen geistigen Kräfte schreibt.[12] Der Appell von Papst Benedikt XV. (1854–1922) an die Staatsführer der kriegführenden Nationen, „wieder Brüder zu werden“, ist Textgrundlage für „Kanzler und Papst“ (S. 212–229). „Sturmwind, wie Du“ (S. 230–240) handelt von der Inhaftnahme und der Gerichtsverhandlung vor einem Berliner Militärgericht von Karl Liebknecht (1871–1919) wegen seines Rufes „Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!“. „Streng Geheim“ (S. 241–256) handelt von Nikolai Grigorjewitsch Markin (1893–1918), der als roter Matrose für die neue, friedvolle Sowjetzeit sein Leben einsetzte. Bedrückend die protokollarische Wiedergabe „Die Erschießung des Franz Rasch“ (S. 257–262) am 8. Februar 1918. Dieser für den Frieden und gegen den habsburgischen Krieg eintretende Matrose von Cattaro steht in einer Reihe mit seinen Erinnerungen an den wegen seiner Kriegserklärung an die Kriegstreiber verehrten Karl Kraus (1874–1936) („Begegnung mit Karl Kraus“, S. 263–268). Die Geschehnisse rund um die Inhaftierung von Ossietzky durch die deutschen Faschisten („Nobelpreis 1936“, S. 269–287) werden ebenso erzählt wie ein „Gerichtstag in Delhi“ (S. 288–304) über den aus einer religiösen Hindufamilie stammenden und von einem militanten Hindu ermordeten Mahatma (Mohandas Karamchand) Ghandi (1869–1948), der Botschafter für den nationalen Befreiungskampf der indischen Völker von Unterdrückung und Ausbeutung war und alle Völker aufforderte in Frieden zu leben. „Die Lehrerin“ (S. 305–313) ist eine Episode aus dem Leben der chilenischen Friedenskämpferin Gabriela Mistral (1889–1957) und geht der „Kettenreaktion“ der Friedensimpulse des Chemie-Nobelpreisträgers Frédéric Joliot-Curie (1900–1958), von dem die Ächtung der Atomwaffen ausgegangen ist, voraus (S. 314–327). Die Inspiration zu seinen beiden Legenden aus China „Kapitulation in Sian“ (S. 328–351) und „Der Trinkspruch“ (S. 352–361) hat Bruno Frei in China gewonnen. Sein Nachwort (S. 362–373) nimmt die vom internationalen Jugendtreffen im Sommer 1957 in Moskau ausgehende Hoffnung für eine friedliche Zukunft auf. Mit Rückblick auf die Gräuel des zweiten Weltkrieges werden von ihm die wachwerdenden Erinnerungen eines westdeutschen Mädchens an die Bombennächte begleitet und der deutsche Schriftsteller Leonhard Frank (1882–1961) zitiert: „Das Herz der Menschheit ist gegen den Krieg. Die Jugend der Welt wird ihren Teil dazu beitragen, den dritten Weltkrieg zu verhindern. Das Zeitalter des Friedens hat begonnen“ (S.373). Dass dem nicht so ist, zeigt die Gegenwart des dritten Weltkrieges.

Anni Seipel und Hans Schulze begutachten 1958 das Typoskript „Die Stafette“

Der Aufbau-Verlag hat das von Bruno Frei eingereichte Typoskript von Bruno Frei über die Universalität der Friedensbewegung Anni Seipel (1908–1995) und Hans Schulze (*1926) zur Begutachtung zugewiesen. Davor hat sich der seit amtierende Cheflektor Günter Caspar (1924–1999) mit dem Typoskript selbst befasst, es scheinen diesem Bedenken gekommen zu sein, ob seine Verbesserungswünsche ausreichend sind. Bruno Frei hat aus Peking am 28. Mai 1958 geschrieben, er werde sich bemühen, „durch Hinzufügung einiger neuer Elemente die Position des sozialistischen Lagers im Kampf um den Frieden zu verstärken“. Nicht verstehe er allerdings, weshalb das Kapitel „Das Gesicht des Jesaja“ herausgenommen werden solle. Er begreife nicht, „wie eine Episode aus der Geschichte des vorchristlichen Staates Judäa, die ich auswählte, um die Neutralitätspolitik eines kleinen Staates zu charakterisieren, kirchliche Kreise in der DDR stören kann“.[13]

Das Gutachten von Anni Seipel ist unterm 4. Dezember 1958 datiert, jenes von Hans Schulze ist undatiert.[14] Anni Seipel war seit ihrer Jugend Kommunistin, musste vor den deutschen Faschisten fliehen, kam über die Tschechoslowakei (1936) nach Großbritannien (1939), wo sie Organisationssekretärin für die „Freie Deutsche Bewegung“ (1939–1946) war. In Berlin war sie zuerst beim Berliner Rundfunk tätig, dann war sie Lektorin beim Amt für Literatur und Verlagswesen der DDR. Als Mitglied des Afro-Asiatischen Solidaritätskomitees der DDR erhielt Anni Seipel 1968 den Vaterländischen Verdienstorden in Silber.[15] Mit zwei Erzählungen von Bruno Frei war Anni Seipel gar nicht einverstanden, weil sie ihrer Meinung nach geeignet waren, „Verwirrung zu stiften und Illusionen zu wecken“. Die eine Erzählung handelt von der Schlacht von Solferino (24. Juni 1859) und der Gründung des Internationalen Roten Kreuzes durch den schweizerischen Geschäftsmann Henri Dunant (1828–1910). Anni Seipel schreibt: „In Solferino übernahm man – entgegen den bisherigen Gepflogenheiten der Kriegsführung – gefangene österreichische Wundärzte in französische Dienste. Der darum kämpfte, der Schweizer Henri Dunant, war der Sohn eines >christlich-frommen< Bankiers. Er kam nach Italien, um von Napoleon III. [(1808–1873)] eine Konzession für eine Genfer Aktiengesellschaft in Algier zu erwirken. Also die Wunden heilen, auf dass neue geschlagen werden können! Die Schlacht von Solferino hat vor hundert Jahren stattgefunden. Es erübrigt sich, zu erwähnen, dass seither die Konvention über die Behandlung von Verwundeten und Gefangenen immer wieder in der brutalsten Weise verletzt wurden, wenn es das räuberische imperialistische Interesse erforderte. Nicht nur die Hitlerfaschisten begingen Ungeheuerlichkeiten an wehrlosen Gefangenen und Verwundeten, obwohl sie im 2. Weltkrieg alle verübten Grausamkeiten in den Schatten stellten“. Dieses Kapitel über Solferino hat Bruno Frei zurückgezogen, es blieb ungedruckt und das war auch gut so.[16] Auch seine Erzählung „Kanzler und Papst“ war für Anni Seipel so nicht tragbar: „Papst Benedikt XV. hatte am 1. August 1917 die vergebliche Aktion unternommen, an alle Staatsoberhäupter der kriegführenden Nationen zu appellieren, >wieder Brüder zu werden<. Die Friedensbemühungen Benedikts in Ehren! Indessen, wird der denkende Leser nicht fragen: >Welchen Widerhall fand, nur wenige Monate später, Lenins Friedenruf >An Alle, Alle, Alle< bei diesem Friedenspapst? In Anbetracht der äußerst gefährlichen Rolle des politischen Klerikalismus – es ist hinlänglich bekannt, dass der Vatikan trotz seiner platonischen Verdammung der Atombombe ein treuer Verbündeter des aggressiven amerikanischen Imperialismus ist, aufs engste mit dem internationalen Finanzkapital liiert – sollte man auf dieser >Wegstrecke< in der Friedensstafette verzichten, auch wenn der Autor berichtet, dass nach dem Scheitern des Appells an die Staatsoberhäupter die >Niedergeschlagenheit< des Heiligen Vaters allgemein auffiel“. Dieses Kapitel wurde mit einigen von Bruno Frei formulierten Verbesserungen – z. B. „In Rom hatte man früher als anderswo das Gespenst wahrgenommen, das die überkommende Ordnung, weltliche Macht und geistliche Zucht, bedrohte: das Gespenst der Revolution“ – in das Buch aufgenommen. Auch andere Wünsche von Anni Seipel fanden Berücksichtigung. Im Typoskript stand in der Erzählung zum „Nobelpreis 1935“ der Satz: „Ossietzky rief zum Zusammenschluss der Linken. Als er sah, dass die Arbeiterklasse, in tragischem Bruderkampf verstrickt, ihre historische Stunde versäumte, nahm der letzte liberale Bürger den Partisanenkampf gegen die deutsche Generalität auf“. Dazu hat Anni Seipel angemerkt: „Es ist richtig, dass Ossietzky zum Zusammengehen der beiden Arbeiterparteien aufrief und die Arbeiterklasse infolge ihrer unseligen Spaltung geschwächt war. Die lakonische Formulierung wird jedoch dem beharrlichen Ringen der KPD um die antifaschistische Einheitsfront nicht gerecht. Auch wurde nicht nur Ossietzky wegen seines >Partisanenkampfes< gegen die deutsche Generalität verfolgt, über 100 kommunistische Redakteure waren damals wegen ihres konsequenten Friedenskampfes eingekerkert!“

