Beinahe wäre es dem siebenfachen deutschen Fußballmeister Schalke 04 gelungen, einen historischen Rekord zu brechen. Dass es nun doch nicht so weit kam, freut die Königsblauen ebenso wie den weiterhin aufrechten Rekordhalter aus Berlin.
Gelsenkirchen/Berlin. Aufatmen in Neukölln: Tasmania Berlin bleibt Rekordhalter als erfolglosestes Team in der Geschichte der deutschen Fußballbundesliga. Der FC Schalke 04 verspielte am vergangenen Samstag durch einen leichtfertigen 4:0‑Sieg über die TSG Hoffenheim die Chance, mit der Tas gleichzuziehen. Seit fast einem Jahr – seit dem 17. Jänner 2020 – hatten die Gelsenkirchener kein Bundesligamatch mehr gewonnen (damals 2:0 gegen Gladbach), was einer stolzen Reihe von 30 sieglosen Partien entsprach. Der SC Tasmania 1900 Berlin konnte in der Saison 1965/66 in einer legendären Serie jedoch sogar 31 Spiele lang nicht gewinnen. Es versteht sich von selbst, dass man in Berlin-Neukölln angesichts der unterirdischen Performance der Schalker in den vergangenen Wochen und Monaten immer mehr Angst bekam, man würde seinen historischen Rekord mit den Knappen teilen müssen – oder ihn gar an sie abgeben. Diese Befürchtung ist nun hinfällig: Tasmania ist und bleibt einzigartig – und darauf ist man in bester Berliner Art stolz. In Gelsenkirchen hat man freilich weniger Humor: Dort ist man froh, den Negativrekord verpasst zu haben, zumal man sich ja trotzdem nach wie vor in ernsthafter Abstiegsgefahr befindet.
Die Saison 1965/66 also. An der hätte Tasmania freilich niemals teilnehmen dürfen, denn es war durchaus klar, dass die Westberliner in der BRD-Bundesliga nicht konkurrenzfähig sein würden. Folgendes ist damals jedoch passiert: Der namhafte Berliner Lokalrivale Hertha BSC war vor Beginn der Spielzeit aufgrund von massiven Verstößen gegen die Finanzgebarung aus der Bundesliga ausgeschlossen worden. Aus politischen Gründen war man in Bonn, beim DFB sowie bei der Springer-Presse aber der Ansicht, dass es unbedingt einen Klub aus Berlin in der ersten Spielklasse der BRD bräuchte: Der Berliner Regionalligameister von 1964/65, Tennis Borussia, war allerdings schon im Aufstiegs-Play-Off gescheitert, Vizemeister Spandau lehnte dankend ab – daher kam die nur drittplatzierte Tasmania zum Zug. Die Bundesliga wurde kurzerhand (und kurzfristig) von 16 auf 18 Teilnehmer aufgestockt, wodurch man einen Platz an den Verein aus Neukölln vergeben konnte, außerdem durfte auch der Fixabsteiger der Vorsaison in der Liga verbleiben (historischer Zufall am Rande: das war Schalke). Der Rest ist Geschichte – und bleibt es nun: Tasmania gewann zwar das erste Match am 14. August 1965 (2:0 gegen den Karlsruher SC), dann folgten aber eben die erwähnten 31 sieglosen Partien, bis am 21. Mai 1966 Borussia Neunkirchen mit 2:1 überwunden werden konnte. Mit der schlechtesten Bilanz, die je ein Team in der Bundesliga hatte, stieg man nach diesen zwei Siegen und drei Unentschieden in 34 Spielen und mit einer verheerenden Tordifferenz wieder ab. 1973 ging der eigentliche SC Tasmania 1900, dann wieder in der Berliner Regionalliga, bankrott und musste liquidiert werden. Im selben Jahr wurde jedoch als de facto-Nachfolgeklub der SV Tasmania Berlin gegründet, der gegenwärtig immerhin in der fünftklassigen Oberliga Nordost recht erfolgreich um den Aufstieg in die Regionalliga spielt. Die aktuelle Vereinsführung um Almir Numic ist froh, dass man den 64 Jahre alten Rekord als schlechtestes Bundesligateam aller Zeiten behält: „Diese Kultgeschichte ist für uns sehr wichtig – den Negativrekord zu halten. Für uns ist es ein positiver Rekord“, so Numic. In gewisser Hinsicht kann man also sagen: Tasmania bleibt ungeschlagen.
Quelle: Der Spiegel