Zur Darlegung in der Erzählung „Gerichtstag in Delhi“ wünschte sich Anni Seipel die Streichung des Satzes: „Die Lehre des gewaltlosen Widerstandes hatte die Nation zur Unabhängigkeit geführt“, denn: „So formuliert ist das wissenschaftlich nicht einwandfrei. Ohne den Sieg der Sowjetunion und des nicht gewaltlosen Widerstandes des großen chinesischen Volkes und der antiimperialistischen Kriege der Kolonialvölker hätte die Lehre vom gewaltlosen Widerstand in Indien allein nicht die Unabhängigkeit errungen. Außerdem: ökonomisch ist Indien leider nicht so unabhängig!“

Insgesamt begrüßte Anni Seipel die Drucklegung, weil der Wert eines solchen Buches nicht zu bezweifeln sei, „umsomehr, da im Vorwort eine gute wissenschaftliche Darlegung der Entwicklung des Friedensgedankens gegeben wird“. 

Hans Schulze wurde als Jugendlicher zur Wehrmacht eingezogen und war nach Kriegsende bis 1949 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Heimkehr konnte er die Arbeiter- und Bauernfakultät in Berlin (1952) absolvieren und das Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität beginnen. Er dissertierte über die Geschichtsphilosophie von Arnold J. Toynbee (1889–1975) und seines in Frankfurt a. M. wirkenden Propagandisten Othmar F. Anderle (1907–1981) und wurde noch vor seiner Promotion (1965) von seinem Betreuer Georg Klaus (1912–1974) an das Philosophieinstitut der Humboldt-Universität geholt. Georg Klaus hat 1958 eine „Einführung in die formale Logik“ geschrieben.[17] Hernach war Hans Schulze viele Jahre am Akademieinstitut für Philosophie unter der Leitung von Manfred Buhr (1927–2008) tätig. Wegen seiner russischen Sprachkenntnisse konnte er mit sowjetischen Philosophen gut zusammenarbeiten und gab gemeinsam mit Werner Pfoh (1929–2009) 1958 das von sowjetischen Wissenschaftlern getragene Buch „Philosophie und Gesellschaft“[18] heraus. 1973 und 1976 veröffentliche Hans Schulze in der von Manfred Buhr herausgegebenen Reihe “Zur Kritik der bürgerlichen Ideologie“ zwei Kampfschriften gegen die bürgerliche, insbesondere sozialdemokratische Ideologie.[19] Nach der westdeutschen Besetzung der DDR wurde Hans Schulze, der 1988 den „Vaterländischen Verdienstorden“ in Bronze erhalten hatte, aus seinem wissenschaftlichen Arbeitsverhältnis hinausgeworfen.

In der DDR, die nach dem barbarischen Krieg der Deutschen gegen die „Russen“ selbst ein revolutionäres Friedensprojekt war, wurde die Erinnerung an Immanuel Kant mit seiner Idee von einer globalen Friedensordnung von Beginn an gepflegt. Kant hat in seinem dritten Definitivartikel zum ewigen Frieden vom Weltbürgerrecht, von der Hospitalität und dem “Recht eines Fremdlings“ gesprochen, und zwar „vermöge des Rechts des gemeinschaftlichen Besitzes der Oberfläche der Erde“.[20] Der vom Kapitalismus propagierte „Kosmopolitismus“, der die Völker in seinem Interesse entwurzeln und lenken will, hat damit gar nichts zu tun. Die von Kant postulierte Kritik als rationale Geisteshaltung zu allen metaphysischen Wahrheiten war eine geistige Kraft mit praktischer Bedeutung. Deshalb hat der deutsche Glaubensgeneral Josef Ratzinger alias Benedikt XVI. (1927–2022) in seinem Religionshochmut die Nennung von Kant auf dem Index Librorum Prohibitorum nachträglich noch gerechtfertigt, weil mit Kant der christliche Glaube mit seinen Wundern, Geheimnissen und Gnadenmitteln „Wahnglaube“ sei.[21] Der von Ratzinger gemaßregelte Befreiungstheologe Jon Sobrino SJ (*1938) war dagegen dankbar, dass er die dialektische Philosophie von Kant kennengelernt hat, weil sie mitgeholfen habe, seine Kommunität „aus dem dogmatischen Schlummer“ zu wecken.[22] Der israelische Historiker Shmuel Ettinger (1919–1988) stellt Kant gar in die Reihe der Verfechter jener Theorien im 19. Jahrhundert, die der Überzeugung waren, „es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um die Juden und die ganze Welt von dem Judentum genannten Unheil zu befreien“.[23] Das im ersten Jahr nach der nationalsozialistischen Machtergreifung herausgegebene „Lexikon des Judentums“ (1934) würdigt dagegen die persönliche Beziehungen von Kant zu Moses Mendelssohn (1729–1786) und seinen Einfluss auf seinen aufgeklärten jüdischen Schülerkreis insbesondere durch seine Maxime von der sittlichen Verantwortung des einzelnen Menschen gegenüber der Gemeinschaft.[24] Antisemitismus wird, wenn’s opportun ist, allerdings Karl Marx (1818–1883) auch vorgeworfen, dem es wie Kant nicht um das Judentum ging, sondern um die Emanzipation von der bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Eigentumsverhältnissen. Tomáš G. Masaryk (1850–1937), der viel mit Deutschen gesprochen hat und sie gut kannte, bemerkt, wie deutsche Epigonen von Kant diesen „zum Egoismus, zum aristokratischen Individualismus und gewaltsamen Übermenschentum“ missdeutet haben.[25] 

Im Umfeld von Hans Schulze hat sich Georg Klaus in Berlin mit den Frühschriften der Philosophie von Kant beschäftigt. Georg Mende (1910–1983) hat aus Anlass einer im Sommersemester 1952 an der Martin-Luther-Universität Halle veranstalteten Vortragsreihe „Wissenschaft und Frieden“ in seinen Vortrag über „Kant und das Problem des ewigen Friedens“ daran erinnert, dass farbentragender Studentenverbindungen gegen die 1795 erstmals publizierte Schrift „Zum ewigen Frieden“ aus Anlass der Feier der Königsberger Universität 1924 zum 200. Geburtstag des an ihrer Universität wirkenden Philosophen protestiert haben.[26] Späterhin haben in der DDR vor allem Manfred Buhr[27] und Hermann Klenner (*1926), der Mitte der 1990er Jahre eine historisch materialistische Antwort auf die Frage „Kants Entwurf >Zum ewigen Frieden< – Illusion oder Utopie“ gegeben hat,[28] mit ihren von der korrupten Wissenschaft der Gegenwart nicht mehr zitierten Veröffentlichungen die wissenschaftliche Rezeption der tiefen humanistischen Gedanken von Immanuel Kant geformt. Helga E. Hörz (*1935) und Herbert Hörz (*1933) betonen auf dem Hintergrund ihres politisch philosophischen Lebens in der DDR, dass in der „derzeitigen Situation der Welt, die sich im Kriegszustand mit wenigen Friedensoasen befindet“, Kant wieder zu analysieren und „seine Vorschläge auf ihre aktuelle Tauglichkeit zu prüfen“ sind.[29] Nach den konterrevolutionären Ereignissen in der früheren DDR sind gut bezahlte Denunzianten unterwegs. Dass die Bunddesrepublik Deutschland als ihr Geldgeber seit 1999 wieder offen völkerrechtswidrige Kriege führt, hält sie davon nicht ab. Über die Lebensdaten und wichtigsten Arbeitsfelder der Philosophen in der DDR hat Hans-Christoph Rauh (*1939) ein Personenverzeichnis erstellt, das De Gruyter 2021 digitalisiert und Bibliotheken zur Verfügung gestellt hat.[30] Dieses Lexikon knüpft an die deutsche Tradition der Nazizeit an und kennzeichnet Namen von in der DDR tätigen und anerkannten marxistischen Philosophen, die sich den westimperialistischen Interessen nicht unterwerfen wollten, mit einem „SED-Stern“. Martina Thom (1935–2019), die zum 250. Geburtstag von Kant 1974, zu dem das Institut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin am 28. und 29. März 1974 ein Symposium veranstaltet haben,[31] eine Biografie von Kant veröffentlicht hat,[32] versuchte vergeblich gegen das hanebüchene Nachtreten solcher Agenten der imperialistischen Weltanschauung im Internet Einspruch zu erheben.[33] Im Rückblick kann gesagt werden, dass Kant, weil dialektisch verarbeitet, einer der geistigen Quellen der aktiven Friedenspolitik der DDR war. Dass mit dem Kant’schen abstrakten und idealistischen Intellekt des menschlichen Subjekts der Frieden nicht zu gewinnen war, musste nicht weiter erörtert werden. Schließlich haben zumindest die Offiziere der deutschen SS-Truppen ihren Kant in der Schule auswendig kennengelernt, was doch sehr eindringlich zeigt, dass es immer um den konkreten Menschen unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen und nicht um den Schein ewiger Wahrheiten geht. Mit Lenin wussten die führenden Mitglieder der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), dass der Imperialismus immer auf Krieg abzielt, dass also über den „ewigen Frieden“ nicht außerhalb von Raum und Zeit gesprochen werden kann.

Bruno Frei hat sich „an einem nebelkalten Apriltag des Jahres 1795“ in das Besuchszimmer zur „Tischgesellschaft“ von Kant dazu gesetzt.[34] In seiner Erzählung sind die humanistischen Anliegen von Immanuel Kant in allem ein politisches Manifest. Er lässt Kant bei Tisch erzählen: >„Einst wird ewiger Friede sein, vielleicht erst nach der Bildung einer Weltrepublik – seine Herbeiführung jedoch ist unerlässlich, soll die Menschheit ihre Bestimmung erreichen. Die moralisch-praktische Vernunft in uns spricht ihr unwiderstehliches Veto aus: Es soll kein Krieg sein! Der ewige Friede ist der Endzweck der Rechtslehre innerhalb der reinen Vernunft!“<.[35] Die SED wollte „den Krieg aus dem Leben des deutschen Volkes für immer verbannen“.[36]Was für eine von den deutschen Eliten der Gegenwart niedergetretene Hoffnung! Die Selbstvernichtung der Menschen steht auf der Tagesordnung anstatt das Friedensprojekt von Immanuel Kant. Das hindert einen europäischen Kriegstreiber gegen Russland wie Emmanuel Macron (*1977) nicht, bei einem Besuch des Friedenspapstes Franziskus (*1936) in Rom diesem eine französische Erstausgabe von Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ zu überreichen.[37] 

Hans Schulze ist in seinem 19 Maschineschreibseiten umfassenden Gutachten (o. D. Ende 1958) zu einem ablehnenden Resümee gekommen.[38] Er war dabei nicht herablassend und biedert sich niemanden an, das Gutachten ist wissenschaftlich korrekt. Zu Beginn analysiert Hans Schulze wie Lenin, Mao Tse-Tung (1893–1976) oder Bertolt Brecht (1898–1956) die Kriege nicht in nationalen Kategorien, sondern teilt die Kriege in gerechte und ungerechte Kriege ein: „Der Begriff Krieg ist ein weiter Begriff. Wird er nicht näher bestimmt, so lassen sich alle Arten von Kriege darunter begreifen: Raubkriege, Freiheitskriege, Verteidigungskriege, Bürgerkriege. Zu jeder dieser Arten nimmt der Marxismus eine besondere Stellung ein. Dabei geht er von den Interessen der werktätigen Massen der Völker zu allen Zeiten aus. Aus diesem Grunde kann seine Stellung zum Beispiel gegenüber einem Raubkrieg und einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen zwei Klassen, das heißt einen Klassenkampf, nicht unterschiedslos sein. Die Erhebung einer unterdrückten, ausgebeuteten Klasse kann nur von den Ideologen einer herrschenden Klasse, wie zum Beispiel heute von denen der imperialistischen Bourgeoisie, verurteilt und verunglimpft werden, ebenso wie der Freiheitskampf eines im kolonialen Joch schmachtenden Volkes (wohingegen natürlich der Krieg gegen die Ausgebeuteten und Unterdrückten sowie gegen alle, die mit diesen sympathisieren, von denselben Ideologen verherrlicht wird).

Die Marxisten sind keine Pazifisten: Wenn der Widerstand einer Ausbeuterklasse nicht anders zu brechen ist, rufen sie das Volk zum bewaffneten Aufstand auf. Wird eine wehrlose Nation das Opfer einer imperialistischen Aggression, so betrachten sie es gegenüber dem überfallenen Volk als ihre heilige Pflicht, Räuber und Barbaren mit den Mitteln des Krieges zur Ordnung zu rufen, sofern alle friedlichen Mittel versagen. Haben die Marxisten noch nie den Versuch unternommen, eine Revolution zu exportieren, da sie es getreu dem Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker als die ureigene Sache eines jeden Volkes ansehen, eine neue, progressive Gesellschaftsordnung zu errichten, so werden sie sich andererseits, sobald ein Volk dieses Werk begonnen hat, gegen alle Versuche anderer Staaten werden, sich in die Angelegenheiten des betreffenden Volkes einzumischen.

Dass sich die Marxisten von diesen und keinen anderen Prinzipien leiten lassen, dafür gibt es in der Geschichte der neuesten Zeit, angefangen bei der Oktoberrevolution bis zu der vereitelten Versklavung Ägyptens durch die englischen und französischen Imperialisten und der Zurückweisung aller amerikanischen Versuche, sich >legal< (auf Gipfelkonferenzen) oder illegal durch Anzettelung von Konterrevolutionen in die inneren Angelegenheiten der volksdemokratischen Länder einzumischen, überaus zahlreiche Beispiele“.

Hans Schulze war der Meinung, dass diese grundsätzlichen Prinzipien von Bruno Frei nicht richtig erfasst und beleuchtet worden sind. Drei Grundsätze definiert Hans Schulze, an denen das Buch gründlich zu überarbeiten sei: „1. Die von den herrschenden Klassen angezettelten Kriege sind Verbrechen an den Völkern (Sklavenhalter, Feudalherren, Imperialisten). Wer hat sie kritisiert, warum blieb ihre Aufhebung ein Traum? 2. Der Kampf der Unterdrückten um ihre Freiheit ist gerecht. Wer hat diese Kämpfe ideologisch unterstützt, von wem wurden sie theoretisch begründet (ebenfalls alle Gesellschaftsformationen). 3.Wann wird der Traum vom ewigen Frieden Wirklichkeit?“

Die beiden von Bruno Frei mit seinem jüdisch religiösen Hintergrund geschriebenen Episoden „Das Gesicht des Jesaia“ und „Auf den Spuren der Bergpredigt“ qualifiziert Hans Schulze als schon gar nicht nachvollziehbar:

„Als sich dem König von Juda eine günstige Gelegenheit bietet, das Joch der Assyrer abzuschütteln, wird ihm vom Propheten Jesaia abgeraten, weil dazu die Schutzherrschaft Ägyptens erforderlich und damit voraussichtlich ein neues Joch verbunden wäre. Vielmehr gibt er dem König folgenden Rat: >Wenn Ihr stille bliebet, so würde Euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet Ihr stark sein<. Mit anderen Worten, der König von Juda soll um die Erhaltung des Friedens willen den Tod des assyrischen Königs nicht ausnutzen, um den Vasallenvertrag mit diesem als gelöst zu erklären, wonach sich das Volk, nach den Worten des Autors, sehnt. Der Krieg beginnt aber doch, wobei uns der Autor über die Ursache, das Wichtigste in diesem Zusammenhang, im unklaren läßt. Erst in der Stunde der tiefsten Erniedrigung, als die Niederlage Judas schon fast besiegelt ist (möglicherweise, weil der König von Juda auf Jesaias Rat hin nicht energisch zu den Waffen greifen ließ), läßt der Autor den Propheten sagen, <nicht Unterwerfung sei der Wille Jahves, sondern Frieden<, und ihn nunmehr zum hoffnungslosen Widerstand auffordern. Durch ein <Wunder<, das der Prophet vorausgesagt hat, wird der Krieg letzten Ende noch gewonnen. Da aus diesem Kapitel nicht ersichtlich ist, wer den Krieg begonnen hat, und aus welchem Grunde er begonnen wurde, läßt sich auch das Verhalten des Propheten Jesaia schlecht einschätzen. Der Leser erfährt nur, dass Jesaia anfangs einen Krieg ablehnt, da das Joch, das im Erfolgsfalle abgeworfen wird, ein neues nach sich ziehen würde. Jesaia erhofft sich vielmehr Freiheit und Frieden von einer abwartenden Haltung, da er wohl glauben mag, die Widersprüche zwischen den Großmächten Ägypten und Assyrien zugunsten Judas ausnutzen zu können. Um diesen Preis ist die Freiheit, wie der weitere Verlauf der Erzählung zeigt, jedoch nicht zu haben, was zu zeigen aber keineswegs in der Absicht des Autors gelegen hat. Vielmehr erhält man den Eindruck, dass gerade das Nichtstillehaltenwollen des Königs von Juda den neuen assyrischen König zum Krieg herausgefordert hat und der König von Juda für diese seine Haltung, für seinen Willen, sich mit Waffengewalt wieder freizumachen, durch furchtbare Niederlagen gestraft wird. Letzten Endes rettet der Prophet die Situation, indem er dem König abrät, die Stadt Jerusalem zu übergeben, und auf Gottes Hilfe vertröstet, die schließlich auch eintritt. Ist es nicht der entschlossene Kampf eines ganzen Volkes, so muß ein Wunder, das von Jesaia prophezeit wird, das Werk der Befreiung leisten. Ein Ausgang, der den Leser unbefriedigt läßt, weil er keinerlei Schlußfolgerungen gestattet. Alles, was sich von Jesaia sagen ließe, wäre, dass er ein Mensch gewesen ist, der den Krieg unterschiedslos, selbst um den Preis einer mäßigen Knechtschaft, abgelehnt und im übrigen auf seinen Gott vertraut hat. Die Aufforderung Jesaias, die Stadt Jerusalem nicht zu übergeben, nachdem der Krieg bereits so gut wie verloren ist, wirkt unwahr und macht die ganze Erzählung in sich widersprüchlich. Hätte der Autor den Propheten die Worte, <wer das Schwert zieht, wird durch das Schwert umkommen<, zu dem König von Juda sprechen lassen, so hätte er den Sinn, der sich, wie eine nähere Betrachtung ergibt, in der Erzählung enthalten ist, in einem Satz zum Ausdruck bringen können. Denn dass der König von Juda nicht durch das Schwert umkam, hat er dieser Erzählung nach nur dem Umstand zu verdanken, dass die Assyrer den Gott Jahve gelästert hatten, der sie dafür strafte und Juda errettete.

Man kann von diesem Kapitel nicht sagen, dass es irgendeine positive Aussage enthält, die für den Leser zum Verständnis der Frage Krieg und Frieden beitragen könnte und irgendwie erzieherisch wirkte.

Zur Erzählung „Auf den Spuren der Bergpredigt“ schreibt Hans Schulze:

In diesem Kapitel werden unter anderem Vermutungen über die Person Jesu angestellt. Da heißt es: >War er ein Führer, der sein Volk zum hoffnungslosen Kampf gegen die Besatzungsmacht rief?< Es leuchtet nicht ein, warum an dieser Stelle dem Widerstandskampf der Juden gegen die Römer das Prädikat hoffnungslos verliehen werden muß. Letzten Endes hat auch ihr Widerstand dazu beigetragen, die Krise des römischen Sklavenhalterstaates zu vertiefen, die zur völligen Auflösung dieses Staates führte. Der Kampf eines Volkes gegen seine Feinde ist nie hoffnungslos; die Stunde der Freiheit mag lange auf sich warten lassen, aber sie kommt.

In demselben Kapitel wird von dem Autor die Erzählung einer jungen Jüdin eingeflochten, die über den Krieg zwischen Juden und Arabern im Jahre 1948 berichtet. Obwohl der Autor den Absatz, in dem von einem angeblichen Mord der Araber an jüdischen Kindern die Rede ist, tritt die unparteiische Haltung des Autors an dieser Stelle deutlich hervor, wenn er von einem mörderischen Hass in den Augen der Araber und Juden spricht. Obwohl die Verhältnisse in diesem Land zu jener Zeit sehr verwickelt waren, kann man jedoch angesichts der heutigen aktuellen Bedeutung, die das Problem Israel im mittleren Osten besitzt, der Form, in der die vorliegende Episode geschildert wird, aus politischen Gründen nicht zustimmen.

Überdies bleibt das Losungswort, >zahlen und rächen<, unter dem die arabischen Quartiere überfallen wurden, unverständlich, da, wie gesagt, der Anfang gestrichen wurde.

Der alte Jude, der bei dem Überfall auf das arabische Viertel „rettet die Kinder“ rief, wurde, wie es heißt, von den Juden für einen Deserteur, von den Arabern für einen Provokateur gehalten, was nur verständlich ist, wenn der am Anfang der Erzählung gestrichene Absatz bekannt ist.

Auch in dieser Erzählung geht der Autor mit keiner Silbe auf die gesellschaftlichen Hintergründe dieses Konflikts ein. Diese Episode müsste meines Erachtens völlig gestrichen werden.

Bei der Erzählung über Jean Jacques Rousseau vermisst Hans Schulze die Unterscheidung zum Friedensplan des dort erörterten Charles-Irénée de Castel, Abbé de Saint Pierre (1658–1743), weil dieser eine Allianz von Herrschern im Auge gehabt hat, die allen Herrschern Sicherheit und Schutz vor Bürger- und Völkerkriegen geben sollte. Hier hätte Bruno Frei sich mit Bürgerkriegen und Revolutionen auseinandersetzen müssen. Der Marxismus verwerfe „alle Versuche, von welcher Seite sie auch kommen mögen, die Arbeiterklasse wehrlos zu machen, ihr den revolutionären Geist auszutreiben, sie zu willigen, auf jede Gewaltanwendung verzichtende Arbeitssklaven zu machen“. Rousseau sehe im Gegensatz zu dem Abbé die Revolution „als das Mittel an, das die Fortsetzung der feudalen Kriege verhindern soll, in dem sie die Fürsten als die Schuldigen an diesen Kriegen von ihrem Thron stürzt. Leider kommt dieser Gegensatz nicht in seiner ganzen Schärfe und Deutlichkeit zum Ausdruck, weil des Abbés Idee, mit seinem Plan auch Revolutionen zu verhindern, vom Autor unterschlagen wurde“.

In seiner Erzählung über Voltaire habe Bruno Frei ein Moment übersehen, das sich bei keinem anderen Denker, den er bis dahin behandelt habe, gefunden habe: „Es ist die Kritik an der herrschenden Religion als eines Handlangers der Mörderbandenchefs auf dem Fürstenthron. Diese Kritik nimmt etwa die Hälfte des gesamten Dictionaire-Artikels von Voltaire in Anspruch. Jeder Mörderbandenchef ruft Gott an, heißt es in diesem Artikel, heißt es in diesem Artikel, und lässt seine Waffen segnen. Hat er dann zehntausend Menschen ausgerottet, so dankt er Gott. Ja, die künstliche Religion (im Gegensatz zur Naturreligion) ermutigt zu allen Grausamkeiten“. Hans Schulze will, dass die in jüngster Zeit gemachten Erfahrungen mit den offiziellen Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche in Bezug auf die Unterstützung des NATO-Kriegskurses des Regimes von Konrad Adenauer (1876–1967) die Kritik von Voltaire lebendig machen.

Die Bemerkungen von Hans Schulze zur Erzählung von Bruno Frei über Immanuel Kant spiegeln den Stand der Diskussion in der DDR über Kant wider:

„Mit den Worten, >… wenn alles, was man sagt, wahr sein muss, so ist darum nicht auch Pflicht, alle Wahrheit öffentlich zu sagen<, die sich in ähnlicher Fassung in einem Brief Kants an Mendelssohn vom 8. 4. 1766 finden, weist der Autor eingangs darauf hin, dass auch Kant ein Opfer der deutschen Misere geworden ist.

Die Kritik am Frieden zu Basel, die in dem ersten Präliminarartikel der Kantschen Schrift >Zum ewigen Frieden< implizit enthalten ist, wird vom Autor sodann sehr richtig expliziert.

Der Autor gibt auch richtig die Kritik Kants am feudalen Kriege wieder, indem er ihn sagen lässt, dass die Fürsten und Gewalthaber Europas ihre Untertanen benutzen, um ihren Länderbesitz zu vergrößern und andere Völker zu unterjochen. Auch Kants Ansicht, dass es ein Recht zum Verteidigungskrieg gibt, und sein Plan zur Bildung einer Völkervereinigung, eines Staatenbundes, wie er schon vom Abbé de Saint-Pierre empfohlen wurde, sowie der Glaube Kants, dass sich der ewige Friede in Zukunft verwirklichen lasse, blieben vom Autor nicht unerwähnt.

Unerwähnt aber blieb, wie sich Kant die Herstellung dieses ewigen Friedens dachte. >Seine Hoffnung auf den endgültigen Sieg wahrer Menschlichkeit<, sagt Professor Mende in seiner Einleitung >Zum ewigen Frieden< (Reclam), >kam nicht von ungefähr bei ihm, dem preußischen Zeitgenossen der bürgerlichen französischen Revolution. Er sah in den durch die französische Revolution in Frankreich geschaffenen Verhältnissen das Beispiel dafür, wie er 1793 in der Schrift ‚Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nichts für die Praxis‘, formulierte: dass ‚ein jeder Staat in seinem Inneren so organisiert werden, dass nicht das Staatsoberhaupt, dem der Krieg (weil er ihn auf eines andern, nämlich des Volks, Kosten führt) eigentlich nichts kostet, sondern das Volk, dem er selbst kostet, die entscheidende Stimme habe, ob Krieg sein solle oder nicht …‘ “ (I. Kant, VIII, S. 311).

Diese Forderung Kants, die Entscheidung über Krieg und Frieden in die Hände des Volkes zu legen, weist in unsere Zeit und kann gar nicht oft und laut genug erhoben werden. Nichts anderes fordern wir heute, wenn wir zur Frage der atomwaffenfreien Zone in Europa die Herbeiführung eines Volksentscheids in Deutschland verlangen, wenn wir darüber hinaus verlangen, dass das Volk und nicht die Militaristenclique in Westdeutschland über die Lebensfragen der Nation entscheiden sollen. Es bleibt unerfindlich, warum der Autor auf diese Forderung Kants nicht eingegangen ist. Die Zeit zur Verwirklichung dieser Forderung ist reif, überreif; auf diese Tatsache hätte der Autor in seinem ganzen Buch das Schwergewicht legen sollen.

Ebensowenig kommt in diesem Artikel die Sympathie zum Ausdruck, die Kant der französischen Revolution entgegenbrachte. >Die Revolution eines geistreichen Volks, die wir in unseren Tagen vor sich gehen sehen, mag gelingen oder scheitern; sie mag mit Elend und Greueltaten dermaßen angefüllt sein, dass ein wohldenkender Mensch sie, wenn er sie zum zweiten Male unternehmend glücklich auszuführen hoffen könnte, doch das Experiment auf solche Kosten zumachen nie beschließen würde – diese Revolution, sage ich, findet doch in den Gemütern aller Zuschauer (die nicht selbst in diesem Spiele mit verwickelt sind) eine Teilnehmung dem Wunsche nach, die nahe an Enthusiasmus grenzt, und deren Äußerung selbst mit Gefahr verbunden war, die also keine andere als eine moralische Anlage im Menschengeschlecht zur Ursache haben kann. Diese moralisch einfließende Ursache ist zwiefach: ersten die des Rechts, dass ein Volk von anderen Mächten nicht gehindert werden müsse, sich eine bürgerliche Verfassung zu geben, wie sie ihm selbst gut zu sein dünkt; zweitens die des Zwecks (der ungleich Pflicht ist), dass diejenige Verfassung eines Volks allein an sich rechtlich und moralisch gut sei, welche ihrer Natur nach so beschaffen ist, den Angriffskrieg nach Grundsätzen zu meiden, welche keine andere als die republikanische Verfassung, wenigstens der Idee nach sein kann, mithin in die Bedingungen einzutreten, wodurch der Krieg (der Quell aller Übel und Verderbnis der Sitten) abgehalten und so dem Menschengeschlechte bei aller seiner Gebrechlichkeit der Fortschritt zum Besseren negativ gesichert wird, im Fortschreiten wenigstens nicht gestört zu werden< (I. Kant, VII S. 85 f.).

Deutlich geht aus diesen Worten hervor, dass Kant die Revolution als ein Mittel zur Herstellung von gesellschaftlichen Verhältnissen begrüßt, von denen er sich das Aufhören der Angriffskriege, die bei ihm mit den feudalen Raubkriegen der Fürsten identisch sind, mit Recht verspricht. Dass der Autor einen so wichtigen Zug der Kantschen Anschauung unerwähnt ließ, ist verwunderlich.

Nach der Lektüre des Kantartikels kann man den Eindruck erhalten, einen Gelehrten im Elfenbeinturm vor sich zu haben. Dass das durchaus nicht der Fall ist, glaube ich bereits gezeigt zu haben. Noch viel deutlicher aber würde das werden, wenn der Autor auf die von Kant in seiner Schrift >Zum ewigen Frieden< entwickelten Gedanken eingegangen wäre. Hier erweist sich Kant als ein großer Vorkämpfer für Freiheit und Frieden, der fernab von jedem Pazifismus steht. Seine Forderungen sind von einer erstaunlichen Aktualität. Mit Recht kann man sagen, dass der Marxismus in diesen Fragen sein geistiges Erbe angetreten hat. Kant verlangt:

Kein Friedensvertrag soll abgeschlossen werden, in dem absichtlich der Keim zu einem neuen Krieg gelegt ist.

Die nationale Souveränität der Völker soll geachtet werden.

Die stehenden Heere sollen abgeschafft werden. > Ganz anders ist es mit der freiwilligen, periodisch vorgenommenen Übung der Staatsbürger in Waffen bewandt, sich und ihr Vaterland dadurch gegen Angriffe von außen zu sichern.>

Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden.

Kein Staat soll sich in die Verfassung eines anderen Staates gewalttätig einmischen.

Ausrottungskriege (>wo die Vertilgung beider Teile zugleich, und mit dieser auch alles Rechts treffen kann, den ewigen Frieden nur auf dem großen Kirchhof der Menschengattung stattfinden lassen würde<) müssen unerlaubt sein.

Kant lehnt >das Verlangen jedes Staates (oder seines Oberhaupts), auf diese Art sich in den dauernden Friedenszustand zu versetzen, dass es wo möglich, die ganze Welt beherrscht<, ab. Kant verurteilt die grausame Versklavung der Kolonialvölker durch die Europäer.

Wie man sieht, hat der Autor die Möglichkeiten, das Erbe Kants in unsere Zeit hineinwirken zu lassen, so gut wie gar nicht genutzt“.

Hans Schulze fasst zum Schluss seines Gutachtens zusammen:

„In den Kapiteln, wie >Ein Drechsler im Reichstag<, >Ein Rufer in der Wüste<, >Kanzler und Papst<, >Sturmwind wie Du<, und anderen, ist es dem Autor ausgezeichnet gelungen, die Schuldigen am imperialistischen Krieg der Neuzeit zu entlarven, ihre egoistischen Interessen bloßzustellen, wenngleich auch nicht das Zwangsläufige einer solchen zum Kriege führenden Entwicklung auf Grund der Gesetzmäßigkeiten des Imperialismus aufgedeckt wurde. So viel aber leuchtet aus den genannten Artikeln ein, dass es Pflicht der Werktätigen ist, gegen diese Art von Kriege zu kämpfen, und dass diese Art von Kriegen ein Ende bereitet wird, wenn das Proletariat die Macht übernimmt. Der Kampf gegen den Krieg, und zwar der bewaffnete Kampf, wird gewissermaßen stillschweigend als ein dazu erforderliches Mittel vorausgesetzt. In dem Lenin-Artikel finden sich lediglich zwei versteckte Sätze, wo von der Notwendigkeit der Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg die Rede ist. Das aber reicht meines Erachtens zur Klärung einer so wichtigen Frage nicht aus.

Das Schwergewicht hat der Autor auf den Nachweis gelegt, dass das Proletariat einen unermüdlichen Kampf gegen den ersten Weltkrieg geführt hat. Nicht berücksichtigt blieben jedoch, wie eingangs bereits erwähnt, die tiefen Wandlungen, die sich seit den Tagen der Oktoberrevolution vollzogen haben. Im Kampf um den Frieden sind seit dieser Zeit viele Schlachten geschlagen worden. Mit diesen Schlachten sind aber in erster Linie nicht Namen wie C. v. Ossietzky und Gandhi verbunden, eine viel größere Bedeutung kommt vielmehr der Kommunistischen Partei der Sowjet-Union und der Regierung dieses ersten Arbeiter- und Bauernstaates zu, deren rastlose Bemühungen auf die Erhaltung des Friedens vor und nach dem zweiten Weltkrieg gerichtet waren und sind. Nicht zu reden von dem historischen Verdienst der Sowjetunion, den faschistischen Kriegsbrandstiftern die Waffen aus der Hand geschlagen zu haben. Hier hieße es, die richtigen Proportionen herzustellen.

Der Kampf gegen den Krieg konnte sich immer nur gegen eine historische Form von Kriegen richten. Nachdem diese beseitigt war, griff eine neue Form von Kriegen um sich. Erst mit der Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln wird auch die letzte Form der Kriege verschwinden. Diese Entwicklung, vom Autor verdeutlicht, hätte Licht in die Frage gebracht, und ihn nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von Propheten, Pazifisten, Utopisten und tatsächlichen Kämpfern gegen eine bestimmte Form von Kriegen wie Rousseau, Voltaire, Kant, Liebknecht, Lenin, um nur einige zu nennen, gezwungen. Hätte er den Kampf gegen die spezifische Form von Kriegen einer jeden Ausbeuterklasse gezeigt, die Schranken dieses Kampfes gegen den Krieg, so hätte er eine tatsächliche Entwicklung und vor allem den qualitativen Sprung in dieser Entwicklung, der mit dem Beginn des Zeitalters der proletarischen Revolutionen zu verzeichnen ist, nachweisen können. Material steht dem Autor bereits in großer Menge zur Verfügung. Es sollte möglich sein, das Versäumte nachzuholen. Vor allem sollte der Autor dabei die von Vertretern des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands gemachten Ausführungen über die Schwerpunkte des ideologischen Kampfes in unserer Republik in Betracht ziehen. In der vorliegenden Form aber ist das Buch >Die Stafette< meines Erachtens nicht für eine Veröffentlichung in der Deutschen Demokratischen Republik geeignet, da es nicht den hohen ideologischen Anforderungen, die wir an Werke dieser Art in unserer Situation stellen müssen, entspricht“.

Die weiterführenden Anregungen und Einsprüche von Hans Schulze sind im ausgedruckten Buch „Die Stafette“ nicht zur Geltung gekommen. Dennoch hat die DDR das Buch als Geschenk an die am 26. Juli 1959 in Wien eröffneten VII. Weltfestspiele der Jugend und Studenten für Frieden und Freundschaft (bis 4. August) verteilt. 130 Delegationen aus der ganzen Welt haben an diesen Festspielen teilgenommen, die von Störaktionen von reaktionären Kräften bis hin zu einer eigenen Antifestival-Ausstellung unter der Losung „Wer Gott leugnet, hat keinen Grund zur Menschlichkeit“ begleitet wurde. Der als fortschrittlich geltende Wiener Kardinal Franz König (1905–2004) hielt einen „Sondergottesdienst für die verfolgten Kirchen des Ostens“. Karl Bongardt (1925–2009) hat im Zentralorgan der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands „Neue Zeit“ diese antikommunistischen Hetze empört festgehalten.[39] In seiner Besprechung des Buches in der Berliner Zeitung „Neue Zeit“ hat Hans Giesecke (1937–2016) gemeint, es bedürfe „noch einer großen und schweren Erziehung des Menschengeschlechts, ehe der Gedanke des Friedens in den Herzen die Oberhand gewinnt vor dem gedankenlosen Sichabfinden mit dem Krieg“.[40] Im „Neuen Deutschland“ war der Schriftsteller Werner Ilberg (1896–1978) optimistischer: „Das Buch lässt keinen Zweifel am Sieg der guten, der besten Sache, des Friedens, der ersehnt wurde, der erkämpft wird“.[41]


[1] Bruno Frei: Der Papiersäbel. Autobiographie. S. Fischer Frankfurt a. M. 1972; Mit der Ethik der Väter (Pirkey Aboth) zum Denken und Handeln für eine geschwisterliche Welt – Teil 1 – Zeitung der Arbeit; Mit der Ethik der Väter (Pirkey Aboth) zum Denken und Handeln für eine geschwisterliche Welt – Teil 2 – Zeitung der Arbeit

[2] Carl v. Ossietzky. Eine politische Biographie. Das Arsenal. Verlag für Kultur und Politik. 2. Veränderte und erweiterte Auflage (mit einem Vorwort von Arnold Zweig zur 1. Auflage 1966) 1978. Carl v. Ossietzky. Schriften I und II. Hg. von Bruno Frei und Hans Leonhard. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1966; s. auch Exil in der Tschechoslowakei, in Großbritannien, Skandinavien und in Palästina (= Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil 1933–1945 in sieben Bänden. Band 5). Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1980, S. 535 und öfters.

[3] Der Gegen-Angriff. Antifaschistische Wochenschrift. Mit einem Geleitwort von Bruno Frei und einer Einleitung von Silvia Schlenstedt zur Reprintausgabe. April 1933 – März 1934. KRAUS Reprint. Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik Leipzig 1982. Ausgabe für KRAUS Reprint Nendeln/Liechtenstein; Wolfgang Kramer / Gerhard Müller: Der Gegen-Angriff (Prag / Paris 1933–36). Autoren‑, Personen- und Sachregister. Mit Beiträgen von Bruno Frei (= Deutsches Exil, Bd. 15). Verlag Georg Heintz. Worms 1982

[4] Schweizerisches Bundesarchiv. Bundesanwaltschaft vom 30. Januar 1939: „Die Arbeit der Komintern in der Schweiz im Zusammenhang mit der Reorganisation ihrer Struktur in diesem Lande vom Mai bis Juli 1938“.

[5] Bundesarchiv Berlin. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesarchivs, insbesondere Frau Archivarin Brigitte Fischer danke ich stets freundliches und interessiertes Entgegenkommen!

[6] Bruno Frei: Die Männer von Vernet. Ein Tatsachenbericht. Dietz Verlag Berlin 1951.

[7] Vgl. Artikel Leo Katz und Bruno Frei in: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Verlag J. B. Metzler Stuttgart / Weimar. Band 4 (2013), S. 163–165 (Philip Graf, Leipzig); Christian Kloyber: Einige Anmerkungen zum Exil österreichischer Intellektueller in Mexiko 1938 bis 1945. In: Friedrich Stadler (Hrsg.), Vertriebene Vernunft II. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft. Internationales Symposium 19. bis 23. Oktober 1987 in Wien. Jugend und Volk Wien / München 1988, S. 1004–1011, hier S. 1007.

[8] Gerhard Oberkofler: Wrocław – Von der Stadt des Friedens zur Frontstadt der NATO. RotFuchs. Beilage.

[9] 372 S., Ill. Das im Verlag eingereichte Typoskript ist mit nicht gedruckten Texten in der Sammlung von Handschriften und alten Drucken der Österreichischen Nationalbibliothek Wien überliefert.

[10] Übersetzungen in die deutsche Sprache sind unter Du Fu aufgelistet in: Anthologien mit chinesischen Dichtungen. Wissenschaftlich ermittelt und herausgegeben von Gu, Zhengxiang (= Übersetzte Literatur in deutschsprachigen Anthologien. Eine Bibliographie. Hg. von Helga Eßmann und Fritz Paul. 6. Teilband). Anton Hiersemann Verlag Stuttgart 2002, S. 89–98.

[11] Bruno Frei gibt kein Zitatnachweis. In der deutschen Einheitsübersetzung der Bibel 12. A. Stuttgart 2015, S. 839 heißt die Stelle Jesaja 40, 3: Eine Stimme ruft: Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott.

[12] Pierre Teilhard de Chardin: Das Tor in die Zukunft. Ausgewählte Texte zu Fragen der Zeit. dtv München 1987, S. 90.

[13] Abschrift des Antwortschreibens von Bruno Frei an Günter Caspar vom 28. Mai 1958 aus Peking, Peace Hotel. Bundesarchiv Berlin. Das Typoskript des Kapitels „Das Gesicht des Jesaija“ ist in der Sammlung des Dokumentationsarchivs Wien erhalten geblieben und wird von mir demnächst veröffentlicht werden.

[14] Bundesarchiv Berlin.

[15] Nachlass Anna und Richard Seipel (bundesarchiv​.de); Berliner Zeitung vom 30. August 1968.

[16] Überliefert in der Handschriftenabteilung der Österreichischen Nationalbibliothek. 20126 Q. 12 Maschineschreibseiten.

[17] Moderne Logik. 8. Auflage des neubearbeiteten und erweiterten 1958 unter dem Titel „Einführung in die formale Logik“. 6., erweiterte Auflage VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin. 

[18] Philosophie und Gesellschaft. Beiträge zum Studium der marxistischen Philosophie. Hg. von Werner Pfoh und Hans Schulze. Akademie-Verlag Berlin 1958.

[19] Hans Schulze: Sozialdemokratismus zwischen Entideologisierung und Reideologisierung (= Zur Kritik der bürgerlichen Ideologie 28). Akademie Verlag Berlin 1973; derselben: Strategie der Gegenprophetie. Zur Kritik der gegenwärtigen bürgerlichen Geschichtsphilosophie (= Zur Kritik der bürgerlichen Ideologie 69). Akademie-Verlag Berlin 1976.

[20] Immanuel Kant: Rechtslehre. Schriften zur Rechtsphilosophie. Hg. und mit einem Anhang versehen von Hermann Klenner (= Philosophiehistorische Texte). Akademie-Verlag Berlin 1988, S. 306–309, hier S. 306.

[21] Joseph Ratzinger. Benedikt XVI. Glaube. Wahrheit. Toleranz. Das Christentum und die Weltreligionen. Herder Verlag Freiburg i. Br. 2017, S. 106.

[22] Jon Sobrino: Der Glaube an Jesus Christus. Grünewald Verlag Ostfildern 2008, S. 319.

[23] Shmuel Ettinger: Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Die Neuzeit. In: Geschichte des jüdischen Volkes. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Unter Mitwirkung von Haim Hillel Ben-Sasson, Shmuel Ettinger, Abraham Malamat, Hayim Tadmor, Menachem Stern, Shmuel Safrai hg. von Haim Hillel Ben-Sasson. Mit einem Nachwort von Michael Brenner. Verlag C. H. Beck 6. A. 2016, S. 887‑1348, hier S. 912. 

[24] Philo-Lexikon. Handbuch des jüdischen Wissens. Herausgeber und Redaktion: Emanuel bin Gorion / Dr. Alfred Loewenberg / Dr. Otto Neuburger / Hans Oppenheimer. Philo Verlag G. m. b. H., Berlin 1934, Sp. 353 f.; Lexikon des Judentums. Chefredakteur John F Oppenheimer, New York. Mitherausgeber Emanuel Bin Gorion, Tel Aviv, E. G. Lowenthal, London/ Frankfurt a. M., Hanns G. Reissner, New York. C. Bertelsmann Verlag Gütersloh 1967, Sp. 364 f.

[25] T. G. Masaryk: Die Welt-Revolution. Erinnerungen und Betrachtungen 1914–1918. Ins Deutsche übertragen von Camill Hoffmann. Erich Reiss Verlag Berlin 1925, S. 354.

[26] Auch Deutsche Zeitschrift für Philosophie 1 (1953), S. 103–118.

[27] Z. B. Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. Texte zur Rezeption 1796–1800. Hg. von Manfred Buhr und Steffen Dietzsch. Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1984.

[28] Immanuel Kant: Rechtslehre Schriften zur Rechtsphilosophie. Hg. und mit einem Anhang versehen von Hermann Klenner. Akademie-Verlag Berlin 1988; Hermann Klenner: Kants Entwurf „Zum ewigen Frieden“ – Illusion oder Utopie? In: Volker Bialas und Hans-Jürgen Häßler (Hg.), 200 Jahre Kants Entwurf „Zum ewigen Frieden“. Idee einer globalen Friedensordnung. Königshausen & Neumann Würzburg 1996, S. 15–25.

[29] Helga E. Hörz & Herbert Hörz: Frieden. Geschenk oder Aufgabe? Erfahrungen, Analysen, Aktionen. Trafo Verlagsgruppe Dr. Wolfgang Weist. Berlin 2020, S. 238.

[30] Personenverzeichnis zur DDR-Philosophie 1945–1995 (onb​.ac​.at)

[31] Revolution der Denkart und Denkart der Revolution. Beiträge zur Philosophie Kants. Hg. von M. Buhr und T. I. Oisermann. Akademie- Verlag Berlin 1976.

[32] 2., überarbeitete A. Urania Verlag Leipzig 1978.

[33] http://​www​.martina​-thom​.de

[34] Die Stafette, S. 128–140.

[35] Die Stafette, S. 139.

[36] Deutsches Friedensbuch. Herausgegeben von Horst Ullrich, Walter Nowojski und Karl A. Mollnau. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1965, hier S. 856–863 (VI. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands).

[37] Papst spricht mit Frankreichs Präsident Macron über Ukraine – Vatican News

[38]Original. Maschineschrift Eigenhändige Unterschrift. o. D. (Dezember 1958) Bundesarchiv Berlin. Abteilung DDR. DR_1_3977_a_052; die in diesem Gutachten genannten Seitenzahlen des Typoskripts sind hier nicht aufgenommen.

[39] Neue Zeit. Berliner Ausgabe vom 25. Juli 1959; Neue Zeit vom 10. August 1959 (Artikel: Monsignore und die „Satanisten“).

[40] Neue Zeit vom 14. Juli 1959.

[41] Neues Deutschland vom 1. August 1959.

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